Hubert Mascher, geb. 1920 in Innsbruck, Mitglied bei den Ostmärkischen Sturmscharen und beim Österreichischen Jungvolk. Nach dem "Anschluss" 1938 Mitarbeit in der legitimistischen Widerstandsgruppe "Freiheit Österreich", Haft vom September 1938 bis Frühjahr 1939. Anschließend Mitarbeit in der Widerstandsgruppe "Vergissmeinnicht", neuerliche Haft vom 8. 8. 1939 bis 15. 10. 1942. Einrücken zur Deutschen Wehrmacht, 1944 in Frankreich desertiert, französische Kriegsgefangenschaft.
1945 Rückkehr nach Österreich, schwer kriegsgeschädigt. Gemeinsam mit Heinz Mayer Aufbau des Bundes der Opfer des politischen Freiheitskampfes in Tirol, Mittelschullehrer und Erzieher, 1963 bis 1983 Beamter beim Landesschulrat. Mitglied des DÖW-Kuratoriums.
Verstorben.
Mein Elternhaus war ein typisch konservatives, bürgerliches Haus. Vor allem meine Eltern waren sehr streng katholisch, monarchistisch-legitimistisch ausgerichtet, und in diesem Sinn sind meine zwei Schwestern und ich - ich bin der Älteste - aufgewachsen. Mein Vater war ein sehr toleranter und ein sehr ruhiger Mensch, vor allem ein gewaltloser Mensch. Aber etwas war so typisch für die damalige Epoche - er war ein Patriarch. Was der Vater bestimmt hat, hatte zu geschehen. Und so bin ich also 1933/34 vor allem auf Geheiß des Vaters in die Sturmscharen eingetreten. [...]
Es ist natürlich klar, dass Menschen mit 13, 14 Jahren keine politische Rolle spielen konnten. Aber es machten sich da schon die Spannungen zwischen den Parteien bemerkbar, und auch die Judengegner sind in dieses politische Spannungsfeld hineingezogen worden, automatisch. [...] Und nur um das Bild aufzuzeigen, wie damals die drei Gruppen gedacht haben: Ich z. B. bin in Verbindung gewesen mit einem Nachbarhaus, und da war eine kleine Fabrik. Es war keine Fabrik mit Schlot, sondern mehr so ein Hausbetrieb, vier, fünf Arbeiter. Und da war einer drunter, von dem ich gewusst habe, er war ein Sozialist. Damals hat es geheißen "Sozi". Für mich war das einfach ein Mensch, den ich nicht verstanden habe und der für mich fast ein Krimineller war. So weit ist schon die Gegnerschaft gekommen. Da haben wir Jungen gar nichts dafür gekonnt, das ist einfach im Laufe der Jahre so zugespitzt worden. Und der Hass gegenseitig! Man hat sich in den Schulen geprügelt, ich bin auf dem Weg ein paar Mal zusammengeschlagen worden. Da kann ich auch ein Beispiel bringen von einem Freund: Als die Nationalsozialisten sehr tätig waren, da hat mich der Franz, der lebt heute nicht mehr, gebeten, ich soll ihn beraten, ob er zum Österreichischen Jungvolk gehen soll oder nicht. Ich habe gewusst, seine Mutter war eine fanatische Nationalsozialistin. Bedingungslos. Er ja auch. Habe ich gesagt: "Es ist gescheiter. Du bist in der Höheren Schule, du hast nur Vorteile." Dann ist er dem Jungvolk beigetreten, auf einmal hat er es mit der Angst zu tun bekommen und hat gesagt: "Du, bitte, Hubert, geh mit mir zur Mutter, ich traue mich nicht mehr heim." Wir gehen nach Hause, die Mutter war Witwe, und sie hörte es, hat den Buben zusammengeschlagen. Ich habe so etwas nicht mehr gesehen. Ich will damit nur sagen, dass dieser politische Hass alles Vernünftige gesprengt hat. [...]
Es war dann so, dass 1934 bis 1936 die Demonstrationen [in Innsbruck] sehr stark begonnen haben, der Nationalsozialisten etwa. Wir waren natürlich als Jugendliche furchtbar neugierig und sind auch oft in die Maria Theresienstraße gegangen, in die Museumstraße und haben uns diese Schlachten zwischen Polizisten und Nationalsozialisten angeschaut. Und dabei habe ich selbst ein paar Mal einen Gummiknüppel auf den Rücken bekommen. Die Polizei war zum Teil beritten. [...]
Wir sind dann im Laufe der Jahre militärisch ausgebildet worden, Handgranaten-Werfen, die Stollen-Handhabung, Karabiner, Bajonett, disziplinär ausgerichtet usw. Und in den Schulen war natürlich die militärische Ausbildung ab 1937 im Österreichischen Jungvolk. In den Tagen kurz vor der Machtübernahme durch Hitler war die Spannung, ich möchte fast sagen: unerträglich. Man hat gewusst, alt genug sind wir auch schon gewesen, 17, 18 Jahre, dass es nun zu großen Schwierigkeiten kommen wird. Und ich kann mich noch an die Kundgebung von Schuschnigg vom 9. März [1938] in Innsbruck erinnern, wo er das österreichische Volk aufgerufen hat, zusammenzuhalten. Da hat er versucht, die Verbindung zwischen Sozialisten und Christlichsozialen herzustellen. Aber das war einfach zu spät. Die Zeit war nicht mehr da, obwohl der Wille auf beiden Seiten vorhanden war.