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Georg Scheuer: Sind wir Trotzkisten?

Georg Scheuer, geb. 1915 in Wien. Mitglied des Kommunistischen Jugendverbands, 1935 Mitbegründer der Revolutionären Kommunisten (RKÖ), 1936 Festnahme, am 13. August 1937 im so genannten Wiener Trotzkistenprozess zunächst zu eineinhalb Haft verurteilt, der Oberste Gerichtshof erhöhte die Strafe auf fünf Jahre, Freilassung nach Generalamnestie für politische Gefangene im Februar 1938. Nach dem "Anschluss" 1938 über die ČSR Exil in Frankreich, bei Kriegsausbruch 1939 Internierung, 1940 nach Montauban im unbesetzten Frankreich, illegale Arbeit bis 1944.

 

Nach Kriegsende als Journalist in Frankreich lebend. 1991 Veröffentlichung seiner Erinnerungen "Nur Narren fürchten nichts. Szenen aus dem dreißigjährigen Krieg 1915-1945".

 

Verstorben 1996 in Wien.

 

 

Die Redaktion [der illegalen Zeitung "Bolschewik"] wurde faktisch von Josef Hindels, Karl Fischer und mir gebildet. Es wurden dann auch noch in gewissen Fragen hinzugezogen Genossen wie Wotruba, Reinwein, vielleicht auch der Niescher. Für gewisse Rubriken waren bestimmte Genossen verantwortlich, z. B. für Soldatenarbeit Franz Lederer, der auch seinen Militärdienst ableistete. Da war eine eigene Beilage im "Bolschewik", nicht von der ersten Nummer an, aber dann schon sehr bald: "Der Proletarier im Waffenrock". Ich möchte jetzt noch etwas sagen zum Stil und zur Ausdrucksweise dieser Zeitung, die sich wesentlich unterschied von anderen trotzkistischen Zeitungen. Überhaupt waren wir ja keine ausgesprochenen Trotzkisten. Wir haben auch diese Frage im "Bolschewik" gestellt: "Sind wir Trotzkisten?" und haben sie bedingt beantwortet. Nur eine Zeit lang erschien neben dem Untertitel "RKÖ (Trotzkisten)". Dann wurde das wieder weggelassen. Wir haben uns von Anfang an bewusst an ganz einfache Genossen und Genossinnen gewendet, an Jungarbeiter, Arbeitslose, direkt in Betrieben wurde der "Bolschewik" vertrieben und verbreitet. Es hat Betriebskorrespondenzen gegeben, echte, keine erfundenen, wie es manchmal in der KP-Presse der Fall war. Das war unser Ehrgeiz, dass wir diese Menschen ansprechen, ohne das theoretische Niveau zu senken. [...]

 

Das Echo war gut. Sehr gut. Das erkannten wir auch an den verschiedenen Versammlungen oder auch Briefen oder Korrespondenzen, auf Umwegen natürlich, nicht immer direkt, weil ja keine Zentraladresse da war. Das war also der Ehrgeiz, in gemeinverständlicher Weise klarzumachen, worum es geht, warum wir uns überhaupt verselbständigt hatten und wo wir hinauswollten. Darum bemühten wir uns in den ganzen Nummern. Gleichzeitig wollten wir aber auch aktuell bleiben, und die Aktualität des Jahres 1936 war zunächst einmal der Abessinienkrieg des Mussolini, von dem Österreich direkt betroffen war, weil Österreich mit dem faschistischen Italien verbündet war und beispielsweise Südtiroler auch eingezogen wurden zum Kolonialkrieg. Dann war es die Volksfrontbewegung, vielmehr die Massenstreiks in Frankreich, die hohe Wogen schlug. Es war ein fantastisches Jahr. Dann war es die Spanische Revolution, die im Juli 1936 ausbrach, und die Wien buchstäblich erbeben ließ. [Am 17. 7. 1936 brach in Spanisch-Marokko der Aufstand der Generäle gegen die Republik aus.] Das kann man sich gar nicht vorstellen. Wenn man bedenkt, was jetzt Südamerika hier für ein Echo hat, aber Südamerika ist auf der anderen Seite des Ozeans und Spanien war zum Greifen nahe.

 

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