Im August 1946 fand im Großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts für Strafsachen Wien der größte Prozess eines österreichischen Volksgerichts statt.
Am 6. April 1945 waren auf Weisung des Direktors des Zuchthauses Stein/Donau, Franz Kodré, alle Gefangenen (unter ihnen befand sich eine große Anzahl wegen politischer Delikte Verurteilter) zur Entlassung bestimmt worden. Als sich die Häftlinge im Gefängnishof versammelten, wurden sie von SA-Standartenführer Leo Pilz gemeinsam mit SS- und Volkssturmeinheiten angegriffen. Hunderte Häftlinge und fünf Justizwachebeamte, darunter Anstaltsleiter Kodré, fielen dem Massaker zum Opfer.
Neues Österreich, 31. 8. 1946, S. 1
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Die Angeklagten
Am 30. August 1946 verurteilte das Volksgericht Wien den SA-Standartenführer und Kreisstabsführer des Volkssturms für den Kreis Krems, Leo Pilz, den Stellvertretenden Leiter des Zuchthauses Stein, Alois Baumgartner, den Betriebsleiter der Schusterei des Zuchthauses Stein, Anton Pomassl, den Justizhauptwachtmeister Franz Heinisch sowie den Oberverwalter und obersten Kommandanten der Justizwache des Zuchthauses Stein, Eduard Ambrosch, wegen vielfachen vollbrachten Mordes sowie wegen Kriegsverbrechens und Verbrechens der Quälerei und Misshandlung nach dem Kriegsverbrechergesetz zum Tode. Die Todesurteile wurden am 28. Februar 1947 im LG Wien vollstreckt.
Leo Pilz, geb. 20. 1. 1907, Mechaniker, SA-Standartenführer, Kreisstabsführer des Volkssturms Krems, hingerichtet am 28. 2. 1947
Foto aus: Robert Streibel, Krems 1938–1945. Eine Geschichte von Anpassung, Verrat und Widerstand, Weitra: Bibliothek der Provinz 2014, S. 94
Alois Baumgartner, geb. 25. 4. 1896, Verwaltungsoberinspektor, stellvertretender Direktor des Zuchthauses Stein, hingerichtet am 28. 2. 1947
Staatspolizeiliches Fahndungsblatt 1946
Der Hilfsaufseher Karl Sperlich, der Justizhauptwachtmeister und Betriebsleiter des Heizhauses Alois Türk, der Aufseher Karl Forster, der Hilfsaufseher Johann Doppler sowie der Justizhauptwachtmeister und Betriebsleiter der Druckerei des Zuchthauses Stein Franz Ettenauer erhielten eine lebenslange Haftstrafe.