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Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll

Grußwort

 

Als am 24. Dezember 1946 geborenes "Heimkehrerkind" kenne ich persönlich die NS-Diktatur und den Zweiten Weltkrieg Gott sei Dank nur aus Erzählungen und Geschichtsbüchern, habe aber ihre unmittelbaren Folgen in Form der Nachkriegszeit und der Jahre der Besatzung sehr wohl noch deutlich in Erinnerung und die Auswirkungen des Kalten Krieges mit dem Eisernen Vorhang für meine unmittelbare Heimat und unser ganzes Land über nahezu ein halbes Jahrhundert selbst erlebt.

 

Gleichaltrige und umso mehr alle Generationen danach leben damit schon jahrzehntelang in Frieden und Freiheit. Friede und Freiheit scheinen daher heute zu einer Selbstverständlichkeit geworden zu sein – weder der Friede noch die Freiheit ist aber tatsächlich selbstverständlich: Tausende sind bereit gewesen, nicht in den dicht geschlossenen Reihen mitzumarschieren, ihre Augen, Ohren und Herzen nicht zu verschließen, für ein freies und unabhängiges Österreich einzutreten, Widerstand zu leisten und dafür nur allzu oft mit ihrem Leben zu bezahlen.

 

Ihr Andenken zu ehren ist das Verdienst des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, das seit nunmehr 50 Jahren nicht nur über die Verbrechen des Nationalsozialismus informiert, sondern auch das Schicksal all jener Unbeugsamen präsent hält, das sonst der Vergessenheit anheimgefallen wäre. Wir dürfen aber niemals vergessen, wenn es uns ernst damit ist, die Grund­werte menschlichen Zusammenlebens hochzuhalten.

 

Beharrliches Eintreten gegen das Verdrängen und Vergessen ist aber nicht nur ein Akt der Demut gegenüber der Geschichte. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Erinnerung an die Geschichte auch das beste Mittel gegen die Arroganz der Gegenwart und die Irrwege in die Zukunft ist. Dabei dürfen wir nie aufhören, miteinander zu reden und einander zu respektieren. Das ist umso wichtiger in einer zunehmend von Egoismus, Oberflächlichkeit und Rücksichtslosigkeit geprägten Zeit, um künftige Generationen vor Fehlern zu bewahren, die vergangene Generationen gemacht haben.

 

Als Landeshauptmann von Niederösterreich bin ich sehr stolz darauf, dass für das offizielle Niederösterreich die intensive Aufarbeitung von Fragen nach Opferrolle, Täterschaft und Kontinuität immer ein wesentliches Element war. Nur aus einem offenen, transparenten Umgehen mit der Vergangenheit können wir frei und ohne Vorurteile der Zukunft begegnen und am neuen, gemeinsamen Europa arbeiten.

 

Das Wirken des Dokumentationsarchives des österreichischen Widerstandes ist dabei ein wichtiger Beitrag, um im "Niemals vergessen" und "Niemals wieder" die Mahnung niemals verstummen zu lassen, mit viel Optimismus und Liebe für unsere Heimat einzutreten, Eigeninitiative an den Tag zu legen, Familiensinn und Solidarität zu leben und sich selber aktiv in das Land und die Gesellschaft einzubringen, um solcherart mehr Menschlichkeit in unserem Alltagsleben Platz greifen zu lassen, Sensibilität für das Wesentliche zu entwickeln und zu einem Gestalten der Welt nach menschlichem Maßstab beizutragen.

 

 

Veröffentlicht in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.), Opferschicksale. Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus. Jahrbuch 2013, Wien 2013

 

 

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