Rechtzeitig zum FPÖ-"Akademikerball" in der Wiener Hofburg veröffentlichte die akademische Burschenschaft Libertas in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende im Wiener Korporationsring (WKR) ein Propagandafilmchen, mit welchem das Image der Burschenschafter aufpoliert werden soll. Wie WKR-Sprecher Gernot Huber, FPÖ-Obmann in Amstetten, meint, würden sich die Burschenschafter im Video "von ihrer besten Seite" zeigen. Die weniger guten Seiten werden einfach ausgeblendet, darum seien sie hier am Beispiel der Libertas ergänzt.
Die 1860 gegründete Burschenschaft führte bereits 1878 den "Arierparagraphen" ein und schon 1881 verbot sie ihren Aktiven, Juden Genugtuung zu geben - also 15 Jahre vor der Einführung des dementsprechenden "Waidhofener Prinzips". Noch 1957 warb Günther Berka, "Alter Herr" (AH) der Libertas, angesichts der "Beherrschung des deutschen Kulturlebens durch Juden" in den Burschenschaftlichen Blättern um Verständnis für seine Bundesbrüder, die die rassistisch-antisemitische Avantgarde bildeten. Noch 1967 heißt es in der offiziellen Libertas-Festschrift, die Entnazifizierung und die Absage an die NS-Ideologie nach 1945 sei ein "Kampf gegen das Deutschtum überhaupt" gewesen. Der rassistische Antisemitismus wird von Libertas nun als "Widerstand[es] gegen die Einflüsse des Judentums auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet" verharmlost und legitimiert. Gut 40 Jahre später behauptet der FPÖ-Nationalratsabgeordnete und Libertas-AH, Walter Rosenkranz, im Burschenschafter-Jubiläumsband von Martin Graf (aB! Olympia), der studentische Antisemitismus habe seinen Grund in der Tatsache, dass "überdurchschnittlich viele Juden Hörer an den Universitäten waren".
Im Februar 2009 wurde bekannt, dass Libertas ihren "Carl von Hochenegg-Preis" ("für herausragende Taten im Sinne des national-freiheitlichen Gedankens") an den neonazistischen Bund Freier Jugend (BFJ) verliehen hatte. In der Begründung durch Libertas heißt es: "Durch seine von der Bevölkerung stark wahrgenommenen Kundgebungen und Veranstaltungen beanspruchte der BFJ in mutiger Weise ein Feld, das sonst quasi ausschließlich der Linken vorbehalten ist; der BFJ sieht sich für seine volkstreuen Aktivitäten stärkster staatlicher Repression ausgesetzt." Tatsächlich ist der BFJ, der aus gutem Grund nie versucht hat, als legaler Verein Fuß zu fassen, aufgrund seiner neonazistischen Ausrichtung und Aktivitäten ins Visier der Polizei und Justizbehörden geraten. Gleich seiner Burschenschaft verharmlost auch Walter Rosenkranz die Neonazis, wenn er jede Kritik an dieser Finanzspritze für den BFJ als "reine Diffamierung" abtut. Man habe nur zum Druck von Flugblättern etwas beigesteuert - "und die waren wirklich harmlos", so Rosenkranz zu den Niederösterreichischen Nachrichten (2. 3. 2009).
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Libertas in der Burschenschaftlichen Gemeinschaft, dem von militanten Rechtsextremen dominierten Kern der Deutschen Burschenschaft (DB), organisiert ist. Am Höhepunkt des DB-internen Streites um die anhaltende Gültigkeit des "Arierparagraphen" war die Libertas bezeichnenderweise unter jenen Rechts-außen-Bünden, die in den Burschenschaftlichen Blättern (2/2011) eine "Erklärung zum volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff" veröffentlichten, in der "gegen jede Bestrebung, die Abstammung als notwendige Voraussetzung deutscher Volkszugehörigkeit allgemein oder in Einzelfällen für entbehrlich zu erklären", protestiert wird. Mit diesem "Verrat" würde sich die "Burschenschaft ihrem inneren Wesen nach selbst auf[geben]".
Lesetipp: Andreas Peham, "Durch Reinheit zur Einheit". Zur Kritik des deutschnationalen Korporationswesens in Österreich unter besonderer Berücksichtigung antisemitischer Traditionslinien und nationalsozialistischer Bezüge