Gerichte der Deutschen Wehrmacht fällten mehr als 30.000 Todesurteile allein gegen Wehrmachtangehörige (etwa 50.000 waren es insgesamt), davon wurden zwischen 20.000 und 23.000 vollstreckt. Drakonische Strafen dienten der Abschreckung und sollten die Kampfkraft und Moral der Truppe bis zuletzt aufrechterhalten. Insbesondere die mit 26. 8. 1939 in Kraft getretene Kriegssonderstrafrechtsverordnung und ihre Ergänzungsverordnungen waren ein wirkungsvolles Instrument gegen alle Formen dissidenten Verhaltens; § 5a regelte beispielsweise die Überschreitung des regelmäßigen Strafrahmens und drohte Gefängnis-, Zuchthaus- und eben auch die Todesstrafe bei allen strafbaren "Handlungen gegen die Manneszucht oder das Gebot soldatischen Mutes" an, "wenn es die Aufrechterhaltung der Manneszucht oder die Sicherheit der Truppe erfordert". Die gleichzeitig mit der Kriegssonderstrafrechtsverordnung in Kraft getretene Kriegsstrafverfahrensordnung beschleunigte und vereinfachte die kriegsgerichtliche Aburteilung: Das Verfahren wurde in einer Instanz abgewickelt, dem Verurteilten standen keinerlei Rechtsmittel gegen das Urteil zu, Bestätigung und Nachprüfung oblagen den jeweiligen Gerichtsherren, in deren Ermessen auch Gnadenverfahren lagen.
Hochgerechnet rund 2000 Österreicher wurden von der NS-Militärjustiz - wegen Wehrdienst- und Kriegsdienstverweigerung, Desertion, "Selbstverstümmelung", "Feigheit vor dem Feind" etc. - zum Tode verurteilt und auch hingerichtet. Tausende andere wurden mit Gefängnis oder Zuchthaus bestraft, viele von ihnen fanden in der Haft in Straflagern der Wehrmacht oder der Reichsjustizverwaltung, beim Einsatz in Feld-Strafgefangenenabteilungen und Bewährungseinheiten den Tod.
"Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit" | Franz Zeiner (1909 - 1940)
"... keine Hoffnung auf Milderung" | Franz Mattischek (1915 - 1939)
"Hier Christus - da Belial" | Franz Reinisch (1903 - 1942)
"Mich finden sie nicht" | Johann Wimmer (1923 - 1944)
"Es wäre eilig" | Emil Ifkovics (1924 - 1944)
Fahnenflucht | Ernst Hallinger (1907 - 1944)
"... starke Schmerzen, körperlich als auch seelisch" | Karl Lauterbach (1924 - 1945)
Feuerwechsel | Johann Reiter (1898 - 1940)
"... Vorgesetzteneigenschaft in schändlicher Weise missbraucht" | Kurt Grabenhofer (1922 - 1944)
"... in Feuer und Flamme geraten" | Friedrich Leinböck-Winter (1920 - 1943)
Kriegsmarine | Erich Hofstätter (1919 - 1945)
Noch Jahrzehnte nach Kriegsende wurden Kriegsdienstverweigerer und Deserteure als "Verräter" und "Feiglinge" gebrandmarkt. Erst ab Mitte der 1990er-Jahre wurden zunächst in der BRD (dort wurden die Opfer der NS-Militärjustiz durch den Deutschen Bundestag 2002 pauschal rehabilitiert), dann auch in Österreich mehrere Urteile der NS-Militärgerichtsbarkeit aufgehoben. Insbesondere Initiativen von Seiten der Grünen zur Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz führten 1999 zu einem Beschluss des österreichischen Nationalrats (gegen die Stimmen der FPÖ) betreffend die "Rehabilitation der Deserteure der Wehrmacht". Eine ForscherInnengruppe unter Leitung von Walter Manoschek (Universität Wien) wurde einberufen und legte im Frühjahr 2003 einen umfangreichen Bericht über die Untersuchung von über 3000 Verfahren vor (Opfer der NS-Militärjustiz. Urteilspraxis — Strafvollzug — Entschädigungspolitik in Österreich).
2005 wurden im Rahmen des Anerkennungsgesetzes durch eine Novelle zum Opferfürsorgegesetz die Opfer der NS-Militärjustiz (ebenso wie die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und die als angeblich "asozial" Verfolgten) als NS-Opfer anerkannt. Ebenfalls im Anerkennungsgesetz 2005 enthalten ist das Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte, das sich mit der Rehabilitierung von Opfern der NS-Militärgerichtsbarkeit durch Aufhebung der Urteile befasst.
Seit Dezember 2009 schließlich ist das Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz in Kraft, mit dem alle Opfer der NS-Militärjustiz ebenso wie der Erbgesundheitsgerichte und des Volksgerichtshofs pauschal und umfassend rehabilitiert sind. Eine späte Gerechtigkeit, die die zunehmende gesellschaftliche Wahrnehmung von "Delikten" wie Desertion aus der Deutschen Wehrmacht als nicht nur legitime, sondern notwendige Widerstandshandlungen widerspiegelt.
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