Wie kaum sonst jemand hat es Herbert Steiner, der Gründer und langjährige wissenschaftliche Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, verstanden, Grenzen - geographische, parteipolitische, wissenschaftstheoretische, generationsspezifische u. a. - zu überschreiten.
Nationalratspräsident Heinz Fischer gedenkt Herbert Steiners, Altes Rathaus, Wien, 18. Juni 2001
Für den am 26. Mai 2001 nach langer schwerer Krankheit im 79. Lebensjahr Verstorbenen fand am 18. Juni 2001 im Alten Wiener Rathaus eine Gedenkveranstaltung statt. An Herbert Steiner erinnerten Nationalratspräsident Heinz Fischer, Fritz Muliar, Helmut Konrad, Erika Weinzierl und Wolfgang Neugebauer.
Herbert Steiner im englischen Exil
Herbert Steiner betätigte sich als Mittelschüler in Wien im antifaschistischen Widerstand und musste 1938 aus Österreich flüchten. Seine Eltern fielen dem Holocaust zum Opfer. Im britischen Exil war Herbert Steiner in der Jugendorganisation Young Austria tätig und konnte viele Kontakte im politischen und kulturellen Leben, unter anderen zu Erich Fried und Elias Canetti, knüpfen.
Nach seiner Rückkehr nach Österreich wirkte Herbert Steiner als Sekretär der Freien Österreichischen Jugend und half beim Aufbau des Österreichischen Jugendherbergswerks. Sein besonderes Interesse galt aber schon damals der Geschichte, insbesondere dem antifaschistischen Widerstand, der Revolution 1848 sowie der Frühgeschichte der Arbeiterbewegung. Er verfasste zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten dazu, von denen einige Standardwerke geworden sind. Anfang der 60-er Jahre bemühte er sich, zuerst im Rahmen des KZ-Verbandes, um die Gründung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, das 1963 als eine überparteiliche Einrichtung ins Leben gerufen wurde. Ehrenamtliche MitarbeiterInnen aus den Reihen der WiderstandskämpferInnen, KZ-Häftlinge und Verfolgten unterstützten ihn dabei; später kamen auch jüngere WissenschafterInnen hinzu. "Der Aufbau des Dokumentationsarchivs war Herbert Steiners Lebenswerk", stellte Steiners Nachfolger als wissenschaftlicher Leiter des DÖW Wolfgang Neugebauer fest.
Herbert Steiner im englischen Exil, 1945
Neben dem DÖW war er in der Internationalen Tagung der Historiker der Arbeiterbewegung, die seit 1965 alljährlich in Linz wissenschaftliche Tagungen durchführt, führend tätig. Sein besonderes Bemühen galt der Begegnung von Wissenschaftlern aus Ost und West, auch zur Zeit des Kalten Krieges. Herbert Steiner hat sich seit seiner Exilzeit für die Herausgabe der Werke des 1939 im KZ Buchenwald ermordeten Jura Soyfer engagiert und war maßgeblich an der Gründung der Jura Soyfer-Gesellschaft beteiligt. 1982 habilitierte er sich an der Universität Wien und hielt viel besuchte Lehrveranstaltungen ab.
Anlässlich der Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien im Zusammenhang mit seinem 70. Geburtstag verteidigte ihn der damalige Bürgermeister Dr. Helmut Zilk gegen Attacken der FPÖ und erklärte: "Man kann - gerade 'in Zeiten wie diesen' - nicht oft genug betonen, was du so engagiert und kompetent für die Bewältigung und Aufarbeitung der jüngeren Geschichte Wiens und Österreichs geleistet hast. Deiner verdienstvollen Tätigkeit ist zu danken, dass vieles unvergessen bleibt und nicht - wie manche es so gerne hätten - aus dem Bewusstsein der Menschen verschwindet."