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Tagung "Exil in Österreich: 1918-1938"

Internationale Tagung in Wien, 29.11. bis 1.12.2023

Call for Proposals

In der Zwischenkriegszeit war Österreich Zufluchtsland für verfolgte Personen aus zahlreichen europäischen und vor allem osteuropäischen Ländern, unter ihnen viele Intellektuelle, Wissenschaftler*innen, Schriftsteller*innen, Journalist*innen, Künstler*innen und Politiker*innen. Zu diesem Exil, das eine vielfältige und vor allem in kultureller Hinsicht ungemein produktive Diaspora-Landschaft hervorgebracht hat, gibt es in der vorliegenden zeithistorischen Forschung nur wenige Überblicksdarstellungen, detaillierte Untersuchungen liegen nur vereinzelt vor.

Die Österreichische Gesellschaft für Exilforschung widmet ihre Tagung 2023 der Rolle und Bedeutung des Exils im Österreich der Zwischenkriegszeit, wobei über die konkreten Kontexte und Exilerfahrungen hinaus die größeren historischen Zusammenhänge, insbesondere in Bezug auf das NS-Regime, thematisiert und Bezüge auch in die Gegenwart gespannt werden sollen.

Als Erbschaft des multiethnischen Habsburgerreichs schreiben sich Flucht, Vertreibung, Exil in den Erfahrungsraum der Ersten Republik ein: Österreich ist ein Zielland etwa von russischen, polnischen und ukrainischen Personen, die vor dem russischen Bürgerkrieg nach der Oktoberrevolution flüchten, aber auch Zufluchtsort von Personen, die schon während des Weltkriegs vor Armut und antisemitischen Gewaltexzessen aus Galizien zu flüchten begannen, darunter auch viele Jüdinnen und Juden; zugleich spielt Österreich eine zentrale Rolle als Transitland für die zionistische Einwanderung aus Osteuropa in das damalige Palästina (in Wien wurde 1918 das erste Palästinaamt europaweit eröffnet).

In der Zwischenkriegszeit war Österreich Exilland von politisch Verfolgten, etwa der Münchner oder ungarischen Räterepublik. Auch im Kontext des aufkommenden Faschismus, insbesondere nach der nationalsozialistische Machtergreifung 1933, fungierte es als Zufluchtsort: Zahlreiche deutsche Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Intellektuelle gingen nach Wien, wo zumindest manche von ihnen in der gewohnten Sprache weiter tätig sein konnten. Auch bis 1933 in Deutschland lebende Österreicher*innen kehrten in die Heimat zurück.

Die österreichische Exilforschung fokussierte lange Zeit auf Vertreibung, Flucht und Exil im Kontext von Austrofaschismus und insbesondere Nationalsozialismus. Mit der Tagung „Exil in Österreich: 1918-1938“ soll thematisiert werden, dass Österreich in den zwei Jahrzehnten vor 1938, während zehntausende Österreicher*innen aus ihrer Heimat vertrieben wurden, selbst ein Exilland war. Mit dieser Ausweitung der historischen Perspektive wird die Tragweite von 1938 verdeutlicht, aber auch rekontextualisiert. Der Wandel von einem Exilland (im Kontext des Austrofaschismus allerdings bereits von erheblich marginalisierter Bedeutung) zu einem Land der Vertreibung manifestiert sich als eine dramatische Zäsur in der Biografie vieler derjenigen, die im Österreich der Zwischenkriegszeit Zuflucht gefunden hatten und nun neuerlich zu Flucht und in ein neues Exil gezwungen werden. Diese mehrfache Erfahrung von Flucht und Exil sichtbar zu machen, ist eines der Ziele der Tagung.

Das Tagungsthema „Exil in Österreich 1918-1938“ wirft naturgemäß eine Reihe historisch spezifischer Fragen auf: Wer suchte überhaupt Exil in Österreich? Welchen Sprach- und Berufsgruppen, welchen Religionen gehörten die Menschen an, die in Österreich Zuflucht fanden? Wie beeinflussten die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen das Ankommen und Leben im Exil? Welche Wirkung entfalteten die rechtlich-administrativen Regelwerke? Welche Aspekte begünstigten die Herausbildung von Exilgemeinschaften und Diaspora-Milieus? Welche übergreifenden Netzwerke etablierten sich?

Auch nach Bezügen zur Gegenwart soll im Rahmen der Tagung gefragt werden.
Mehrere Themen können aufgegriffen werden: Dazu zählt etwa die Frage der Diaspora-Bildung. Das Exil der Zwischenkriegszeit konstituiert sich als sprachlich vielfältige Landschaft politischer und literarischer Diasporas, die, wie etwa Forschungen zu jiddisch- und ungarischsprachigen Autor*innen zeigen, wichtige Impulse zum intellektuellen, literarischen und künstlerischen Leben insbesondere Wiens beisteuerten. Die Bezüge zur Gegenwart betreffen etwa die Frage nach der Rolle gegenwärtiger Exilgemeinschaften im politischen, kulturellen und intellektuellen Leben der Stadt.

Ein weiteres Thema, mit dem sich der Bogen in die Gegenwart spannen lässt, bezieht sich auf die Plausibilität und Wirkmächtigkeit des Begriffs Exil. So stellt sich die Frage nach der Zuordnung von Personen zum Exil. Die Frage, ob diese Zuordnung zulässig ist oder nicht, lässt sich nicht ohne genaue Kenntnis und Analyse der jeweiligen konkreten Hintergründe bestimmen. Gleichzeitig wirft das Thema Fragen auf, die auch aktuell von hoher Relevanz sind: Auf welche Personen, Gruppen, Milieus bezieht sich der Begriff Exil historisch und aktuell? Welche Aspekte und Merkmale sind es, die Exil von anderen Formen der erzwungenen Migration unterscheidet? Unterliegt der Begriff einem Bedeutungswandel? Und welche Bedeutung weisen die Betroffenen selbst dem Begriff des Exils zu? Ab wann ist/wird Flucht Migration und/oder aus Exil Emigration? Unter welchen Bedingungen wird jemand, der im Exil lebt, zu einem/einer Immigrant*in? Welche Rolle spielen Exil-Gemeinschaften, Vereine und andere Organisationen für die neu Ankommenden und die Möglichkeiten der gesellschaftlichen und kulturellen Teilhabe?

Die Tagung wird von der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung in Kooperation mit dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, der Österreichischen Exilbibliothek, der Theodor Kramer Gesellschaft und dem Research Center for the History of Transformations der Universität Wien durchgeführt. Die Beiträge können in deutscher oder englischer Sprache präsentiert werden, das Verstehen beider Sprachen wird jedoch vorausgesetzt. Eine Publikation ausgewählter Beiträge ist geplant.


Termine

bis 30. April 2023: Abstracts mit einer Länge von 200 bis 300 Wörtern und Kurzbiographien der Beitragenden an k.sippel@exilforschung.ac.at


bis 31. Mai 2023
: Auswahl der Vorträge

Wir sind bemüht, die Kosten für Fahrt und Unterkunft zu übernehmen. Organisationskomitee Gabriele Anderl (öge), Linda Erker (Institut für Zeitgeschichte), Christoph Reinprecht (öge/Institut für Soziologie), Katrin Sippel (öge)


 

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