Nikolaus "Mickey" Hirschl, geb. 1908 in Wien. Hakoah-Mitglied, Gewinner von zwei Bronzemedaillen im Ringen/Schwergewicht (griechisch-römischer Stil und Freistil) bei den Olympischen Spielen 1932 in Los Angeles (USA). 1934 nach Palästina. Der größte Teil seiner Familie fiel dem Holocaust zum Opfer.
1947 von Palästina nach Australien.
Verstorben 1991.
Meine gottseligen Eltern haben eine koschere Fleischbank gehabt, dort habe ich dann später auch gearbeitet. Meine gottseligen Eltern waren nicht wahnsinnig fromm, aber wir haben ein koscheres Haus geführt. 27 Jahre war mein Vater Präsident des Tempels in der Kluckygasse. Mein Vater hat keine Pejes [Schläfenlocken] getragen und keine Zitzes, aber er war fromm. [...]
Turnen bin ich zuerst zu Makkabi gegangen. An zwei Abenden in der Woche turnte man im Turnsaal der Schule in der Jägerstraße. Ich bin aber dann bald der Hakoah beigetreten.
Alle diese Vereine waren zionistisch orientiert, ohne dass man aber Hebräisch gelernt hätte. Wir haben Ausflüge gemacht oder geturnt. Bei Hakoah habe ich zuerst Fußball gespielt, das war in einer Schülermannschaft. Wir haben auf dem Hakoah-Platz im Prater in der Nähe des Stadions gespielt. Ich war in vielen Sportarten aktiv, besonders in der Leichtathletik. Im Laufen war ich nicht so gut, aber im Kugelstoßen und im Diskuswerfen habe ich ein paar Mal die Junioren-Meisterschaften gewonnen. Mit 15 Jahren habe ich zu stemmen begonnen und bald darauf mit dem Ringen. Das blieb dann meine eigentliche Domäne. Sehr lange war ich österreichischer Meister. [...]
Durch meine Körperkraft und meine politische Einstellung war ich öfters in Prügeleien mit Nazis verwickelt. Einmal war ich bei einer Wasserballveranstaltung der Hakoah im Dianabad als Ordner eingeteilt. Dabei habe ich einen Nazi von oben ins Wasser reingehaut - mitten in die Wasserballspieler. Ich hab schon was aufgeführt! 1927 wurde ich im Stadtpark von einem Burschen überfallen. Er wollte mir mit einem Messer in den Bauch stechen. Ich habe mit meiner Linken seinen Stich abgewehrt und dabei hat er mir die Pulsader durchstochen. Ich hab ihm dafür so eine "Fotzen" gegeben, dass er nicht mehr sprechen konnte. Der hat mich 1938, einen Tag nach dem Einmarsch, gesucht. Aber ich war ja schon in Palästina. Man kann sich vorstellen, was der mit mir gemacht hätte. [...]
Im März 1934 bin ich mit meiner Verlobten an einem Freitagabend spazieren gegangen. Mein Vater war sehr traditionell und hat darauf bestanden, am Freitag in die Synagoge zu gehen. Anschließend hat es dann Nachtmahl gegeben. Nun, ich habe meine selige Frau abgeholt - sie hat im 9. Bezirk gewohnt - und nachher wieder zurückgebracht. Wir sind über die Friedensbrücke gegangen. Ich habe so einen Stadtpelz angehabt und trug einen steifen Hut. Ich war so elegant angezogen, weil ich doch vorher in der Synagoge war. Obwohl ich gar nicht jüdisch aussah, war ich offenbar durch die Kleidung als Jude erkennbar. Als wir nun so gingen, kamen drei Nazis, haben gestänkert und zu meiner seligen Frau gesagt: "Was gehst du mit dem Juden?" Auch sie sah nicht wie eine Jüdin aus. Jedenfalls habe ich einen erwischt, der ist vier Monate im Spital gelegen. Ich wurde zur Polizei gebracht. Da ich nun als aktiver Sozialdemokrat und Schutzbündler bekannt war, hat der Hofrat, der diese Angelegenheit bei der Polizei bearbeitet hat, meinen Vater gerufen. Gemeinsam mit unserem Rechtsanwalt wurde schließlich beschlossen, dass ich aus Wien so schnell wie möglich wegfahren sollte. Die Nazis waren zwar damals offiziell verboten, aber da ich politisch Schwierigkeiten hätte haben können, eventuell sogar nach Wöllersdorf in das Anhaltelager gekommen wäre, zog ich es vor, nach Palästina zu fahren. Vier Wochen später ist meine selige Frau nachgekommen und wir haben dort geheiratet.