Nur ein paar Wochen dauerte der Rückzug Andreas Mölzers vom Posten des Zur Zeit- Chefredakteurs. In Zur Zeit 51-52/1999 verkündigt er eine "Rundumerneuerung" samt seiner Rückkehr. Der neue alte Chefredakteur räumt unumwunden "Fehler und Schwächen" bei der Blattgestaltung ein. Tatsächlich war es kaum zu erwarten, dass Zur Zeit ausgerechnet unter einem Chefredakteur Helmut Müller den Ausbruch aus dem engeren deutschnationalen und rechtsextremen Milieu schafft. Mölzer will wohl die erlangte Salonfähigkeit - seine Kolumnen finden sich mittlerweile auch in der bürgerlichen Tageszeitung Die Presse - unmittelbarer in den Dienst der Sache stellen. Insbesondere der Brückenbau zum konservativ-katholischen Vorfeld der ÖVP erscheint als Ziel des vormaligen FPÖ-Chefideologen. Diese strategische Orientierung auf den politischen Katholizismus vertrieb ja bereits Mölzers Zögling Jürgen Hatzenbichler aus der Zur Zeit-Redaktion. Nun dürfte sie den Ausschlag für die "Rundumerneuerung" gegeben haben, betont doch Mölzer, dass "eine pauschale Diffamierung der christlichen Kirchen, und sei es nur im Zitieren eines Buches, nichts in unserem Blatt verloren [hat]". Offensichtlich hofft Mölzer mit seiner Rückkehr auf den Chefredakteursstuhl, die antiklerikalen Reflexe der nationalen Fraktion im Zaum halten zu können. Auch am Beispiel Horst Mahler lassen sich interne Spaltlinien nachzeichnen: Während Friedrich Romig Mahlers Ausführungen in Wien als "typische Produkte nationalsozialistischer Sichtweisen" kritisiert und ihn andeutungsweise "gar zu den bezahlten Agents provocateurs" (Zur Zeit 50/1999, S. 15) zählt, beginnt ein anonymer Zur Zeit-Mitarbeiter eine Ausgabe danach mit einem apologetischen Mehrteiler über den deutschen Rechtsextremisten.
Wie immer der Richtungsstreit auch ausgehen mag, zumindestens der Antisemitismus bleibt auch unter dem neuen alten Chefredakteur Mölzer einigendes Band. So verlangt ein "Norbert Niemann" (vermutlich Pseudonym; Autorenschaft des gleichnamigen deutschen Schriftstellers ist auszuschließen) zur Jahrhundertwende ein Ende der "Vergangenheitsbewältigung": "Nun heißt es zwar im alttestamentarischen Denken, dass gesühnt werden müsse bis 'ins siebente Glied', in einer zunehmend schnelllebiger werdenden Zeit sind die Ereignisse in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts aber für die heutige Generation in eine derartige Ferne gerückt, dass trotz ständiger medialer Aufbereitung und trotz der intensivsten Bemühungen Hollywoods ein Schuldbewusstsein kaum mehr vorhanden sein kann." (Zur Zeit 01-02/2000, S. 1) Der Wunsch ist der Vater des Gedankens, wenn "Niemann" meint, "weitere Forderungen nach Wiedergutmachung" müssten "für neue Generationen immer mehr nach brutalem 'Abzocken' und 'Abkassieren' aussehen". Neben dem "alttestamentarischen Hass" wird mit der Behauptung, die Juden und Jüdinnen seien selbst am Antisemitismus schuld, ein weiteres antisemitisches Stereotyp aufgewärmt: "Das, was es bislang höchstens noch als ein Vorurteil unter vielen anderen in unseren Breiten gegeben hat, nämlich den Antisemitismus, könnte auf diese Art wieder entstehen. Nehmen dies die Betreiber der erneuerten Wiedergutmachungsforderungen bewusst in Kauf?" Auch die Behauptung, die "Juden" würden den Holocaust zu ganz anderen Zwecken als der "Vergangenheitsbewältigung" ausnützen, darf in Niemanns Schlussstrichforderung nicht fehlen. So behauptet er, die "Debatten" um Wiedergutmachungen seien ein "Instrument aktueller politischer Bestrebungen". Und weil der "Jude" für Antisemiten seit jeher auch in politischer Hinsicht den prototypischen Anti-Deutschen darstellt, besteht kein Zweifel über das Ziel dieser Bestrebungen: "Allzu große deutsche Eigenständigkeit pflegt man nahezu schon gewohnheitsmäßig mit dem Hinweis auf die NS-Vergangenheit zu unterbinden."