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Die Erkennungsdienstliche Kartei der Gestapo Wien

Im April 2000 stieß der Historiker Thomas Mang im Zuge der Recherchen zu seiner Dissertation im Wiener Stadt- und Landesarchiv auf 51 bislang unbeachtete Kartons, die fälschlich als "Gauakten" beschriftet waren, aber die Erkennungsdienstliche Kartei der Wiener Gestapo-Leitstelle enthielten.
Bereits in den 1970er-Jahren hatte Wolfgang Neugebauer, 1983 - 2004 wissenschaftlicher Leiter des DÖW, bei der Wiener Polizei und über das Innenministerium diese Gestapo-Kartei gesucht. Damals hatten die Behörden das Vorhandensein der Dokumente bestritten.

Die Wiener Gestapo mit Sitz im ehemaligen Hotel "Metropole" am Morzinplatz war mit über 900 Mitarbeitern die größte Gestapo-Dienststelle in Nazi-Deutschland. Tag für Tag wurden hier bis zu 500 Menschen zur Einvernahme vorgeladen oder nach erfolgter Verhaftung eingeliefert. Karl Ebner, der stellvertretende Leiter der Wiener Gestapo-Leitstelle, nannte das euphemistisch "Parteienverkehr". Insgesamt dürften mindestens 50.000 Personen in die Mühlen von Wiens Gestapo geraten sein.

Über 11.000 Menschen sind in der vorliegenden Erkennungsdienstlichen Kartei der Wiener Gestapo erfasst; Fotos wurden angefertigt und auf "Photographierscheinen" wurde die "Verbrecherklasse" verzeichnet. Hier spiegelten sich die gegen jedes oppositionelle und non-konforme Verhalten gerichteten Gesetze des NS-Terrorregimes: Arbeitsunwilliges Verhalten, Abhören von feindlichen Sendern, Geschlechtsverkehr mit Kriegsgefangenen, homosexuelle Beziehungen, Verstöße gegen antijüdische Vorschriften, kommunistische oder staatsfeindliche Betätigung bis zu Vorbereitung zum Hochverrat. Registrierkarten von später prominent gewordenen Gestapo-Häftlingen, wie jene des Justizministers Christian Broda oder der Architektin Margarethe Schütte-Lihotzky, finden sich darunter. Auch langjährige DÖW-MitarbeiterInnen wie Antonia Bruha, Hans Landauer und Ferdinand Hackl gehörten zu den von der Gestapo erkennungsdienstlich erfassten Häftlingen.

Der effizienten Erfassung der Identität schenkte man höchste Aufmerksamkeit. Auf A5-Kuverts mit dem Fingerabdruck der Betroffenen war die Personalbeschreibung von den Beamten in gebotener Schnelligkeit zu erledigen. Zwölf Kategorien zur Beschreibung der Verfolgten sollten die Charakterisierung erleichtern. Zutreffendes musste nur unterstrichen werden: "Schwächlich" konnte die Gestalt sein, die Stirn "zurückweichend", die Ohrläppchen "zwickelförmig", die Nase "eingebogen, gradlinig, ausgebogen, winkelliggebogen, wellig".

In fast jedem Kuvert befanden sich noch die drei klassischen Polizeiportraits: der/die Verdächtige im Profil, en face und in Halbseitenansicht. Von Homosexuellen fertigte man zusätzlich Ganzkörperaufnahmen an.

Dank des Entgegenkommens des Wiener Stadt- und Landesarchivs konnte diese Kartei der Gestapo Wien im Sommer 2001 vom DÖW gescannt und in einer Datenbank erfasst werden. Fotos von rund 1500 Juden und Jüdinnen, die von der Gestapo in der Erkennungsdienstlichen Kartei verzeichnet worden waren, wurden mit den Daten der im Dokumentationsarchiv bestehenden Datenbank Österreichische Holocaustopfer verknüpft.

 

 

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