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Bruno Furch: Unsere Stärke bestand in der besseren Moral

Bruno Furch, geb. 1913 in Wien, Lehrer und bildender Künstler. Betätigung für die Sozialistische Arbeiterjugend. Nach 1934 Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes, mehrmals inhaftiert. Nach dem März 1938 Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg. Ab 1939 in Frankreich interniert (St. Cyprien, Gurs, Le Vernet), Anfang Mai 1941 in das KZ Dachau eingewiesen, im Juli 1944 in das KZ Flossenbürg überstellt, dort bis Ende April 1945 in Haft.

Nach der Rückkehr 1945 in der KPÖ tätig, Redakteur der "Volksstimme", 1970 Mitglied des Zentralkomitees der KPÖ und Stellvertretender Chefredakteur.

Verstorben 2000.

 

 

Ich kam mit einigen anderen nach Mora del Ebro und dann weiter nach Venta de Camposines, und dort hat man mir einfach gesagt, wo die 11. Brigade liegt, sodass ich den Ebro-Übergang selber nicht mitgemacht habe. Ich bin dann von Venta de Camposines losmarschiert, schwer bepackt, Rucksack, Stahlhelm, Gewehr, dazu einen Mantel, bei der Hitze, Ende Juli, und kam nach einigem Suchen zur 11. Brigade und zu meiner Transmissions-Kompanie. Der Chef der Transmissions-Kompanie war damals Josef Hubmann, einer der beiden Brüder, der eine hieß Josef, der andere Hans, beide waren ungefähr gleich alt. Sie sind aus der Sowjetunion nach Spanien gekommen, Schutzbündler, waren schon in der Sowjetunion berühmt als Jodler. In unserer Kompanie gab es auch einen Schweden, Karl Staff, der ein besonders mutiger Bursche war. Wir hausten in Höhlen und wurden eingesetzt zur Kontrolle der Linien vom Brigade-Stab zu den Bataillonen. Das war in der Sierra Cavalls. Auf der anderen Seite der Straße, die nach Gandesa führt, von Pinell nach Gandesa, liegt die Sierra Pandols. Auf der Sierra Pandols lag die 15. Brigade. Das war ein Hochplateau, zur Hälfe von uns und zur anderen Hälfte von den Faschisten besetzt. Die Sierra Cavalls und die Sierra Pandols waren Schlüsselstellungen der Republikanischen Armee, und um sie tobten die schwersten Kämpfe. Es gab ununterbrochen Angriffe der Faschisten auf unsere Stellungen, denen immer schwere Artillerie-Bombardements vorausgingen. Die Faschisten waren uns an Artillerie und an Luftwaffe gewaltig überlegen. Unsere Artillerie konnte in der Früh ein paar Schüsse abgeben und musste dann sofort die Stellung wechseln, weil darauf kam die Antwort, die war verheerend, hageldicht. Die Faschisten hatten eine Artilleriekonzentration in diesem Abschnitt, die der von Verdun gleichkam. Artillerie-Bombardement bedeutete, dass die Linien, die Telefonlinien kaputt waren. Kaum geht das los, funktioniert schon die Verbindung nicht mehr. Das war eine Sisyphusarbeit. Man hat das Schnürl in der Hand und läuft und läuft und läuft und findet das Ende und sucht das andere Ende, und mittlerweile krachen und heulen die Granaten vorbei. Dann stellt man die Verbindung her, das heißt, man verbindet die Drähte und isoliert sie und dann probiert man, ruft an nach rückwärts. Es funktioniert. Ruft an nach vorne. Es funktioniert noch nicht, also weiterrennen, bis man wiederum etwas findet, und mittlerweile kracht es noch immer in der Gegend wie verrückt. Die Splitter, die Steine sausen herum. Dann stellt man fest, bei der nächsten Kontrolle, bei der nächsten Flickarbeit, die Verbindung nach rückwärts ist auch schon wieder hin. Nach vorne funktioniert es auch nicht. Also, was tun? Zurückrennen, wieder flicken, wieder nach vorne rennen, sodass man während der ganzen artilleristischen Vorbereitung des Angriffs praktisch draußen war und eigentlich die Linien nie funktioniert haben. Es war eine unnötige Arbeit und höchst gefährlich. Ich bin da ein paar Mal in ziemlich brenzlige Situationen gekommen. Einmal, wenn ich meinen Kopf nicht eingezogen hätte, hätte ich buchstäblich einen Granatsplitter drinnen gehabt, der zwei Zentimeter über dem Kopf in eine Weinbergmauer hinein ist, an der ich gelehnt bin. [...]

