Ein Papier von Andreas PEHAM
Anlässlich der jüngsten Debatten um eine Veranstaltung des antisemitischen "Kulturvereins" Dar al Janub am Institut für Afrikawissenschaften der Universität Wien (www.facebook.com/notes/%C3%B6h-uni-wien/wichtiger-erfolg-im-kampf-gegen-antisemitismus-an-der-uni-wien/1883352481729446/ beleuchtet Andreas Peham die problematischen Hintergründe des Vereins.
Sedunia und Neonazismus
Im Oktober 2003 veröffentlichte ein Wiener Neonazi im Forum des neonazistischen Wikingerversandes einen "offenen Brief" der antisemitischen Splittergruppe Sedunia an das DÖW. Der Neonazi fand den Brief auf Indymedia und hielt ihn für "zumindest lesenswert". Diese Zustimmung von rechts außen überrascht wenig, wird doch das DÖW von Sedunia dort als eine Art Vorfeldagentur des "US-Imperialismus" und "Zionismus" entlarvt und ihm eine "intellektuelle und ideologische Nähe zu US-Kriegsideologen" attestiert. Auch die Vorwürfe, das DÖW betreibe "Denunziationen" und greife zu "inquisitorischen Methoden", waren ganz nach dem Geschmack von Neonazis, die Derartiges gleichlautend seit Jahren verlauten lassen.
Kurz darauf, am 9. November 2003, wurde in Wien, Zirkusgasse/Ecke Schmelzgasse, eine Kundgebung im Andenken an den Novemberpogrom angegriffen und gestört. Unter dem Titel Judenveranstaltung in Wien von Marxisten gestört berichtet die Neonazi-Homepage stoertebeker zustimmend über den antisemitischen Angriff: "Während der Rede des jüdischen 'Psychologen' Alexander Friedmann, Mitglied des Vorstandes der Israelitischen Kultusgemeinde, stürmten etwa 10 Personen mit palästinensischen Fahnen in die Zirkusgasse und störten das Gedenken an die Opfer mit Parolen gegen Israel und die USA." Bei den AngreiferInnen handelte es sich jedoch weniger um "Marxisten" als um AktivistInnen von Sedunia. In deren Internet-Forum wurde bereits am 11. Oktober 2003 ein Text publiziert, der den antisemitischen Hintergrund des Störversuches deutlich macht: "Nieder mit den politisch Korrekten! Nieder mit den Israelapologeten und Schuldpriestern! Nieder mit den Selbstgeißlern! [...] Es wird Zeit, die Tempel des Holocaust niederzureißen, die Legende der historischen Verantwortung zu Grabe zu legen und endlich auch Israel als einen gewöhnlichen Staat zu betrachten – und daraus die Konsequenzen zu ziehen."
Der Sedunia-Bekennerbrief zum Angriff auf die Gedenkkundgebung wurde im Dezember 2003 bezeichnenderweise auch auf der deutschen Neonazi-Homepage stoertebeker veröffentlicht. Einleitend wird darin versucht, aus der entschlossenen Abwehr der antisemitischen AngreiferInnen seitens mehrerer KundgebungsteilnehmerInnen "rassistische[n] Ausschreitungen gegen die teilnehmenden MuslimInnen und arabischen Menschen" und "zionistische[n] Gewalttätigkeiten gegen die europäischen AntifaschistInnen" zu konstruieren. Im Widerspruch zu diesem Versuch, die AngreiferInnen als verhinderte TeilnehmerInnen und Opfer darzustellen, steht der Rest des Briefes. So wird der IKG durch die Blume ausgerichtet, sie selbst hätte den Störversuch zu verantworten, weil sie es zugelassen habe, dass die Gedenkkundgebung durch "zionistische und rassistische TeilnehmerInnen in eine proisraelische, die Regierung Sharon unterstützende Demonstration umfunktioniert" wurde. Nun war im Aufruf und auf der Kundgebung nicht die Rede von Sharon, vielmehr wurde deutlich Position bezogen gegen den Antisemitismus, wie er sich aktuell im Hass auf die Existenz Israels als jüdischen Staat artikuliert. Nicht ohne drohenden Unterton spricht die Sedunia von einer "gewalttätigen Eskalation", wie sie von Juden und Jüdinnen in der Diaspora durch ihre Weigerung, Israel als zu vernichtenden "Apartheidstaat" anzusehen, provoziert werde. Angesichts derartiger Töne überrascht es nicht, wenn die Neonazis von stoertebeker schreiben, dass sie mit der Veröffentlichung des Sedunia-Briefes "unseren linken Freunden aus Österreich [...] in kollegialer Hilfestellung etwas unter die Arme" greifen wollten.
Im Juni 2004 rief stoertebeker zu einer antiisraelischen Demonstration in der Wiener Innenstadt auf, welche u. a. von der Sedunia mitgetragen wurde.
Erst im November 2008, die diskreditierte Sedunia war längst in einem harmloser klingenden Zentrum interkultureller Begegnung/Dar al Janub aufgegangen (1), signalisierte man etwas Distanz zum antisemitischen Übergriff auf das Pogromgedenken 2003: In einer Stellungnahme von Dar al Janub wird aus dem Störversuch der Sedunia-AktivistInnen eine "sinnlose[n] und falsche[n] Kundgebung", "derartige Aktionen" würde man heute "strikt und eindeutig ab[lehnen]". Auf den Vorwurf, eine "Tarn- und Nachfolgeorganisation" der Sedunia zu sein, ging Dar al Janub jedoch nicht näher ein. Tatsächlich scheint eine Leugnung sinnlos, die personellen wie ideologischen Kontinuitäten und Verbindungen zwischen Sedunia und Dar al Janub sind leicht nachzuweisen. (2) Dementsprechend kam es 2015 auf einer Kundgebung, die von Dar al Janub mitorganisiert worden war, zu Aufrufen, "Juden" zu töten (vgl. http://www.gegendenantisemitismus.at/08042015.php).
Bei Dar al Janub handelt es sich nach Ansicht des Autors aber nicht nur um eine Nachfolgeorganisation von Sedunia, sondern auch um den Versuch, Antisemitismus in ein antirassistisches und kulturalistisches (postkoloniales) Mäntelchen zu hüllen und ihn solcherart gerade im akademischen Milieu zu verankern. Unter welchem Namen auch immer: Es geht um die Bildung antiisraelischer Allianzen, die von ehemals links außen über den Islamismus bis hin zum Rechtsextremismus reichen.
Anmerkungen
1) Als organisatorisches Bindeglied gilt der im November 2003 eingetragene Verein für antirassistische und friedenspolitische Initiative. Dort agiert bis heute Marcus Scholz, nebenbei Führungskader von BDS-Austria, als "Schriftführer" und "Finanzreferent".
2) So haben Dar al Janub und Sedunia gemeinsam Projekte wie etwa die Ausstellung Aidun – Wir werden zurückkehren durchgeführt, das Sedunia-Organ Perspektive Süd (http://perspektive.sued.sedunia.org) hatte seinen Redaktionssitz an der Adresse von Dar al Janub und schließlich war Oliver Hashemizadeh nicht nur leitender Redakteur der Perspektiven Süd, sondern auch Aktivist bei Dar al Janub, wo er mittlerweile bis zum "Medienreferenten" aufgestiegen ist.