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Bürgermeister Dr. Michael Häupl

Grußwort

 

Die Erforschung des Nationalsozialismus ist in Österreich seit 50 Jahren mit einer Institution verbunden, die die Stadt Wien gegründet, als Stiftung etabliert und in allen Anliegen kontinuierlich unterstützt hat. Es handelt sich um das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Das Archiv wurde zu einem Zeitpunkt gegründet, wo die Erinnerung an die NS-Herrschaft in Österreich noch wach war; überall in Politik, Wirtschaft und Kultur waren Personen in leitenden Funktionen, die in das nationalsozialistische Herrschaftssystem in­volviert gewesen waren, tätig. Sie waren rasch "entnazifiziert" worden, ohne dass sie sich von nationalsozialistischem Gedankengut tatsächlich distanziert hatten. In den 60er Jahren waren sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und daher wohl wesentlich dafür verantwortlich, dass faschistisches Gedankengut in den ersten Jahrzehnten der Zweiten Republik nahezu widerspruchsfrei das öffentliche Leben in Österreich prägte.

 

Es gab sehr wohl antifaschistische Kräfte in Österreich; diese waren jedoch jedenfalls bis 1980 in der Defensive. Aus unterschiedlichen Gründen war Antifaschismus in Österreich nicht in einer souveränen und schon gar nicht in einer hegemonialen Situation. Wesentlich dafür war eine historisch-politische Position – Österreich sei das erste Opfer des Nationalsozialismus gewesen –, die realpolitisch für die Erlangung der Unabhängigkeit Österreichs nützlich, für das historische Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger jedoch fatal war.

 

Die sogenannte "Opferthese" – deren Aussage es war, dass die Österreicherinnen und Österreicher Opfer und nicht Täter waren –, der eine mittlerweile umfangreiche historische Forschung massiv widerspricht, wurde erst langsam Ende der 70er Jahre zurückgedrängt. Lange Zeit war das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes eine der ganz wenigen wissenschaftlichen Instanzen in Österreich, die sich gleichermaßen konsequent und fundiert mit der NS-Herrschaft in Österreich, mit den Opfern, den Tätern und dem Widerstand gegen das NS-Regime auseinandersetzten.

 

Das Dokumentationsarchiv hat diese Arbeit unter seinen drei wissenschaftlichen Leitern – Univ.-Prof. Herbert Steiner, Hon.-Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer und Hon.-Prof. Univ.-Doz. Dr. Brigitte Bailer-Galanda – ambitioniert, verantwortungsbewusst und ergebnisreich geleistet. Das war für Österreich sehr wichtig. Es war und ist historisch betrachtet ein Beleg dafür, dass es eine wissenschaftliche Institution mit hohem nationalen und internationalen Ansehen gab und gibt, die die schwierige und oft schmerzvolle Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Österreich geleistet hat. Dafür ist dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes zu danken. Ich wünsche dem DÖW weiterhin viel Erfolg und alles Gute bei seiner verantwortungsvollen Forschungs- und Dokumentationsarbeit.

 

 

Veröffentlicht in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.), Opferschicksale. Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus. Jahrbuch 2013, Wien 2013

 

 

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