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Erinnerungskultur und Vergangenheitspolitik im Burgenland

Eine Dokumentation und Analyse der zeitgeschichtlichen Erinnerungszeichen, errichtet im Gedenken an die Opfer des Faschismus und des Nationalsozialismus

 

2006 abgeschlossen

In Kooperation mit dem "Verein zur Erforschung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen und ihrer Aufarbeitung", der Karl-Franzens-Universität Graz/Abteilung Zeitgeschichte und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Forschungsprogramm "Orte des Gedächtnisses")

 

Projektleitung: Univ.-Doz. Mag. Dr. Heidemarie Uhl (Akademie der Wissenschaften, Karl-Franzens-Universität Graz)

Projektbetreuung: Mag. Dr. Lisa Rettl, Mag. Brigitte Straubinger, Mag. Susanne Uslu-Pauer

 

Ziel des Projekts Erinnerungskultur und Vergangenheitspolitik im Burgenland war die Dokumentation, Auswertung und Analyse jener zeitgeschichtlichen Erinnerungszeichen im Burgenland, die im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und Faschismus seit 1945 errichtet wurden. Die historischen Bezugspunkte dabei bildeten Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung in den Jahren von 1934 bis 1945. Angeknüpft wurde an Fragestellungen bzw. Strukturen von bereits publizierten bzw. noch in Publikation befindlichen Dokumentationen der Erinnerungszeichen in Wien sowie in Niederösterreich und in der Steiermark. Die Finanzierung erfolgte durch den Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank.

 

Die Besonderheiten des Projekts liegen sowohl im Bereich der Dokumentation als auch der Analyse: Die Erinnerungszeichen werden systematisch und fotodokumentarisch erfasst sowie mit Kurzbeschreibungen versehen. In einem weiteren Schritt erfolgt eine Auswertung und Analyse hinsichtlich regionaler, sozio-kultureller und politischer bzw. bundeslandspezifischer Erscheinungsmerkmale von Erinnerungsformen. Diese Analyse wird eingebettet in den wissenschaftlichen Diskurs zur österreichischen Gedenkkultur und deren politisch-kulturellen Ausdifferenzierungen.

 

Das Projektteam (Dr. Mag. Lisa Rettl, Mag. Brigitte Straubinger, Mag. Susanne Uslu-Pauer) geht davon aus, dass sich im Burgenland - im Unterschied zu anderen Bundesländern - eine offizielle Gedächtniskultur entwickelt hat, die neue gedächtniskulturelle Akzente setzte bzw. setzt. Mehrere Initiativen durch Vereine, Verbände und Einzelpersonen ab den 1980er-Jahren lassen auf eine Neuorientierung der offiziellen Gedächtniskultur im Burgenland schließen. Dabei ist vor allem auf die im Juli 2001 erfolgte Entschließung des Burgenländischen Landtags zu verweisen, in dem die Errichtung von Gedenkstätten/-tafeln in den Heimatgemeinden von WiderstandskämpferInnen und Opfern des Nationalsozialismus angeregt wurde. Diese Entschließung war nicht nur einzigartig in Österreich, sondern setzte für die Diskussion um Gedächtnis- und Erinnerungskultur im Burgenland neue Impulse, die - wie sich mittlerweile herausstellte - lediglich bescheidene Erfolge erzielten.

 

Die Gesamtkonzeption des Projekts bzw. erste Forschungsergebnisse hat die Forschungsgruppe im September 2005 auf einem zweitägigen Workshop mit dem Titel Erinnerungskultur im Burgenland. Gegenwärtige Perspektiven - historische Kontexte in der Burgenländischen Volkshochschule in Eisenstadt zur Diskussion gestellt.

 

Diese ersten Resultate zeigen ein ambivalentes Bild: Einerseits ist das Burgenland - ebenso wie andere Bundesländer, lokal vielleicht noch ausgeprägter - durch die Abwehr gegenüber der oftmals unerwünschten Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes geprägt. So wurde Rechnitz österreichweit zum Symbol für eine Verweigerung des Gedenkens an die Ermordung von ungarisch-jüdischen ZwangsarbeiterInnen zu Kriegsende 1945, zugleich aber auch für das Engagement von Initiativen wie RE.F.U.G.I.U.S., die nachhaltig versuchen, die Erinnerung an diese Opfer wach zu halten. Und während in Lackenbach 1984 das erste österreichische Denkmal zur Erinnerung an die Verfolgung und Ermordung von Roma und Sinti errichtet wurde, wird an anderen Orten wie Kemeten die Errichtung einer Gedenktafel zur Erinnerung an die vertriebenen und ermordeten Roma noch heute dezidiert verweigert.

 

Gerade in jüngster Zeit sind allerdings auch vereinzelt Gedenkinitiativen auf Gemeindeebene zu verzeichnen, in denen bislang ausgeblendete Opfergruppen in die öffentliche Erinnerungskultur aufgenommen werden, etwa in Neudorf/Novo Selo oder Halbturn.

 

Der im Rahmen des Workshops organisierte Stadtrundgang zu Erinnerungszeichen in Eisenstadt zeigte vor allem auf, dass in Eisenstadt die neue Erinnerungskultur für die Opfer des NS-Regimes, die seit den 1980er Jahren die Denkmallandschaft vor allem in den Landeshauptstädten verändert hat, kaum Spuren hinterlassen hat. Während etwa in Wien das Holocaust-Denkmal am Judenplatz an die Ermordung jüdischer ÖsterreicherInnen durch das NS-Regime erinnert, während in Graz die im Jahr 2000 neu errichtete Synagoge im Stadtbild weithin sichtbar ist, ist das Gedenken an die Opfer "rassischer" Verfolgung in Eisenstadt nach wie vor kaum präsent. Die 1981 bzw. 1995 von den Opferverbänden durchgesetzten Gedenktafeln am Landhaus markieren zwar die Durchsetzung von langjährigen - und sehr lange erfolglosen - Forderungen der Opferverbände, ihnen fehlt aber die Aura einer monumentalen Zeichensetzung im öffentlichen Raum. Die architektonische Symbolik der 1991 errichteten Jubiläumssäule vor dem Landhaus, die auch an die NS-Opfer erinnern soll, ist ohne Hintergrundinformation praktisch unverständlich. Und wer kann von sich behaupten, dass er die nur schwer zugängliche Gedenktafel in Erinnerung an Pater Pieller in der Gruft der Franziskanerkirche schon gesehen hat?

Weiters gibt es in Eisenstadt bislang keine Gedenkstätte, die an die Opfer des Holocaust in Eisenstadt bzw. im Burgenland erinnert. Vielmehr: Die bestehenden Orte des Gedenkens für diese Opfer am Jüngeren Jüdischen Friedhof fallen nach wie vor dem öffentlichen Vergessen anheim. Der oft von meterhohem Gras überwachsene Friedhof ist - wie andere jüdische Friedhöfe - öffentlich nur bedingt zugänglich, der Schlüssel muss erst beim Portier des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder bzw. im Jüdischen Museum geholt werden. Im Eingangsbereich zum Friedhof in der Carl Moreau-Straße erinnert nichts an die Opfer des Holocaust, die hier in Massengräbern bestattet sind, ebenso wenig erinnert eine öffentliche Zeichensetzung an die jüdischen EisenstädterInnen, die der NS-Vernichtungspolitik zum Opfer gefallen sind. Die neue Erinnerungskultur ist in Eisenstadt offenkundig noch nicht angekommen, sie bedarf neuer Impulse und politischer Durchsetzungskraft.

 

 

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