Erich Bielka, geb. 1908 in Wien, promovierte 1931 zum Dr. juris, 1935 Eintritt in den Außendienst, 1936 Versetzung an das Generalkonsulat München. Am 17. März 1938 in München verhaftet, am 19. April Überstellung in das KZ Dachau, dort bis August 1938 inhaftiert, Entlassung aus dem Staatsdienst. Vom 16. März bis 7. April 1945 neuerliche Haft.
Nach 1945 Wiedereintritt in den Staatsdienst, u. a. Botschafter in Ankara (1952-1958), Bern (1967-1972) und Paris (1972-1974), 1974-1976 Außenminister.
Verstorben 1992.
Die Zeit 1918 bis 1933 war zwar hinsichtlich Pressefreiheit und dergleichen demokratisch, aber als Regierungsform war sie weit entfernt, demokratisch zu sein. Man kann sagen, das ist ein Baby gewesen, ein embryonaler Zustand der Demokratie. Aber man soll nicht so tun, wie wenn das die großartige Glanzzeit einer Demokratie gewesen wäre. Und es ist durchaus verständlich, dass viele Leute irgendwie von dieser ganzen Art, von diesen ununterbrochenen Streitereien, Raufereien im Parlament, mit den Tintenfasseln hat man da herumgeworfen, angewidert waren. [...] Ich war ja die Zeit von 1931 bis 1935 zum Großteil in Paris [...] Im Jahr 1933 las ich irgendwann österreichische Zeitungen, und da las ich von der Gründung der Vaterländischen Front, mit dem Hinweis, man will alle, die sich österreichisch fühlen, in einer überparteilichen Organisation zusammenfassen. Ich bin am nächsten Tag auf die österreichische Gesandtschaft gerannt und habe mich erkundigt, wie man da beitreten kann - so begeistert war ich, dass man sich endlich bewusst wird, dass man Österreicher ist, und zweitens, dass etwas Überparteiliches auch sein kann. Und da hat es drei Monate gebraucht auf gut Österreichisch, bis ich dann die Möglichkeit gehabt habe, ein Formular auszufüllen, um Mitglied zu werden. [...]
Natürlich habe ich die ganzen Zusammenhänge erstens nicht so verstanden und zweitens auch dort in Paris nicht so verfolgen können. Aber der Gedanke, dass da eine Organisation geschaffen wird, bei der man versucht, die Österreicher, unabhängig von ihrer parteipolitischen Einstellung, zusammenzufassen, um dieser Bedrohung durch den heraufkommenden Nationalsozialismus - bzw. war er ja damals schon an der Macht - zu begegnen, das hat mich ausgesprochen begeistert, das leugne ich gar nicht. [...]
Nach der Diplomatenprüfung [...] wurde man ins Ausland versetzt und so bezahlt, dass man davon leben konnte, was ja vorher in Wien nicht der Fall war. Und so wurde ich nach Ablegung der Diplomatenprüfung nach München versetzt, auf das Generalkonsulat. Das war an sich ein sehr unangenehmer Posten, aber man hat doch gewusst, dass ich sehr österreichisch eingestellt bin. Man musste nämlich dort schon eine entsprechende österreichische Verankerung haben. Es war zwar Konsulat, aber es war mehr ein politischer Posten, wo man mit Fragen der österreichischen nationalsozialistischen Emigration, insbesondere mit der so genannten Österreichischen Legion, konfrontiert war. [...]
Es gab eine Menge Leute, die nach kürzester Zeit erkannt haben, was dieser ganze Nationalsozialismus in Wirklichkeit bedeutet, und die enttäuscht waren und die zurückwollten. Ganz abgesehen davon, dass auch einige dem Drill, der dort in der Österreichischen Legion geherrscht hat, nicht sehr sympathisch gegenübergestanden sind. Und die wollten zurück und kamen dann aufs Konsulat und erkundigten sich, ob es irgendeine Möglichkeit gibt zurückzugehen, ohne dass man gleich wieder eingesperrt wird. Oder, wenn man eingesperrt wird, ob man irgendwie Gnadengesuche einreichen kann, um dann nicht lang in Haft zu sein. Es waren also lauter Typen, die - zumindest zum Großteil - echte Paulusse gewesen wären. Und diese Regierung ist so stur gewesen diesbezüglich, dass sie gesagt hat: "Selbstverständlich, wie der über die Grenze zurückkommt, wird er eingesperrt, bekommt seinen Prozess, und dann - vielleicht - kann man irgendein Gnadengesuch [stellen]." Anstatt dass sie profitierten von solchen Leuten, haben sie viele abgeschreckt. Einige sind trotzdem zurückgegangen. Aber für uns am Konsulat war das Wichtige, dass man diese Leute genau ausfragen konnte, was sich dort abspielt, was für Pläne man dort hegt bezüglich Propagandamaterial, das sie schwarz über die Grenze gebracht haben, und solche Sachen. Daher waren wir sehr gut informiert über all das, was da geschehen ist. Wir haben manchmal sogar chiffrierte Telegramme abgeschickt: Morgen wird dort und dort, um die und die Zeit wieder ein Mann über die Grenze gehen und Propagandamaterial mitnehmen. Und der ist dann geschnappt worden. Das hat natürlich die Gestapo enorm irritiert, und sie haben angenommen, wir haben einen Spionagedienst, wir haben Agenten, die bezahlt werden und die uns mitteilen, was da vorgeht. Das war absolut nicht der Fall.