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Finkelsteins "Holocaust-Industrie" (Rezension)

Armin Pfahl-Traughber

Finkelstein, Norman G.: Die Holocaust-Industrie. Wie das Leiden der Juden ausgebeutet wird. Aus dem Amerikanischen von Helmut Reuter. Müchen: Piper 2000. 234 S.

 

 

Bereits vor dem Erscheinen der deutschen Ausgabe erregte Norman G. Finkelsteins Buch "The Holocaust Industry" große Aufmerksamkeit. Der Sohn von Überlebenden des Genozids und Dozent für Politikwissenschaft in New York formulierte darin eine heftige Kritik an jüdischen Organisationen, die das Erinnern an die Judenvernichtung für eigene Interessen ausnutzen würden. Nun erschien eine Übersetzung des umstrittenen Bandes unter dem Titel "Die Holocaust-Industrie. Wie das Leiden der Juden ausgebeutet wird". Finkelstein will damit eine Anatomie der "Holocaust-Industrie" und zugleich eine Anklage gegen sie vornehmen. In drei Kapiteln trägt er in mitunter aggressiver und polemischer Weise seine Auffassungen vor. Hierbei unterstellt der Autor, der "Holocaust" sei eine von Ideologie geprägte Darstellung des historischen Ereignisses der Massenvernichtung der Juden. Sie beruhe auf dem Dogma der historischen Einzigartigkeit des Genozids und der Auffassung vom ewigen Hass der Nichtjuden auf die Juden.

Mit diesen Behauptungen, so Finkelstein, würde aus der Erinnerung an den Holocaust finanzielles und politisches Kapital geschlagen. Man nutze sie, um die verwerfliche Politik des israelischen Staates und die amerikanische Unterstützung für diese Politik zu rechtfertigen. Gleichzeitig diene der Hinweis auf die Judenverfolgung der Abschottung von Kritik und der Identitätsbindung der Juden untereinander. Hysterische Berichte über den Antisemitismus sollten gezielt Spendenwellen für jüdische Organisationen auslösen. Darüber hinaus diene die Erinnerung an den Holocaust Geschäftemachern und Schwindlern zur eigenen Aufwertung oder Bereicherung. Dies versucht Finkelstein sowohl anhand von ihm gering geschätzten Autoren wie Daniel Jonah Goldhagen oder Elie Wiesel ebenso wie anhand von tatsächlichen Betrügern wie "Binjamin Wilkomirski" zu belegen. Und schließlich widmet sich das Buch ausführlich den von jüdischen Organisationen wie der Jewish Claims Conference organisierten Kampagnen zu Wiedergutmachungszahlungen an jüdischen Zwangsarbeitern, wobei auf Deutschland und die Schweiz mit dem Verweis auf den Holocaust erpresserischer Druck ausgeübt worden sei. Die gezahlten Gelder, so die Behauptung von Finkelstein, wären allerdings nicht überwiegend den Opfern direkt zugekommen, sondern für die Interessen der Gemeinden und Organisationen verwendet worden. Außerdem hätten die jüdischen Organisationen die Zahlen der Betroffenen manipulativ in die Höhe getrieben, um höhere Entschädigungsforderungen stellen zu können.

Finkelstein trägt seine Auffassungen in polemischer Schärfe und Überzeichnung vor, selbst vor beleidigenden und diffamierenden Beschreibungen schreckt er nicht zurück. Dies erklärt sich zum einen aus einer persönlichen Betroffenheit. Seine Eltern, selbst Überlebende des Holocaust, erhielten von jüdischen Organisationen nur geringe Entschädigungszahlungen. Dies ließ bei Finkelstein große Verbitterung aufkommen, was die Aggressivität und Einseitigkeit der Darstellung erklärt. Wie stark ihn dieser persönliche Hintergrund motivierte, veranschaulicht er selbst durch die immer wieder erfolgenden Hinweise auf das Schicksal seiner Mutter und seines Vaters. Hinzu kommt, dass Finkelstein in den USA zu einer kleinen Minderheit jüdischer Intellektueller gehört, welche aus einer linken politischen Position heraus heftig die Politik des Staates Israel und dessen Unterstützung durch die USA kritisieren. Somit sind die vorgetragenen Auffassungen auch nicht antisemitisch motiviert, wenngleich sie in Form und Inhalt mitunter der Argumentation heutiger Rechtsextremisten ähneln.

Was Finkelstein der von ihm behaupteten "Holocaust-Industrie" unterstellt, sie stütze sich auf eine Ideologie, fällt auf ihn selbst zurück. Der Autor geht an sein Thema nicht differenziert und wissenschaftlich, sondern einseitig und parteiisch heran. So überzeichnet er auch an vielen Punkten, wo die Kritik durchaus eine nähere Auseinandersetzung verdient gehabt hätte. Die Voreingenommenheit lässt ihn auch bestimmte Sachverhalte bei der Bewertung übergehen. Jüdische Organisationen können keineswegs alle eingenommenen Gelder direkt an die Opfer weitergeben, müssen sie doch auch ihre eigene Verwaltung durch solche finanziellen Mittel mit funktionsfähig halten. Finkelsteins Kritik an den Forderungen jüdischer Organisationen gegenüber europäischen Staaten oder Unternehmen ignoriert darüber hinaus, dass diese von sich selbst aus nicht zu Entschädigungszahlungen bereit waren und erst des Anstoßes von außen bedurften. Er beklagt solche Einmischungen, setzt sich aber nicht mit den Ursachen dafür auseinander. Mit der Einseitigkeit und Polemik der Darstellung leistete Finkelstein seinem eigenen Anliegen selbst einen schlechten Dienst, hätten seine Thesen doch durchaus eine differenzierte Aufmerksamkeit und Diskussion verdient.

 

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