Seit März sorgt ein neues Projekt der österreichischen Neonaziszene für Aufregung: Die unter dem Schutz der Anonymität gestaltete und auf einem US-amerikanischen Server liegende Homepage alpen-donau, welche maßgeblich aus den alten Strukturen der Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition (VAPO) und der verschiedenen Jugendgruppen der Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP) hervorgegangen ist. Die möglichst zeitgeistig gestaltete Homepage ist auch Ausdruck eines Generationenwechsels in der zunehmend militanter agierenden Neonaziszene. Hier hält man sich nicht länger mit seitenlangen Abhandlungen etwa zu Arminius auf, vielmehr versucht man mittels Aktualitätsanspruchs, spezifischer Ästhetik und einer noch etwas aufgesetzt wirkenden Rebellenpose den Neonazismus jugendkulturell zu verankern.
Alpen-donau hat ihren organisatorischen Schwerpunkt in Wien und Wiener Neustadt und versteht sich als ein Gruppen und Parteien übergreifendes Projekt zur Stärkung und Koordination des "nationalen Widerstandes". In der Selbstdarstellung der aus rechtlichen Gründen streng konspirativ agierenden Verantwortlichen werden "alle freiheitsliebenden Volksgenossen [...] auf die Straße" gerufen - vom autonom-nationalistischen Streetfighter bis hin zum gesetzten Burschenschafter. Dieser neonazistische "Widerstand" ist in miteinander nur lose verknüpften Kleingruppen organisiert und kämpft für einen "nationalen Sozialismus" ("Volksgemeinschaft statt Klassenkampf"). Alpen-donau erkennt im demokratischen System die "Ursache des Übels" und bezeichnet gleich den historischen Nazis das Parlament als "Quatschbude".
Aus der Warte der Totalopposition gegen die demokratische Republik wird immer wieder grundsätzliche Kritik an der FPÖ geübt. Die zahlreichen Kampagnen der FPÖ sind jedoch nach dem Geschmack der Neonazis, darum haben sie etwa zur freiheitlichen Demonstration gegen eine angeblich drohende "Verausländerung" aufgerufen (Neonazis demonstrieren in Wien und Brünn »). Dabei werden jedoch die freiheitliche Fixierung auf die Muslime und die entsprechenden Allianzbildungen mit Parteien wie Pro Köln oder Vlaams Belang kritisiert: Deren antimuslimische Hetze stehe im Dienste des Zionismus, wie die obligate jüdische Weltverschwörung auch auf alpen-donau genannt wird. Wenn es in der FPÖ auch genug "liberale Systemlinge" gebe, so seien manche Freiheitliche im nationalsozialistischen "Sinne ganz in Ordnung". Zustimmend genannt wird hier die FPÖ-Nachwuchshoffnung Detlev Wimmer "und seine Ortsgruppe in Linz". Unter dem Repressionsdruck und trotz aller Kritik an deren Laschheit setzt man auf "Mitarbeit in bestehenden Organisationen" der legalen extremen Rechten, was dem "Frontkonzept" der NSDAP/AO entspricht. Das Engagement bei der FPÖ, zu welcher man auch einen Link gelegt hat, und in ihrem (korporierten) Vorfeld dürfe jedoch nicht "zum Selbstzweck verkommen". Neben der legalen Betätigung soll mit möglichst spektakulären und militanten Aktionen - Motto: "Planen, Handeln, Abtauchen" - für Aufsehen gesorgt werden.
Weltanschaulich orientiert man sich am Nationalsozialismus in der von Herbert Schweiger (Deutsches Kulturwerk) leicht modifizierten Form. Zu Schweiger dürften auch Kontakte bestehen, hat alpen-donau doch seine persönliche Ladung zur Hauptverhandlung nach § 3g Verbotsgesetz im LG Klagenfurt am 27. Mai 2009 veröffentlicht. Neben Schweiger bezieht man sich vor allem auf Gerd Honsik, dessen jüngstes Verbotsgesetzverfahren man zum Anlass einer richtiggehenden (Internet-)Kampagne nahm. Schließlich wird auf Gottfried Küssel, der sich mittlerweile wieder zur fast unumstrittenen Führungsfigur der neonazistischen Szene entwickelt hat, zustimmend Bezug genommen. So druckte man etwa die Rede ab, die Küssel am 1. Mai 2009 in Brünn gehalten hatte. Zu diesem Aufmarsch lud der tschechische Nationale Widerstand, mit dem österreichische Neonazis sogar eine Vereinbarung zur Überwindung der historischen Feindschaft zwischen "Deutschen" und "Tschechen" geschlossen haben.
Die Feindschaft gegen die Jüdinnen und Juden wird hingegen weiter gepflegt und geschürt. Dr. Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, wird als "Stänkerjude" beflegelt, das Judentum als "Orientalenvolk" oder "Wüstenvolk", das "sich überall zu Hause fühlt" und "das Angestammte [verdrängt]". Tatsächlich fällt die Homepage vor allem durch ihre offen formulierte antisemitische Hetze auf. Ebenfalls nicht fehlen darf der Verschwörungswahn, der etwa hinter dem Neonazi-Angriff auf die Gedenkfeier im ehemaligen KZ Ebensee eine Inszenierung behauptet: "Wie hier gestern nachgewiesen wurde sind die jugendlichen Provokateure offensichtlich vorgeschickt worden, um durch einen inszenierten Eklat das Budget antideutscher Hetzorganisationen á la Mauthausenkommitee oder DÖW aufzufetten und so ihren alttestamentarischen Deutschenhass weiter in die Welt zu kläffen." [sic!]
Im nur sehr schwer zugänglichen Forum tauschen sich Neonazis aus ganz Österreich und Deutschland über verschiedene Themen aus. Hier grüßt man sich offen mit "Heil Hitler!" und lässt den antisemitischen und rassistischen Mordphantasien noch ungehinderter ihren Lauf ("Jeder herumlaufende Jude ist eine Reklame für den nächsten Holocaust"). Schon in ihren Nicknames beziehen sich die Forumsmitglieder zustimmend auf den Nationalsozialismus und seine Verbrechen. So nennt sich etwa ein Neonazi "Dr. Brandt", womit er auf den 1948 hingerichteten Euthanasiebeauftragten und Leibarzt des "Führers", Karl Brandt, verweist.
Die Homepage ist einerseits Ausdruck der seit geraumer Zeit zu bemerkenden Zunahme neonazistischer Aktivitäten, andererseits hat sie diese auch bereits maßgeblich vorangetrieben. Etwa durch Veröffentlichung von Bekennerschreiben zu neonazistischen Anschlägen, die auch als Aufrufe zu weiteren Straftaten gesehen werden können. Vergrößert wird die unmittelbare Bedrohung durch die Veröffentlichung von Fahndungsfotos politischer GegnerInnen samt möglichst vielen privaten Informationen. In Verbindung mit einer extrem menschenverachtenden Hetze stellt dies eine enorme Gefahr dar. Umso mehr ist zu hoffen, dass es den Behörden rasch gelingt, die Verantwortlichen dingfest zu machen.