Aufgrund zahlreicher Medienanfragen zur Verbindung des Präsidentschaftskandidaten der FPÖ, Norbert Hofer, stellen wir eine Charakterisierung der pennal-conservativen Burschenschaft Marko-Germania zu Pinkafeld zur Verfügung.
Diese Einschätzung stützt sich zum einen auf die aktuelle Selbstbeschreibung der Verbindung im Rahmen des Internetauftritts der Gemeinde Pinkafeld sowie (wortident) auf Facebook, zum anderen auf eine Festschrift der Marko-Germanen aus deren Gründungsjahr 1994, die der "Vorstellung und Selbstdarstellung des Bundes" diente (Marko-Germania 1994, S. 11). Eine Anfrage nach rezenteren programmatischen Schriften blieb bis dato unbeantwortet, über eine eigene Website verfügt die Verbindung nicht und ihr Facebook-Auftritt gestaltet sich in Form einer geschlossenen Gruppe.
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Die Marko-Germania wurde am 29. 1. 1994 aus einem Freundeskreis korporierter Akademiker um den Pinkafelder HTL-Lehrer, Sängerschafter (Gothia Graz) und damaligen FPÖ-Gemeinderat Rudolf Jauschowetz gegründet, wobei die Burschenschaften Markomannia Wien und Germania Graz (heute: Marko-Germania Graz) Starthilfe leisteten (Marko-Germania 1994, S. 3 f.). 1996 trat man dem Conservativen Delegierten-Convent (CDC) bei (Krause 2007, S. 13), einem Dachverband von Burschenschaften an (vor allem technischen) Mittel- und Fachhochschulen, der an Mitgliederschwund leidet und heute eher den Charakter einer losen Interessengemeinschaft aufweist. Die Marko-Germanen gehören dem CDC inzwischen nicht mehr an und haben ihre Bezeichnung von technische in pennal-conservative Burschenschaft geändert (Jess 2015). Als Postanschrift führt die Verbindung nach wie vor nicht die Adresse ihrer Bude am Pinkafelder Hauptplatz, sondern jene ihres Gründungs-Altherrenobmanns Jauschowetz, der laut aktuellem Vereinsregisterauszug als Schriftführer des Marko-Germanen-Vereins agiert.
Wahlspruch der Verbindung ist der burschenschaftliche Dreiklang "Ehre, Freiheit, Vaterland!". Auch ansonsten verorten die Bekenntnisse in ihrem Grundsatzdokument von 1994 sie im Mainstream burschenschaftlichen Denkens in Österreich – mitsamt dessen bekannten Ambivalenzen: der Bejahung von Menschen- und Minderheitenrechten (Marko-Germania 2016) und österreichischer Eigenstaatlichkeit, der Bestimmung von "Freiheit" als "das politische Ziel, dem burschenschaftliches Handeln dient" (Marko-Germania 1994, S. 33), und einem "Nationalbewusstsein [...] ohne Irrwege, ohne Schärfe, ohne Aggressionen" (ebenda, S. 50) stehen Positionen gegenüber, die in demokratiepolitischer Hinsicht als problematisch zu bestimmen sind.
Politischer Auftrag
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Marko-Germania, der burschenschaftlichen Tradition entsprechend, sich einem explizit politischen Auftrag verpflichtet sieht. Das erschließt sich bereits aus den von Gründungs-Altherrenobmann Jauschowetz formulierten Grundsätzen, die sowohl der Festschrift vorangestellt (ebenda, S. 9) als auch wortgleich den aktuellen Internetpräsenzen der Verbindung zu entnehmen sind (Marko-Germania 2016). Ihnen zufolge versteht der Bund sich als "politisch, aber nicht parteipolitisch". Die Burschenschaft sei "[d]er Form nach [...] zwar eine Studentenverbindung, dem Inhalt nach jedoch eine politische Gruppe" , ergänzt der Marko-Germane und Festschrift-Mitautor Rolf Rücker (Marko-Germania 1994, S. 31). Während die Burschenschaft selbst sich an keine Partei binde, "soll der Alte Herr politisch aktiv werden" (ebenda, S. 35). Generell wolle die Verbindung "nach außen [...] überhaupt nur durch eins wirken: durch ihren politischen Auftrag" (ebenda, S. 36). Der Inhalt dieses Auftrags wird in den Grundsätzen durch die Bezeichnung "national-freiheitlich" (Marko-Germania 2016) grob umrissen. Jürgen H., zum Zeitpunkt des Erscheinens der Festschrift ständiger Mitarbeiter der rechtsextremen Aula und um eine Neuausrichtung des österreichischen Rechtsextremismus bemüht, formuliert seinerseits als Gastautor den Wunsch nach Mitwirkung der Burschenschaft an einer "konservativen Revolution" (Marko-Germania 1994, S. 41).
