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Putin und Palästina: "deutsche Stimmen" aus Österreich

Neues von ganz rechts - August 2020

 

Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) befindet sich in einer tiefen Krise. Als traditionsreiche Kraft des parteiförmigen Rechtsextremismus in der Bundesrepublik hat sie seit ihrer Gründung 1964 viel Konkurrenz am rechten Rand überlebt. Der Aufstieg und die bundesweite Etablierung der Alternative für Deutschland (AfD) hat sie jedoch – möglicherweise endgültig – marginalisiert: dem nicht zuletzt am österreichischen Vorbild orientierten AfD-Rechtsextremismus auf der Höhe der Zeit hat die altbackene neonazistische Kleinpartei nichts entgegenzusetzen. Im Zuge eines letzten Aufbäumens diskutiert die Parteiführung nun eine Änderung des Parteinamens und hat ihr altgedientes Monatsorgan, die Deutsche Stimme (DS), neu aufgestellt. Sie erscheint seit April nicht mehr im Zeitungs-, sondern im Magazinformat.

 

Mit dem Relaunch erhielt die Zeitschrift auch eine intensivere österreichische Note. Neben Konrad Windisch (Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik) steuert nun ein zweiter Kolumnist aus Österreich einen monatlichen Kommentar bei. Den Angaben von DS-Chefredakteur Peter Schreiber zufolge steht dieser Aufwertung auf der Autorenseite auch ein entsprechender Zuwachs an Leserschaft gegenüber. In der Juli-Ausgabe der DS verkündete Schreiber, dass ein "nicht unerheblicher Teil der neu hinzugewonnenen Leser und Abonnenten" aus Österreich stamme, "wo der Kahlschlag der patriotischen Publizistik, insbesondere nach der Zerstörung der FPÖ-nahen AULA durch interessierte Kreise [...] eine große Informationslücke für authentisch-nationale Kräfte hinterlassen" habe.

 

Bei dem neuen Kolumnisten handelt es sich um Alexander Markovics, Mitglied der rechtsextremen Burschenschaft Olympia Wien, der einer interessierten Öffentlichkeit als Obmann und Sprecher der Identitären Bewegung Österreich bekannt wurde. Bereits 2019 hatte Markovics der DS im Interview Auskunft über seinen politischen Werdegang und seine Entfremdung von Identitären und FPÖ gegeben (siehe: Ehemaliger Spitzenkader: Zeichen für Identitäre auf "Stagnation bis Niedergang"). Inzwischen betätigt Markovics sich als pro-russischer Lobbyist, welcher den Ideen Alexander Dugins und der Propaganda des Kreml in Österreich Gehör zu verschaffen versucht. So vertrat er Österreich jüngst, Anfang August, als Redner auf dem online abgehaltenen "Congress on Fourth Political Theory", einem Hochamt auf die Schriften Dugins, unter dessen persönlicher Leitung die Veranstaltung stand.

 

Markovics' "geopolitische Analysen" sind geprägt von Antiliberalismus und Antiamerikanismus. Nachdem seine April-Kolumne für die DS den "Fluch des westlichen Universalismus" beschwor, porträtierte er im Mai "Putins Konservative Revolution" und adelte Corona-Hilfslieferungen Russlands und Chinas nach Europa zum Beleg der humanistischen Gesinnung beider Regime: "Die westlichen Sanktionen und feindlichen Schritte durch die USA und andere NATO-Länder in den letzten Jahren – für Russland und China unbedeutend im Angesicht menschlichen Leidens!" In der Juni-Ausgabe würdigte Markovics Anhänger der QAnon-Verschwörungsphantasie als "kritische Stimmen", bevor er sich im Juli dem Nahostkonflikt zuwandte.

 

Markovics' Positionierung in diesem Konflikt ist klar: Israel sei der Aggressor und betreibe einen "Großen Austausch in Palästina". Da Europa "selbst eine amerikanische Kolonie" sei, welche "sich seit Jahrzehnten unter US-Oberherrschaft zuerst Gastarbeiter und jetzt Flüchtlinge importiert", sei es "nur eine Frage der Zeit, bis wir selbst zu 'Palästinensern' werden". Abschließend lobt Markovics das antisemitische Regime des Iran dafür, auch im heurigen Jahr – unter Corona-Bedingungen – den al-Quds-Tag begangen zu haben und fordert Europa auf, es den Ayatollahs gleichzutun.

 

Bei den al-Quds-Märschen handelt es sich um von Ayatollah Khomeini 1979 eingeführte Demonstrationen für die Vernichtung Israels, die seit geraumer Zeit auch in vielen europäischen Städten jährlich veranstaltet werden, so etwa noch 2019 auch in Wien. Entsprechend ihrer Ausrichtung rekrutiert das Publikum dieser Veranstaltungen sich aus IslamistInnen, Neonazis und jenen Teilen der Linken, für die der "Antizionismus" jedes andere politische Kriterium sticht. Entsprechend attraktiv erweist der Anlass sich als Ansatzpunkt neonazistischer Querfrontstrategien. Den gemeinsamen Begründungszusammenhang liefert dabei üblicherweise der Antiamerikanismus, wobei je nach Ausprägung der antisemitischen Kopfnote Israel wahlweise als verlängerter Arm des US-Imperialismus oder als eigentliches Steuerzentrum desselben dargestellt wird.

 

Mit Blick auf die ostentativ pro-israelische Wende des (insbesondere west-)europäischen Rechtspopulismus und Teilen des parteiförmigen Rechtsextremismus ist eine Spaltung der politischen Rechten in der Frage des Nahostkonflikts zu konstatieren, der ein noch grundsätzlicherer Dissens in Fragen der Feindbildpflege zugrunde liegt. Während gemäßigtere Kräfte sich agitatorisch auf den antimuslimischen (und nicht zuletzt auch antiarabischen) Rassismus konzentrieren, der in Westeuropa heute sozial weit akzeptierter ist als offener Judenhass, gilt weiter rechts außen nach wie vor das Primat des Antisemitismus. Dieser lässt sich wiederum an Israel als dem "Juden unter den Staaten" am salonfähigsten ausagieren – wobei gleichzeitig auch geschichtsklitternde Bedürfnisse bedient werden können. Wenn die NPD einen "israelischen Holocaust in Gaza" im Gange wähnt oder "Gestern Dresden – heute Gaza" deklamiert, ist es ihr dabei offenkundig nicht nur um die Dämonisierung Israels zu tun, sondern auch um die Relativierung der NS-Verbrechen und die Perpetuierung eines deutschen Opfernarrativs.

 

 

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