Anfang Juli wurde der neue Verfassungsschutzbericht präsentiert - das 14-seitige Kapitel zum Rechtsextremismus weist eine deutliche Qualitätssteigerung auf. Zunächst ist es zu begrüßen, dass man seitens des Innenministeriums von der Orientierung an der deutschen Begrifflichkeit wieder abzurücken scheint. So findet sich gleich zu Beginn der Hinweis, dass der Begriff "Rechtsextremismus" der österreichischen Rechtsordnung fremd ist, was auf ein (aber leider im weiteren Bericht nicht durchgehaltenes) inhaltliches Verständnis des Phänomens verweist. Nach diesem ist die Frontstellung gegen die liberale Parteiendemokratie kein notwendiges Definitionsmerkmal, um von Rechtsextremismus sprechen zu können.
Am Beispiel der Identitären zeigt sich daneben, dass die Behörden nun kritisch hinter die ideologischen Selbstdarstellungen der führenden Akteure blicken: Es seien "jüngere Neonazis und Personen aus dem studentischen und burschenschaftlichen Milieu", die das aus Frankreich kommende neue Organisationsmodell in Österreich etablierten. Die Warnungen vor einer angeblichen "Islamisierung" werden als "Deckmantel" entlarvt, unter welchem "auf einer pseudo-intellektuellen Grundlage" versucht werde, "das eigene rassistisch/nationalistisch geprägte Weltbild zu verschleiern". Auch sei die öffentliche "Distanzierung vom Neonazismus [...] als taktisches Manöver zu werten, da sich in den Reihen der Bewegungseliten amtsbekannte Neonazis befinden und Kontakte in andere rechtsextremistische Szenebereiche bestehen". Die nunmehrige kritischere Auseinandersetzung mit "neurechten" Ansätzen führt zu treffenden Beschreibungen derselben: "Was sich vordergründig als 'Kritik' und jüngst als 'islamkritisch' auf der Ebene der Mobilisierung darstellt, trägt in der tatsächlichen Umsetzung oft islam-, asyl- und fremdenfeindliche Züge."
Die Zahl der Anzeigen wegen rechtsextremistisch motivierter Straftaten ist im Vergleich zu 2013 beinahe gleich geblieben (2013: 1186; 2014: 1201). Die meisten Anzeigen gab es nach dem Verbotsgesetz (663; 2013: 529) und dem Verhetzungsparagraphen (182; 2013: 152). Die Tatsache, dass ein Großteil der aufgeklärten Straftaten (59,7 Prozent) von Personen ohne feste Szeneanbindung begangen wurde, wird als Beleg dafür genommen, "dass rechtsextremistisches Gedankengut innerhalb der Bevölkerung auch außerhalb des organisierten Rechtsextremismus verbreitet ist". Ein vergrößertes Problembewusstsein drückt sich daneben in der Bewertung der Entwicklungstrends aus: Auch wenn die Demokratie als solche momentan durch den Neonazismus nicht gefährdet sei, gehe von den entsprechenden "Akteursgruppen, Szenen und Bewegungen eine nicht unbeträchtliche Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit aus". Zudem wird befürchtet, "dass sich die bisherigen [antisemitischen und rassistischen] Provokationen zu gewalttätigen Übergriffen entwickeln können".