Völkischer Nationalismus
Marko-Germania bekennt sich in den erwähnten Grundsätzen zur "deutsche[n] Kulturgemeinschaft" und zum "Anrecht [jedes Volkes] auf sein Vaterland und seine Heimat" (Marko-Germania 2016). Das Bekenntnis zur österreichischen Eigenstaatlichkeit findet sich an weniger prominenter Stelle (vgl. Marko-Germania 1994, S. 33). Auch in der Einleitung der Festschrift wird festgehalten, dass die Marko-Germanen "[a]ls geschichtsbewusste Österreicher [...] keine Berührungsängste mit dem Begriff 'deutsch'" kennen. "Hier ist der Mut erforderlich, zur rechten Zeit unzeitgemäß zu sein." (Ebenda, S. 13) An anderer Stelle wird von Rücker die "ausdrückliche Verpflichtung jedes Burschenschafters" beschworen, "sich für die freie Entfaltung des deutschen Volkstums ein[zu]setzen und dabei alle Teile des deutschen Volkes [zu] berücksichtigen. Unbeschadet ihres Bekenntnisses zum selbständigen Staat Österreich sieht die Burschenschaft das deutsche Vaterland unabhängig von bestehenden staatlichen Grenzen" (ebenda, S. 33). Konsequenterweise "lehnt die Burschenschaft die geschichtswidrige Fiktion einer 'österreichischen Nation' ab", die "[s]eit 1945 [...] in den Gehirnen der Österreicher festgepflanzt" worden sei (ebenda, S. 34 bzw. Walter Wiltschegg, ebenda, S. 48).
Der hier vertretene Deutschnationalismus ist nicht rein kultureller Art, sondern als völkischer zu bestimmen. Dies erschließt sich aus der nicht namentlich gekennzeichneten Einleitung der Festschrift, die den Bund "[i]m Gegensatz zu den Zeitgeistlern und Einweltlern" verortet – also zu jenen, die anstatt Völkern die Menschheit ins Zentrum ihrer Weltsicht stellen – und als Bestimmungsmerkmal von Volkszugehörigkeit neben "Sprache, Kultur, Geschichte und Brauchtum" auch das biologische Kriterium der "Abstammung" nennt (ebenda, S. 12). In diesem Sinne hält Walter Wiltschegg, laut Biografie im Anhang der Festschrift "1940 zur Wehrmacht" (ebd., S. 60) fest, dass "aus einem Afghanen, Indonesier, Kubaner" usw. mit dem Erwerb eines österreichischen Passes noch kein Österreicher werde und auch der Erwerb von Sprachkenntnissen keine "deutsche[n] Volksangehörige[n]" hervorbringe. Unabhängig davon, ob Einwanderer "an ihrem Volkstum, an ihrer Eigenart, Religion usw. festhalten oder nicht" – also selbst im Fall umfassender Assimilation –, bleibe ihnen die Sprache "etwas Äußerliches" und werde ihnen "kein Wesensbestandteil". Die "Kulturnation" stellt Wiltschegg ahistorisch als "etwas Natürliches, Gewachsenes" der "Staatsnation" gegenüber, die er als "künstlich, papieren, zufallsbedingt" bestimmt (ebenda, S. 45 f.). Eine Änderung dieses burschenschaftlichen, "sicher fundierten Standpunkt[es] zum Nationalen" kommt für Wiltschegg nicht infrage, käme dies doch einer Kapitulation gleich. "Echtes Nationalbewußtsein [...], offenes Bekenntnis zum eigenen Volk und seiner Geschichte, auch Widerstand gegen Überfremdung stellen unstreitig Werte dar, mächtige Kräfte, die das Selbstbewußtsein stärken und den Menschen Zuversicht verleihen." (Ebenda, S. 50; zur Geschichte des "Überfremdungs"-Begriffs, der bei Erscheinen der Festschrift noch als einigermaßen verlässlicher rhetorischer Marker für die Zugehörigkeit zur (neo)nazistischen Szene gelten konnte, vgl. FPÖ gegen Überfremdung >>). Gemessen an der in den Grundsätzen der Verbindung formulierten Maßgabe, wonach der national-freiheitliche Gedanke "nicht menschenverachtend-chauvinistisch" interpretiert werden dürfe (ebenda, S. 9), offenbaren diese Zeilen eine gewisse Inkohärenz.
