Im Prozess gegen 17 Kader der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) am Grazer Straflandesgericht wurde am 26. Juli 2018 das – noch nicht rechtskräftige – Urteil verkündet. Die Angeklagten wurden in den Hauptanklagepunkten (Verhetzung und Bildung bzw. Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung) freigesprochen. Gegen zwei Angeklagte ergingen Verurteilungen wegen Sachbeschädigung bzw. wegen Körperverletzung und Nötigung.
Aus Sicht des DÖW verweist der vorläufige Ausgang des Prozesses auf einen wenig beachteten Aspekt der Novellierung des Verhetzungsparagraphen (§ 283 StGB) 2015. Während die Novelle im Allgemeinen als "Verschärfung" rezipiert wurde, enthielt sie in einem Punkt auch eine Aufweichung: in Art. 1 Abs. 2 (Verletzung der Menschenwürde oder Verächtlichmachung geschätzter Gruppen) wurde das Kriterium einer (bedingten) Vorsätzlichkeit eingeführt. Demnach ist es für eine Verurteilung nicht hinreichend, den objektiv hetzerischen Charakter von Aussagen nachzuweisen, was im Fall der IBÖ nach Einschätzung des DÖW durchaus argumentierbar wäre. Vielmehr muss nachgewiesen werden, dass den Aussagen eine entsprechende Absicht zugrunde lag, und damit eine Hürde errichtet, die im gegenständlichen Verfahren nach Dafürhalten des Gerichts offenbar nicht überwunden wurde.
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass das Kriterium der Vorsätzlichkeit nur im Absatz zwei des Art. 1 enthalten ist, nicht aber im ersten Absatz, der Gewaltaufrufe oder Aufstachelung zu Hass sanktioniert. Dass das Gericht auch hier kein hinreichendes Tatsachensubstrat vorliegen sah, nehmen wir zur Kenntnis und verweisen gleichzeitig auf unsere Ausführungen zur "identitären" Gewaltdisposition, die durch einige im Zuge der polizeilichen Ermittlungen zum gegenständlichen Verfahren sichergestellte Beweisstücke zusätzlich untermauert wurden.
Losgelöst vom konkreten Anlassfall ist einmal mehr zu unterstreichen, dass Rechtsextremismus in Österreich nur in seiner neonazistischen Variante (Verbotsgesetz) verboten ist – sowie in jenen Äußerungsformen, die Verhetzung im Sinne des Gesetzestextes verwirklichen. Die von der IBÖ vorgenommene rhetorische Modernisierung des altrechten Projekts einer ethnischen Homogenisierung hat den Rechtsextremismus ein Stück weit gegen juristische Verfolgung immunisiert, wie das vorliegende Urteil dokumentiert. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass angesichts der erwähnten Rechtslage ein Freispruch vom Vorwurf der Wiederbetätigung oder der Verhetzung nicht als verlässlicher Nachweis einer nicht-rechtsextremen Ausrichtung dienen kann.
Das DÖW sieht vor diesem Hintergrund keinen Anlass, von seiner Einstufung der IBÖ als rechtsextrem (siehe: Identitäre Bewegung Österreich/IBÖ) abzuweichen. Insofern der Gruppierung auch ein neofaschistischer Charakter attestiert werden kann, verweisen wir auf Artikel 9 des Staatsvertrags von Wien, Absatz 2, wonach Österreich sich völkerrechtlich verpflichtet hat, "alle Organisationen faschistischen Charakters aufzulösen".
Angesichts der erwähnten Limitationen des gesetzlichen Instrumentariums bleibt abschließend festzuhalten, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus nur in manchen Fällen mit strafrechtlichen Mitteln erfolgen kann. Sie bleibt vorrangig eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.