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April 1945: Massaker in Hadersdorf

Aus: Claudia Kuretsidis-Haider / Heinz Arnberger (Hrsg.), Gedenken und Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen zu Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung, Wien 2011, S. 309-312

 

 

Am 7. April 1945 erschossen Angehörige einer in Hadersdorf einquartierten SS-Einheit 61 mehrheitlich politische Häftlinge des Zuchthauses Stein an der Friedhofsmauer in Hadersdorf. Die Opfer waren am Vortag freigelassen worden.

 

Die ersten in Hadersdorf Eingetroffenen fragten den dortigen NS-Ortsbauernführer Josef Sumetzberger nach dem Weg nach Wien. Sie wurden daraufhin festgenommen und gemeinsam mit anderen freigelassenen Stein-Häftlingen, die aufgrund einer Anordnung der Kreisleitung im Raum Hadersdorf angehalten worden waren, im Gemeindekotter eingesperrt. Vor der von der Kreisleitung befohlenen Liquidierung mussten die Gefangenen mit Spaten und Schaufel ihr Massengrab ausheben. Im Mai 1946 erfolgte die Umbettung der Leichen in die Gruppe 40 des Wiener Zentralfriedhofes, wobei 23 Opfer identifiziert werden konnten.

Hadersdorf - Gedenkstätte Friedhof 

 

 

Gedenkstätte auf dem Friedhof Hadersdorf
Foto: Heinz Arnberger

 

 

 

 

Die KPÖ brachte bereits im Sommer 1945 auf dem Friedhof eine Gedenktafel an, die jedoch nach der Exhumierung der Leichen im Frühjahr 1946 von Unbekannten entfernt wurde. 1995 wandte sich Christine Pazderka, Tochter des Opfers Alois Westermeier, an den Bürgermeister mit der Bitte um Errichtung eines Erinnerungszeichens. Im Sommer 1998 wurde von der Marktgemeinde Hadersdorf-Kammern an der Friedhofskapelle eine Gedenktafel (Text: "Zum Gedenken an die Opfer des Massakers vom 7. April 1945 / Mögen sie in Frieden ruhen!") angebracht.

 

Am 5. April 2009 wurde eine neu errichtete Gedenkstätte von der evang. Pfarrerin Mag. Roswitha Petz (Krems) und dem r.-k. Pfarrer Mag. Franz Ofenböck ökumenisch geweiht. Ansprache: Bürgermeister Dipl.-Ing. Bernd Toms.

 

Unmittelbar nach Ende der offiziellen Veranstaltung wies Christine Pazderka (Verein Gedenkstätte Hadersdorf/Kamp) darauf hin, dass die Opfer mehrheitlich politische Gefangene gewesen waren, und der Historiker Dr. Robert Streibel fügte auf der Inschrifttafel vor dem Wort "Opfer" mit einem Klebeband "politische" ein.

 

15 der 23 identifizierten Opfer waren Österreicher:

 

Franz Cech (geb. 27. 5. 1892), Lokomotivheizer bei der Reichsbahn aus Wien, kassierte für die "Rote Hilfe" zur Unterstützung der Angehörigen von Verhafteten oder Verurteilten. Er wurde im Mai 1943 festgenommen und am 29. September 1943 vom OLG Wien wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.

 

Franz Fiala (geb. 26. 6. 1903), Lokführer im Gaswerk Wien-Simmering, spendete für die "Rote Hilfe". Er wurde im Februar 1944 festgenommen und am 25. Oktober 1944 vom OLG Wien wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu 15 Monaten Zuchthaus verurteilt.

 

Leopold Fuhrich (geb. 26. 6. 1902), Bediensteter des Gaswerks Wien-Leopoldau, kassierte bis 1940 für die "Rote Hilfe". Er wurde im Juni 1941 festgenommen und am 13. Mai 1943 vom OLG Wien wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt.

 

Gustav Gebhart (geb. 20. 5. 1901), Bediensteter des Gaswerks Wien-Leopoldau, spendete für die "Rote Hilfe", wurde im Oktober 1941 festgenommen und am 13. Mai 1943 vom OLG Wien wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt.