 

Wir waren als Soldaten am Boden täglich Zeugen der gewaltigen Luftüberlegenheit des Gegners. Tatsächlich hat die ganze republikanische Luftwaffe - das wussten wir damals nicht genau, aber das haben uns dann in dem Lager Gurs in Frankreich die Piloten der republikanischen Luftwaffe auch geschildert -, die ganze Luftwaffe bestand zur Zeit der Ebro-Schlacht aus ungefähr 90 Jagdflugzeugen und 30 Bombern, die natürlich alle am Ebro eingesetzt waren. Die Überlegenheit der Luftwaffe des Gegners, der Messerschmidt-Jäger, der Heinkel-Bomber, der Caproni usw. war eine etwa Zehnfache. Zum Schutz der Ebro-Übergänge, das heißt, der Ponton-Brücken, die unter Wasser gebaut waren, damit man sie von der Luft aus nicht sieht, über die der ganze Nachschub für die im Ebro-Bogen kämpfenden Truppen gegangen ist, musste sämtliche Flak aus Barcelona abgezogen werden. Ich glaube, ich habe schon die Überlegenheit der feindlichen Artillerie geschildert, und so ähnlich war es auch mit der Panzerwaffe. Wir hatten einige Panzer, die Faschisten waren bedeutend überlegen, allerdings konnten sie in dem gebirgigen Gelände dort auch nicht sehr viel mit den Panzern anfangen. Die Panzer beschossen unsere Stellungen von den Straßen aus. Unsere Stärke bestand absolut in der moralischen Überlegenheit unserer Soldaten, der Spanier wie der Interbrigadisten, trotz einer geringeren Bewaffnung, die aus Maschinengewehren, Mörsern und Gewehren, Maschinenpistolen usw. bestanden hat. Unsere Stärke bestand in der besseren Moral. Wir waren eine politische Armee. Wir waren am Laufenden durch die Polit-Stunden, die es gegeben hat, fast jeden Tag, wenn es die Frontlage erlaubt hat, waren informiert über die Vorgänge in Spanien, um Spanien herum, und wir wussten auch um die Bedeutung unseres Einsatzes. Was ich bisher nicht erwähnt habe, fällt mir jetzt in diesem Zusammenhang ein. Wir Österreicher zum Beispiel waren uns vollkommen klar, so war auch sozusagen die politische Instruktion, die wir bekommen haben, dass unser Einsatz in Spanien auch ein Beitrag zur Verhinderung der Entfesselung eines Zweiten Weltkrieges, der ja praktisch schon begonnen hatte, war und ein Beitrag zum Kampf um die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Österreichs. Wir haben schon in Paris vor unserem Abgang nach Spanien von dem Aufruf des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei an das österreichische Volk zum Widerstand und zum Kampf um die Wiederherstellung eines unabhängigen demokratischen Österreich erfahren, und in diesem Bewusstsein sind wir nach Spanien gegangen, und dieses Bewusstsein hat uns auch am Ebro begleitet. Bei den faschistischen Truppen war eine höchst unterschiedliche moralische Kampfkraft zu bemerken. Recht gut waren die Requetès, die Carlisten, schlecht waren die italienischen Truppen. Ich habe selbst mit eigenen Augen gesehen, wie aus den Ausfalls-Gassen, die es in Sandsack-Barrikaden vis-à-vis von uns gegeben hat, die italienischen Soldaten von ihren Offizieren mit der Pistole in der Hand zum Angriff hinausgetrieben wurden ins Feuer unserer Maschinengewehr-Kompanie. Wie ihre Angriffe ununterbrochen stecken blieben, weil sie einfach nicht kämpfen wollten. Trotzdem haben sie enorme Verluste gehabt. Meterhoch sind die Leichen in dem Graben vor unseren Maschinengewehren gelegen. Die republikanischen Truppen waren auch zu etwas imstande, was die anderen nie versucht haben, nämlich Nachtangriffe zu machen. In der Nacht, wenn wirklich alles abhängt vom Wollen des einzelnen Mannes, haben wir wiederholt Einbrüche in die Fortifikationen des Gegners erzielt, mussten uns allerdings in den meisten Fällen auch wieder zurückziehen. [...]

