A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W Z
Name russisch: Ленгиель Иосиф Павлович (Лендел Йожеф)
Geboren: 04.08.1896, Marcali (Komitat Somogy, Ungarn)
Beruf: Schriftsteller, Journalist
Letzter Wohnort in Österreich: Wien
Ankunft in Russland/Sowjetunion: 30.04.1930
Wohnorte in der Sowjetunion: Moskau, Aleksandrov (Vladimirskaja obl.), Makarovo (Krasnojarskij kraj)
Verhaftet: 21.02.1938, Moskau; 23.11.1948, Aleksandrov; 26.07.1954, Krasnojarskij kraj
Anklage: Mitgliedschaft in einer konterrevolutionär-trotzkistischen Organisation
Urteil: 23.04.1939, Sonderberatung (OSO), 8 Jahre Lagerhaft; 09.02.1949, Sonderberatung (OSO), unbeschränkte Verbannung; 1954, 5 Jahre Gefängnis; 1954, Aufhebung des Urteils
Gestorben: 14.07.1975, Budapest
Rehabilitiert: 25.06.1955, Militärkollegium des Obersten Gerichts
Emigrationsmotiv: KP-Emigration
Schicksal: überlebte
Jószef Lengyel wurde 1896 in Marcali im Komitat Somogy (südlich des Plattensees) geboren. Sein Vater war Fleischhauer. Zusammen mit dem späteren ungarischen Kulturminister József Révai begann Lengyel 1916 seine politische und journalistische Karriere. Während des Ersten Weltkrieges gehörte er einer pazifistischen Gruppe an, die dann geschlossen in die ungarische kommunistische Partei eintrat. Als Kommunist war er in der Ungarischen Räterepublik für eine Kulturzeitung tätig und flüchtete nach dem Sturz der Räteregierung 1919 nach Österreich, wo er bis 1927 in Wien lebte und österreichischer Staatsbürger wurde. Zwischen 1924 und 1927 war er Mitglied der KPÖ, zuvor hatte er sich einige Jahre für die Tolstojaner-Bewegung engagiert. 1927 übersiedelte Lengyel nach Berlin, weil er in Wien arbeitslos war. Dort wurde er in die KPD übernommen und war in Berlin Funktionär der Profintern und Redakteur der Zeitung Welt am Abend sowie Mitarbeiter der Filmgesellschaft Weltfilm.
Im April 1930 emigrierte er nach Russland. In Moskau fungierte er zuerst als Moskauer Korrespondent der Berliner Welt am Abend, arbeitete dann als Schriftsteller für den Verlag Советский писатель (Sowjetischer Schriftsteller), in dem auch seine Reportage über die Ereignisse der ungarischen Revolution erschien (Исторический репротаж, 1934). 1932 heiratete er die Musiklehrerin Nina Sergeevna Kizeval'ter. Er wurde Konsulent der Filmgesellschaft Межрабпомфильм, später arbeitete er in der ungarischen Sektion eines anderen Verlages. 1935 legte Lengyel seine österreichische Staatsbürgerschaft zurück und wurde Sowjetbürger. Ausschnitte aus seinem Roman Иностранцы (Ausländer) erschienen 1936 in der bekannten Literaturzeitschrift Oktjabr'.
Als er am 21. Februar 1938 das erste Mal verhaftet wurde, war Lengyel Kandidat für die Mitgliedschaft im sowjetischen Schriftstellerverband. Er "gestand", dass er Mitglied einer Terrorgruppe um Béla Kun war, und wurde am 23. April 1939 zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt, die er in Lagern bei Noril'sk und Kansk verbüßte.
Ende 1946 kam er frei, ließ sich in der Stadt Aleksandrov (im Gebiet Vladimir) nieder und betätigte sich als Übersetzer (u.a. übersetzte er Werke von Aleksej Tolstoj ins Ungarische) und Schriftsteller. 1948 stellte er beim Roten Kreuz einen Antrag auf Ausreise nach Ungarn. Am 23. November 1948 wurde er erneut verhaftet. Er weigerte sich im Gefängnis von Vladimir, ein Geständnis abzulegen und wurde am 9. Februar 1949 wegen Zugehörigkeit zu einer trotzkistischen Organisation zu unbeschränkter Verbannung in ein sibirisches Dorf verurteilt. Zwischen 1949 und 1954 musste er als Forstarbeiter in der Region Krasnojarsk sein Dasein fristen, außerdem litt er an Tuberkulose. In dieser Zeit heiratete er die Witwe des 1938 hingerichteten Ingenieurs der Kriegsmarine Lev Ancipo-Čikunskij, Ol'ga Ancipo-Čikunskaja(Анципо-Чикунская Ольга Сергеевна; verurteilt am 08.07.1938), die selbst neun Jahre im Gulag verbracht hatte. Am 26. Juli 1954 wurde Lengyel erneut verhaftet und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.
1954 wurde er rehabilitiert und konnte im August 1955 zusammen mit seiner zweiten Frau nach Ungarn ausreisen, wo er sich erfolgreich der Literatur widmete. Er zählt heute zu den Klassikern der ungarischen Literatur des 20. Jahrhunderts. In seinen Werken thematisierte er häufig seine Lagererfahrungen. Lengyel starb am 14. Juli 1975 in Budapest.
Quelle: gulag.memorial.de, GARF, lists.memo.ru