Demokratieskepsis
Wie jeder Nationalismus steht auch der deutsche burschenschaftlicher Prägung in einem Spannungsverhältnis zur Idee menschlicher Gleichheit und damit zur Grundprämisse liberaler Demokratie. Dies unterstreicht Wiltschegg, der sich gegen "Masseneinwanderung" ausspricht, da diese "[g]egen jede geschichtliche Erfahrung (bei wenigen Ausnahmen) [...] auf der 'totalen Gleichheit aller Menschen'" basiere (Marko-Germania 1994, S. 45). Das erwähnte Spannungsverhältnis wird insbesondere dort zuungunsten des Demokratischen aufgelöst, wo der Nationalismus als völkischer auftritt und ein Primat des Nationalen andere ideengeschichtliche Traditionslinien in den Hintergrund drängt. So wird, wie erwähnt, schon in den Grundsätzen der Marko-Germanen zwar ein Bekenntnis zum "Anrecht [jedes Volkes] auf sein Vaterland und seine Heimat" abgelegt, nicht aber ein solches zur Demokratie (Marko-Germania 2016). Der Vorrang des völkischen Nationalismus findet auch in der positiven Bezugnahme auf die Teilnahme von Burschenschaftern am "Südtiroler Freiheitskampf" – und damit auch an Anschlägen mit Todesopfern und zahlreichen Verletzten – Ausdruck, die überdies von der Akzeptanz physischer Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung zeugt (vgl. Marko-Germania 1994, S. 13).
Als zweite Quelle der von den Marko-Germanen an den Tag gelegten Vorbehalte gegenüber dem Gleichheitsgedanken ist neben dem völkischen Nationalismus der von ihnen vertretene Elitarismus zu bestimmen: Rücker zufolge sollte "[n]ach Jahrzehnten sozialistischer Gleichmacherei [...] auch wieder daran gegangen werden, ein neues und gesundes Verhältnis zum Begriff der Elite zu finden; einer Elite, die sich auf Ethos und Leistung gleichermaßen bezieht, weg von der Ideologie der Masse" (ebenda S. 32). Die Vorbehalte gegen die "Masse" und damit gegen den demokratischen Souverän teilt auch Gastautor Jürgen H., der die Ansicht vertritt, dass die Verbindungen "einem elitären Rollenbild gerecht werden" müssten (ebenda, S. 41). Entsprechend der burschenschaftlichen Weltsicht realisiert die Elite sich in der Form des Männerbundes, zu dem die Marko-Germanen sich offensiv bekennen (vgl. Marko-Germania 2016).
Das Gleichheitspostulat stellt nicht den einzigen Eckpfeiler liberaler Demokratie dar, dem die Verbindung mit Skepsis begegnet: "Als wertkonservative Gemeinschaft" müsse die Burschenschaft sich "dem gefährlichen Begriff 'Pluralismus' [...] entgegenstellen", führt die Festschrift-Einleitung aus (Marko-Germania 1994, S. 13). Abgerundet wird die burschenschaftliche Demokratieskepsis durch einen Antiindividualismus, der sich "[i]n der Zeit des vergesellschafteten Einzelmenschen" der "Bewahrung von Gemeinschaften" verschreibt – als "Trutzburgen für diejenigen, die sich nicht der liberalen Gesellschaft [...] ausliefern wollen." (Jürgen H., ebenda, S. 41) Im Einklang damit verficht Rolf Rücker das Prinzip der "Unterordnung des Einzelnen unter die selbstgegebenen Gesetze der Gemeinschaft" (ebenda, S. 36).
Literatur und Quellen
Jess, Hartmut (2015): Specimen Corporationum Cognitarum. Ulsnis: Eigenverlag
Krause, Peter (2007): Studiosus Austriacus. Wien: Österreichischer Verein für Studentengeschichte
Marko-Germania zu Pinkafeld, technische Burschenschaft (1994): Festschrift. Pinkafeld: Eigenverlag
Marko-Germania zu Pinkafeld, pennal-conservative Burschenschaft (2016): Beschreibung, verfügbar unter https://www.facebook.com/groups/markogermania/ (= Vereinsinformation, verfügbar unter http://www.pinkafeld-online.at/?mmid=1&smid=27&offset=50&ID=10&action=detail&detailID=73&ArtikelID=240), abgerufen am 12. 2. 2016)