 

Wir sind informiert worden, ich glaube, das war noch in Falset, vor der Ebro-Offensive, dass der so genannte Nichteinmischungs-Ausschuss des Völkerbundes im Juli die Aufforderung an die am Spanien-Krieg direkt oder indirekt beteiligten Mächte richtete, ihre Truppen und ihr Material aus Spanien zurückzuziehen. Wir haben dann auch erfahren, im September, als wir nach wochenlangem Einsatz vorübergehend in der Reserve waren, dass die spanische Regierung den Entschluss gefasst hat, diesem Appell zu entsprechen. Juan Negrin, der Ministerpräsident, hat in Genf diesen Entschluss verkündet, irgendwann im September. Wohl aufgrund dieses Beschlusses sind wir gegen Ende September vom Ebro zurückgezogen worden. Es war auch schon höchste Zeit, weil unsere Verluste im Laufe der Wochen natürlich auch keine geringen waren. Wir sind eines schönen Abends aus den Stellungen gezogen worden und marschierten in der Dunkelheit im Gänsemarsch auf der Straße nach Mora de Ebro.

 

Auf der anderen Seite marschierte die 42. Division, Lister. Sie rückte in die Stellungen ein, die geräumt waren. Wir gingen über den Ebro und sind mit Lastautos in ein Bergdorf ungefähr 11 Kilometer nordwestlich von Falset befördert worden. In Gratallops erfuhren wir, dass wir zurückgezogen werden aus der Front und aus dem Einsatz in Spanien. Diesen Beschluss haben wir teils mit einer gewissen Erleichterung aufgenommen, um ehrlich zu sein, weil wir wussten, damit ist unser Leben zumindest außer Gefahr. Das spielt ja eine Rolle. Aber natürlich auch teils mit Betrübnis, weil wir den Eindruck hatten, dass das ein Schritt mehr zur Niederlage ist. Wir waren tief davon überzeugt, dass Deutschland und Italien oder die Franco-Regierung diesem Beispiel nicht folgen würden. Und so ist es ja auch gewesen. Es war ein eindeutiger Schritt, der - ich möchte nicht sagen, dass er illusionistisch war - die Positionen der Spanischen Republik, der republikanischen Regierung in Westeuropa, in Frankreich, in England und auch in den Vereinigten Staaten politisch stärken und ein Beitrag zur Politik der kollektiven Sicherheit sein sollte, die die Sowjetunion seit ihrem Eintritt in den Völkerbund entschieden verfochten hat. [...]

 

Zur Politik der Nichteinmischung und zur militärischen Überlegenheit der Faschisten gehört noch die Tatsache, dass die republikanische Regierung, als sie die Ebro-Offensive vorbereitete, Waffen kaufte, bei der Sowjetunion, und dass - das haben uns dann die Flieger erzählt in Gurs - mindestens 300 Flugzeuge, hauptsächlich Jäger, die "chatos", wie wir sie nannten, in der Gegend von Toulouse zerlegt lagen und von der französischen Regierung nicht über die Grenze gelassen wurden. Im republikanischen Gebiet gab es an verschiedenen Orten, ich habe selbst einmal so etwas gesehen, Montage-Betriebe, wo die Rümpfe zusammengebaut, Motoren eingebaut wurden usw. Nur so viel zur Benachteiligung der Republik durch die so genannte Nichteinmischungs-Politik.

 

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