 

Alfred Hofbauer (geb. 15. 9. 1898), ÖBB-Bediensteter, weitere Daten nicht eruierbar.

 

Leopold Jech (geb. 1. 10. 1898), Maschinenschlosser aus Wien, KPÖ-Kassier, war in der Betriebszelle der Maschinenfabrik Krause & Co. in Wien aktiv. Er wurde im Jänner 1943 festgenommen und am 19. Jänner 1944 vom OLG Wien wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.

 

Franz Ludwig (geb. 5. 8. 1888), Buchdruckmaschinenmeister aus Wien, spendete für die "Rote Hilfe" und gab kommunistische Flugschriften weiter. Er wurde im Februar 1942 festgenommen und am 9. Dezember 1942 vom OLG Wien wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.

 

Andreas Muchart, biografische Daten nicht eruierbar.

 

Karl Pelikan (geb. 18. 10. 1901), Spengler, wurde im Februar 1943 festgenommen und am 9. Juli 1943 vom Sondergericht Wien wegen "Rundfunkvergehens" zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt.

 

Josef Pinther (geb. 5. 1. 1890), Privatbeamter, weitere Daten nicht eruierbar.

 

Marian Porth (geb. 2. 4. 1898), Bediensteter des Gaswerks Wien-Leopoldau, engagierte sich als Hausvertrauensmann und Bibliothekar in der Bücherei im Arbeiterheim Ottakring, kassierte für die "Rote Hilfe" und gab kommunistische Flugschriften weiter. Er wurde im September 1941 festgenommen und am 13. Mai 1943 vom OLG Wien wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.

 

Johann Schachermayer (geb. 11. 7. 1896 in Znaim/Znojmo, Tschechien), Eisenbahnpensionist aus Wien, verteilte kommunistische Druckschriften, wurde im April 1941 festgenommen und am 3. Februar 1943 wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" vom OLG Wien zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.

 

Friedrich Schneller (geb. 23. 12. 1912), Schuhmacher, weitere Daten nicht eruierbar.

 

Friedrich Stillner (geb. 6. 8. 1897), Werkzeugfräser in den Brown Boveri-Werken in Wien- Favoriten, machte "antinazistische Äußerungen" und spendete für die "Rote Hilfe". Er wurde im November 1941 festgenommen und am 5. Jänner 1943 vom OLG Wien wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.

 

František Vranka (auch Wranka, geb. 16. 10. 1875 in Wien), Bäckergehilfe, war Angehöriger der tschechischen Minderheit in Wien und Mitglied des Wirtschafts- und Bildungsverbandes "Libuše". Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in der Tschechoslowakei äußerte er sich kritisch zu Gräueltaten der Nationalsozialisten in Prag. Vranka wurde im August 1940 festgenommen und am 23. Juni 1942 vom OLG Wien wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 24. Juli 1942 erfolgte seine Überstellung vom LG Wien in das Zuchthaus Stein.

 

Alois Westermeier (geb. 1. 9. 1912 in Wien), Dreher, wurde am 23. November 1937 wegen "Beförderung kommunistischer Flugschriften" vom LG Wien I zu fünf Monaten Kerker verurteilt.  Seine Festnahme im August 1942 erfolgte, weil er an seinem Arbeitsplatz in einer Waffenfabrik an die Wand des Klosetts "Es lebe die Internationale" schrieb. Westermeier wurde am 11. Februar 1943 vom OLG Wien wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt.

 

Vier Kroaten (biografische Daten nicht eruierbar)

Ivan Balasic
Anton Filipovic
Miodrag Monaj
Dragoslav Stojanovic

 

Drei Griechen (biografische Daten nicht eruierbar)

Nikolaus Dekas
Dimitrios Tsangarakis
Constantinos Tustagis

 

Ein Häftling aus der Tschechoslowakei (biografische Daten nicht eruierbar)

Stanislaus Skora

 

 

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