Die Enthüllungen des DÖW über die Rede des FPÖ-Abgeordneten Johannes Hübner bei der letztjährigen Tagung der rechtsextremen Gesellschaft für freie Publizistik (siehe: Freiheitlicher Antisemitismus) fanden medial breites Echo. Die entsprechenden Meldungen des DÖW, des Standard (derstandard.at/2000061470100/Antisemitische-Anspielungen-aus-den-Reihen-der-FPOe) und des Falter wurden u.a. vom Kurier, von der Presse und den ORF-Radios aufgegriffen. Mehrere politische und zivilgesellschaftliche Akteure, darunter die Israelitische Kultusgemeinde und das Mauthausen Komitee Österreich, erhoben Rücktrittsaufforderungen an Hübner.
Die Reaktionen von freiheitlicher Seite entlarven indes die wiederholten rhetorischen Distanzierungen der FPÖ vom Antisemitismus einmal mehr als taktisch motiviert. Zunächst ließ Hübner selbst verlauten (www.ots.at/presseaussendung/OTS_20170719_OTS0053/fpoe-huebner-sturm-im-wasserglas-um-das-sommerloch-zu-fuellen), die Vorwürfe gegen ihn seien "absurd" und eine "Infamie", mit der die "FPÖ-Jagdgesellschaft" versuche, Freiheitliche mittels der "Nazikeule" zu beschädigen. Angesichts der Faktenlage verzichtete Hübner darauf, seine inkriminierten Aussagen zu leugnen und beschränkte sich darauf, zurückzuweisen, dass es sich dabei um "antisemitische Witze" gehandelt habe.
Am Folgetag meldete sich FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl zu Wort (www.ots.at/presseaussendung/OTS_20170720_OTS0059/fpoe-kickl-glaubhafte-ablehnung-jedweder-antisemitischer-intention-durch-huebner-in-persoenlichem-gespraech): Hübner habe ihm in einem persönlichen Gespräch "glaubhaft versichert, dass jedweder Vorwurf in Richtung einer antisemitischen Intention von Passagen seines Vortrages [...] nicht den Tatsachen entspricht". Für die FPÖ sei "die Sache damit erledigt", heißt es in der Aussendung, die sich anstelle einer nachvollziehbaren Widerlegung der Kritik an Hübner vorrangig der Agitation gegen "die SPÖ und ihre linken Handlanger" widmet. Dass es sich um eine "von langer Hand geplante Negativkampagnisierung" des politischen Gegners handle, lege schon der Umstand nahe, dass erst jetzt auf einen Vortrag aus dem Jahr 2016 reagiert werde.
Das DÖW hält dazu fest, dass es die Öffentlichkeit über die Teilnahme Hübners an der rechtsextremen Tagung in Thüringen bereits vor einem Jahr unterrichtete (siehe: FPÖ-Abgeordneter bei rechtsextremen Geschichtsfälschern). Die Niederschrift und der Audiomitschnitt seiner Rede gelangten in Ermangelung des vielen FPÖ-Mandataren eignenden kurzen Drahtes zu den publizistischen Zentren des außerparlamentarischen Rechtsextremismus erst kürzlich in den Besitz des DÖW.
Umgekehrt ließ Kickl einige zentrale Fragen unbeantwortet, allen voran jene, in welcher "Intention", wenn nicht einer antisemitischen, Hübners tatsachenwidrige Behauptung über Hans Kelsen überhaupt Sinn ergeben könnte. Eine Klärung, worum es Hübner bei seiner Aussage ("eigentlich Hans Kohn, aber er hat sich Kelsen genannt") gegangen sei, wenn nicht um die Markierung Kelsens als jüdisch und die gleichzeitige Vorhaltung der Verschleierung seines Jüdisch-Seins, steht somit noch aus. Dass das rechtsextreme Publikum der Veranstaltung verstand, was Kickl nicht verstanden und Hübner nicht gemeint haben will, belegt das auf der Tonaufzeichnung dokumentierte Gelächter über Hübners Kohn-Kalauer. Selbst der Redakteur des Tagungsbandes, mutmaßlich der GfP-Vorsitzende und Aula-Schriftleiter Martin Pfeiffer, vermochte augenscheinlich die Skandalträchtigkeit von Hübners Aussagen zu erkennen, wie die Eingriffe in der schriftlichen Fassung des Vortrags nahelegen. So wurde im Tagungsband aus "Kohn" ein "Grohm" und aus einem "sogenannte[n] Holocaust-Überlebende[n]" ein tatsächlicher.
Unbeantwortet bleibt schließlich bis dato auch die Frage, was Hübner zur Teilnahme an einer Veranstaltung motiviert hat, die Jahr für Jahr rechtsextreme "Revisionisten" bis hin zu Holocaustleugnern versammelt. Während diesbezüglicher Klärungsbedarf für Kickl, selbst erst vergangenen Oktober Redner auf einer rechtsextremen Tagung in Linz (siehe: Pangermanismus als Abendlandrettung), offenkundig nicht gegeben scheint, sei doch in aller Kürze auf einige Personen hingewiesen, mit denen Hübner 2016 das Rednerpult teilte: etwa seinen Landsmann Walter Marinovic, der zum Abschluss der Tagung seine Wehrmachtserinnerungen ausbreiten durfte, oder den notorischen Neonazi-Strafverteidiger Björn Clemens. Der rechtsextreme Verlagsmogul Gerd Sudholt ortete in seiner Rede als Ursache des Zweiten Weltkriegs, dass "man uns [den Deutschen] den politischen, wirtschaftlichen und geistigen Wiederaufstieg neidete" und das Deutsche Reich "den Ideologien der westlichen Demokratien den Lebensentwurf einer autoritären Demokratie" entgegengesetzt habe (S. 116 im Tagungsband). Überhaupt hätten die Kriege, in die Deutschland über die "letzten 150 Jahre" verwickelt war, sich allesamt aus "der Zwangsvorstellung entwickelt [...], es sei nötig und wünschenswert, die Deutschen ihres Lebensraumes und ihrer Lebenskraft zu berauben". (S. 130 f.) Seinen Vortrag beschloss Sudholt mit einem bezeichnenden Bismarck-Zitat: "Nicht das parlamentarische Gerede und die Parteipolitik sind den Aufgaben gewachsen, die hier vorliegen, sondern nur Persönlichkeiten, die sich und ihre Ziele durchzusetzen wissen." (S. 134) Passend zu Sudholts Geschichtsfälschung propagierte Bernd Schwipper in seiner Rede die wissenschaftlich ebenso unhaltbare wie in Neonazikreisen beliebte Präventivkriegsthese, wonach der deutsche Überfall auf die Sowjetunion letztlich einen defensiven Charakter gehabt habe.
Für die kommende GfP-Tagung im August 2017 ist erneut ein freiheitlicher Referent angekündigt: der ehemalige Europaparlamentarier und Parteiideologe Andreas Mölzer.