Hermine Kubie, geb. 8. 1. 1870
Die gebürtige St. Pöltnerin Hermine Kubie, zuletzt wohnhaft in der Krummbaumgasse 6 im 2. Wiener Gemeindebezirk, war 71 Jahre alt, als sie nach Modliborzyce deportiert wurde. Ihr Sohn Alfons (1938 in die Schweiz geflüchtet) galt nach den NS-Rassegesetzen als "Mischling 1. Grades", da sein Vater Sigmund Kubie nicht jüdischer Herkunft war.
Im DÖW sind mehrere Briefe und Postkarten von Hermine Kubie archiviert, darunter 20 aus Modliborzyce.
Mangelhafte Kost, steigende Lebensmittelpreise und die Enge der Zwangsgemeinschaft im Ghetto machten ihr zu schaffen:
"Hier ist Alles sehr teuer, Brot schwarz & schwer, ich muß mir täglich ½ K kaufen[,] kostet 50 Pf. für 4 Schnitten, denn Mittag bekommt man in der Ausspeisung nur eine dicke Gerstelsuppe mit Wrucken [Steckrüben] drin und eine Schnitte Brot, täglich seit 4 Wochen das Gleiche. Sie haben nichts da, die Leute leben nur von Kartoffel und Kascha [Grütze], Gemüse kennen sie gar nicht."
(Postkarte an Alfons Kubie in Genf, 6. 4. 1941)
"Fett außer Butter gibt es keines[,] 5 dk Rindfleisch kosten 75 Pfennig. Öl ist schwarz und übelriechend und sehr teuer. Durch diese vitaminarme Kost haben die meisten Leute Ausschläge, sogar große Furunkel. Wasser was man aus weiter entfernten Brunnen schöpfen muß, soll man nicht trinken, bekommt man Duchfall. Es ist eine öde sehr verwahrloste Gegend [...] Die Leute J. [Juden] wie Arier sind sehr unkultiviert, überhaupt glaubt man sich hier um Jahrhunderte zurück."
(Postkarte an N. Scheuer, 25. 7. 1941) (1)
"Ich habe noch 2 Schachtel Sardinen von früher. Ich würde sie sehr gern essen, aber leider ist man hier keinen Moment ungestört und gleich 5 St. verschenken fällt mir nicht ein, ich muß abwarten, vielleicht sehen sie es einmal nicht."
(Postkarte an Alfons Kubie in Genf, 20. 11. 1941)
Mitunter sind in ihrer Korrepondenz auch Hinweise auf das Schicksal anderer Verschleppter zu finden, so schrieb Kubie am 29. 8. 1941 an ihren Sohn:
"Hier sind täglich Leichenb.[,] ich weiß nicht, ob du den Fleischhauer Weiss, Förstergasse gekannt hast, da ist in kurzer Zeit die ganze Familie, 2 Brüder[,] die Frau & Tochter[,] ausgestorben, ich bin mit den Leuten hergefahren[,] waren gesund und gut genährt. Hier darf man nicht krank werden, trotz der vielen Dr. die hier sind, denn sie können sich ja die Medikamente nicht verschaffen." (2)
Kubies letzte bekannte Nachricht stammt vom 3. September 1942, danach verliert sich ihre Spur.
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