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Hellmut Heidlberger: Die Verteidiger haben nichts zum Reden gehabt

Hellmut Heidlberger, geb. 1928 in Kefermarkt, 1936 Übersiedlung nach Freistadt, Oktober 1942 Lehrling bei der Landeskrankenkasse für den Gau Oberdonau. Botengänge für die Widerstandsgruppe "Neues freies Österreich", Verhaftung am 10. Oktober 1944, am 27. Februar 1945 vom Volksgerichtshof wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu 4 Jahren Jugendgefängnis verurteilt. Haft bis Anfang Mai 1945.

Nach Kriegsende Bediensteter in der Landwirtschaftskrankenkasse für Oberösterreich. Obmann der Landesgruppe Oberösterreich der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten.

Verstorben 1996.

 

 

Mein Chef war der Herr [Ludwig] Hermentin. Ich hab schnell rausgekriegt, dass der wirklich nicht nationalsozialistisch eingestellt war, durch diverse Gespräche und so. Es ist dann auch eine gewisse Vertrauensbasis entstanden. [...] Jedenfalls hat das Ganze dazu geführt, dass ich mich eigentlich immer mehr zurückgezogen hab von dem [Deutschen] Jungvolk bzw. von der Hitler-Jugend. Und eines schönen Tages hat dann mein Chef gesagt, ich soll dort einen Brief hinbringen, zu dem und zu dem, z. B. zum [Karl] Preinfalk in der Waaggasse. [Karl Preinfalk und Ludwig Hermentin waren Mitglieder der Freistädter Widerstandsgruppe "Neues freies Österreich".] Und da bin ich hineingewachsen.

 

Ich weiß nicht mehr, war es Ende 1943 oder Anfang 1944, es dürfte auch mit Stalingrad zusammengehängt haben, hab ich im Büro, da waren aber wirklich keinen fremden Leute drinnen, die Äußerung gemacht: "So, jetzt ist der Krieg vorbei, verloren." Es hat nicht lange gedauert, werde ich hinausgerufen in die [NSDAP-]Kreisleitung, da hat noch der Kreisleiter [Wilhelm] Wolfsgruber residiert, der ein Freistädter war, der hat mir das vorgehalten. Ich war natürlich baff, wieso der das wissen kann. [...] Daraufhin hat mir der eine ganz schöne Standpauke gehalten. Es ist eigentlich weiter nichts passiert. Ich hab wieder heimgehen können und hab meine Ruh' gehabt.

 

Am 9. Oktober 1944 war es dann endgültig soweit. Bis zu dem Zeitpunkt hab ich nur ein paar Namen gewusst, aber auch nichts Genaueres. Im Wesentlichen bin ich als Bote eingesetzt worden, wobei man sich natürlich schon manches zusammenreimen hat können. Aber ich hab nicht gewusst, dass es eine größere Gruppe gibt in Freistadt, die als Widerstandsgruppe tätig ist. Das hat sich erst herausgestellt am 9. Oktober 1944, wie mein Chef weggegangen ist, und dann ist die Gestapo gekommen. Da haben wir eigentlich erst erfahren, dass er verhaftet worden ist und gleichzeitig auch auf einen Schlag eine größere Gruppe von Freistädter Bürgern, die dann alle in die Kreisleitung hinausgekommen sind, die kassiert worden sind von der Gestapo. Wie ich das erfahren hab - in der Mittagspause, da war es ein wenig ruhig -, da hab ich mir gedacht, jetzt schaust du einmal da hinein in den Schreibtisch vom Chef. Ich hab sonst ab und zu etwas suchen müssen, was er gebraucht hat. Ich hab da herumgekramt, und fallen mir Papiere in die Hand. Die habe ich geschnappt, hab sie angeschaut, eingesteckt, bin hinübergegangen in unser Materialkammerl [...] Dort hab ich sie versteckt. [Die Papiere - diverse Listen, u. a. Übernahmepläne für öffentliche Funktionen in Freistadt - blieben bis zur Befreiung im Mai 1945 in diesem Versteck.]

