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Trincher, Karl

Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)

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Name russisch: Тринчер (Тринхер, Тринцер) Карл Сигмундович

Geboren: 17.03.1910, Brünn (Brno)

Beruf: Arzt, Biologe

Letzter Wohnort in Österreich: Wien

Ankunft in Russland/Sowjetunion: 01.07.1934

Wohnorte in der Sowjetunion: Moskau, Irtyš (Sverdlovskaja obl.), Miass (Čeljabinskaja obl.), Kupan' (Jaroslavskaja obl.), Semipalatinsk

Verhaftet: 10.09.1941, Moskau

Anklage: Spionage, sozial gefährliches Element

Urteil: 30.01.1943, Sonderberatung (OSO), 5 Jahre Lagerhaft

Rehabilitiert: 09.05.1956, Militärtribunal des Moskauer Wehrkreises

Emigrationsmotiv: andere

Schicksal: überlebte

 

Karl Trincher wurde 1910 in Brünn (Brno) in einer jüdischen Familie geboren. Er studierte acht Semester Medizin an der Wiener Universität, in dieser Zeit trat er dem kommunistischen Studentenverband bei. 1927 lernte Trincher seine künftige Frau Gertrude Rutgers in Wien kennen. Sie war die Tochter des Ingenieurs Sebald Justinus Rutgers, der die holländische KP mitbegründet hatte und mit Unterbrechungen von 1918 bis 1938 in Russland lebte, am ersten Kongress der Komintern in Moskau 1919 teilgenommen hatte und mit Lenin bekannt war. 1927 war Rutgers wegen einer medizinischen Behandlung in Wien. Karl Trincher reiste mit Gertrude Rutgers 1934 mit einem Touristenvisum zu seinen zukünftigen Schwiegereltern nach Moskau, wo er nach einem Jahr Studium die fehlenden Prüfungen in deutscher Sprache ablegen konnte und das Diplom als Arzt erhielt. Die Behörden wollten Trincher für drei Jahre aufs Land schicken, es gelang ihm aber, eine Stelle beim Allunions-Institut für experimentelle Medizin in Moskau zu bekommen. Trincher spezialisierte sich auf physikalische Chemie und untersuchte die elektrische Leitfähigkeit von Organen bei Hoch- und Niederfrequenzspannungen. 1936 erhielt er die sowjetische Staatsbürgerschaft. 1937 aus dem Institut entlassen, wurde Trincher Biochemiker an einem Moskauer Krankenhaus und zum Kandidaten der biologischen Wissenschaften ernannt. 1940 durfte er in das Institut für experimentelle Medizin zurückkehren.

 

Am 10. oder 11. September 1941 wurde Trincher wegen Verdachts der Spionage an seinem Arbeitsplatz verhaftet und in die Butyrka gebracht. Nach der Evakuierung der Moskauer Gefängnisse im Frühwinter 1941/42 wurde er in das Gefängnis von Čistopol' verlegt. Während des dort durchgeführten Verhörs erfuhr er, dass er als SOĖ (Социально опасный элемент - sozial gefährliches Element) angeklagt war. Als solche galten Obdachlose, Prostituierte, Landstreicher etc. Trincher wurde vorgeworfen, mit seinen Verwandten im Ausland und mit Ausländern, die in der UdSSR verhaftet worden waren, Kontakt gehalten zu haben (u. a. mit dem aus Perchtoldsdorf bei Wien stammenden Felix Frankl). Schließlich wurde Trincher am 30. Jänner 1943 zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt und in ein Lager bei Kazan' deportiert, später nach Ivdel' (Gebiet Sverdlovsk) verlegt, wo er meist als Arzt eingesetzt wurde; er musste hauptsächlich Kriminelle behandeln und zeitweilig als Forstarbeiter arbeiten. Trincher kam aufgrund der Amnestie vom 16. Februar 1946 frei, durfte jedoch nicht nach Moskau zurückkehren. Nach kurzer Zeit in einem Krankenhaus in Ivdel' und dann in Kupan' (Gebiet Jaroslavl') wurde er nach Sasovo im Gebiet Rjazan' verbannt, wo seine Frau als Kinderärztin arbeitete.

 

1946 war die Familie wieder zusammen und kehrte unerlaubt nach Moskau zurück, wo sich herausstellte, dass ihre Wohnung von Fremden in Beschlag genommen worden war. Trincher arbeitete 1947 in der Nähe von Moskau, dann als Professor für physikalische Chemie an der Universität von Semipalatinsk. Nach seiner Rehabilitierung 1956 versuchte er, mit seiner Familie auszuwandern, weil seine jüdische Herkunft und seine Gulag-Vergangenheit seine wissenschaftliche Karriere beeinträchtigten. So versuchte er 1962 und 1968 erfolglos, seine Dissertation zum Doktor der Wissenschaften im Fach Biologie zu verteidigen. Erst 1979 gelang ihm die Ausreise mit seiner Frau nach Wien, wo er als Gastdozent am Physiologischen Institut der Universität Wien lehrte. Seine zwei Söhne verblieben in der UdSSR. Trinchers Eltern konnten mit ihrer älteren Tochter Maria nach Australien auswandern, die jüngere Tochter Anna emigrierte mit ihrem Mann nach New York.

 

Karl Trinchers Memoiren erschienen 1995 unter dem Titel Mut zur Wissenschaft.

 

 

Quelle: RGASPI, GARF, ÖStA

 

Siehe auch Gertrude Trincher-Rutgers, Das Haus in Miass. Odyssee einer Kinderärztin, Wien 1993;

Karl Trincher, Mut zur Wissenschaft. Mein Leben als Arzt, Forscher und Entdecker der "Physik des Lebens". Eine Autobiographie, Ludwigsburg 1995.

 

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