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Friedrich Cain: Wissen im Untergrund

Polnische Universitäten im Zweiten Weltkrieg

Dissertation, Universität Konstanz, 2017 (Abstract)

 

Diese Arbeit wurde mit dem Herbert-Steiner-Preis 2018 ausgezeichnet.

 

 

Gegenstand der Dissertation sind die clandestinen wissenschaftlichen Arbeiten, die polnische ForscherInnen unter der deutschen Okkupation im Zweiten Weltkrieg durchgeführt haben. Die Studie untersucht die materiellen Bedingungen dieser Arbeiten und fragt nach den persönlichen, materiellen und sozialen Umständen einer Wissenschaft im Untergrund.

 

Polnische Wissenschaft musste sich im Untergrund formieren, als vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Rassentheorien alle höheren Bildungseinrichtungen geschlossen wurden und die alten Institute, Bibliotheken, Archive und Labore für PolInnen nicht länger zugängig waren. Dennoch wurde im Untergrund versucht, Forschung zu treiben. Dazu musste das gesamte Arsenal der Geräte und Bücher, aber auch der Praktiken und Techniken neu organisiert werden. Auf einer ersten Ebene der Analyse wird die infrastrukturelle Organisation von Forschung unter den Bedingungen des Verbots an drei Beispielen untersucht. In Teil I stehen einige Warschauer Sozialwissenschaftler und ihr spezifischer Blick auf Individuum und Gesellschaft im Krieg im Mittelpunkt. In Teil II werden sodann zwei medizinische Zusammenhänge beleuchtet, nämlich ein Experimentalsystem zur Erforschung des Fleckfiebers in Lemberg und eine geheime Studie im Warschauer Ghetto, im Rahmen derer sich jüdische ÄrztInnen mit dem Hunger befassten. Teil III behandelt zum Abschluss die Organisationsversuche einiger PhysikerInnen, die sich in (hier als "Schwelleninstitutionen" bezeichneten) offiziell genehmigten technischen Prüfanstalten einrichteten und sich in einem Grenzbereich zwischen Besatzern und Besetzten bewegten, der von beiden Seiten aus kritisch bewertet wurde.

 

Die Untersuchung disziplinärer Kontexte wird auf einer zweiten Ebene erweitert. Spielen die materiellen Bedingungen von Forschung ständig eine Rolle, fokussieren die drei Teile der Arbeit nacheinander auf das wissenschaftliche Selbst (persona), die Körper und die Gesellschaft der Wissenschaften im Untergrund. Dabei wird gezeigt, wie stark die Forschungen im Untergrund auf die individuelle Persönlichkeit, den Schutz des Lebens und die Nation bezogen wurden und wie diese Faktoren im Untergrund zueinander in Beziehung standen und in dieser Situation Gegenstand von (Selbst-)Reflexion wurden. Die Analyse der Praktiken des Selbst, des Körpers und der Gesellschaft zeigt, wie Forschung während der Okkupation nicht nur unterbrochen wurde, sondern in bestimmten Bereichen auch Dynamisierung erfuhr und welche persönlichen, ethischen und politischen Konsequenzen sich aus der "Laborsituation des Krieges" ergaben

 

Friedrich Cain, Historiker und Kulturwissenschaftler, Erfurt

 

 

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