 

Und dann bin ich noch am selben Nachmittag, wie der Dienst aus war, nach Kefermarkt gefahren, nach Weinberg, dort war damals die Schwester vom Baron Hans Gablenz-Thürheim, die Baronin Maria Margarete Haebler. Die war Internationale-Rote-Kreuz-Schwester, zu der hab ich an sich ein besonderes Vertrauen gehabt. Und zwar deswegen, weil sie mich als ganz kleinen Buben, wie ich eine schwere Lungenentzündung gehabt hab, gepflegt hat, und da war immer ein Kontakt da. Ich erzähl ihr das, fahr dann heim. Was soll ich tun? Am nächsten Tag geh ich wieder ins Büro, und um ca. halb 10 holen sie mich. Hinaus in die Kreisleitung und dann letzten Endes mit dem zweiten Schwung ins Polizeigefangenenhaus Linz und am folgenden Tag dann zum Verhör in die Gestapozentrale in der Langgasse. Da hab ich eigentlich erst richtig gesehen, wen sie da alles geschnappt haben. Das war eine riesige Gruppe [...] Na ja, da sind halt dann die Gestapoverhöre losgegangen. Da hab ich ein paar Mal gesehen, dass der Herr Hermentin total zerschlagen heraufgekommen ist. Ich selber bin auch einmal geholt worden zum Protokoll. Das Einzige, was ich ihnen zugeben hab können, was sie auch gewusst haben, war, dass ich die Briefe getragen hab, aber mehr war nicht. Dann wollten sie immer wissen, wie das mit meinem Vater ist, was meine Mutter weiß. Da hab ich dauernd gesagt, nein, nix. Na ja, als 16-jähriger Bub, der mit so was nie etwas zu tun gehabt hat, weißt du auch nicht hundertprozentig, was du unterschreibst. Also es könnte ja unter Umständen auch dort stehen, dass ich gesagt hab, mein Vater weiß das, aber ich kann das gar nicht sagen. Ich hab auch keinen Durchschlag gekriegt von dem Protokoll. Jedenfalls haben sie nachher dann auch noch meinen Vater kassiert am Gendarmerieposten. [Alois Heidlberger, Gendarmeriebeamter in Freistadt, wurde nach dem "Anschluss" nach Zettwig strafversetzt, am 28. November 1944 festgenommen und war bis 30. April 1945 inhaftiert.] Wir haben uns in Linz im Polizeigefangenenhaus getroffen und später im Kreisgericht Wels, nachdem wir von Linz nach Abschluss der Verhöre verlegt worden sind. Ein Teil ins Kreisgericht Wels, die Frauen sind im Kaplanhof [in Linz] gewesen und in Grieskirchen.

 

Im Februar [1945] war dann die Volksgerichts[hof]verhandlung, da war die Anklage wegen "Vorbereitung zum Hochverrat", und da hat es acht Todesurteile gegeben, unter anderen eben auch mein Chef. Ich selber hab vier Jahre Jugendgefängnis gekriegt.

 

Da kommt mir immer ein bisschen die Ganselhaut bei der [Erinnerung an die] Verhandlung. Wir waren im Landesgericht [Linz]. [...] Dann ist die Anklage verlesen worden, eben "Vorbereitung zum Hochverrat" und ein paar so Dinge, dann Zeugenaussagen von den Gestapobeamten. Und dann hat mich der Vorsitzende was gefragt, und ich hab was darauf gesagt. Und - das weiß ich noch - da hat er geschrien: "Sie Lausejunge, Sie! Haben Sie noch nie Zeitung gelesen? Vom Heldenkampf an der deutsch-französischen Grenze, was die Hitler-Jugend dort alles leistet." Und damit war es dann aus. Die Verteidiger haben nichts zum Reden gehabt, ich kann mich nicht einmal erinnern, ob sie jemals den Mund aufgemacht haben dabei. Wenn sie was gesagt haben, haben sie höchstens gesagt, ein gerechtes Urteil oder ein mildes Urteil, ich weiß nicht. Na ja, dann waren wir verurteilt. Es waren zwei Verhandlungstage. Die zum Tode verurteilt worden sind, sind dann im Landesgericht in den Keller hinuntergekommen, und wir sind wieder hinauf ins Kreisgericht Wels verlegt worden.

 

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