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Karl Lauterbach (1924 - 1945)

"... starke Schmerzen, körperlich als auch seelisch"

 

Opfer der NS-Militärjustiz

 

 

"Ich ersuchte Schindler, der mir von diesen Selbstverstümmelungen erzählte, mir den Arm zu brechen, um auf diese Weise meinen Urlaub zu verlängern. [...] In der Wohnung des Stonitsch waren schon die für das Armbrechen notwendigen Ziegelsteine vorhanden. Ich legte den rechten Arm auf die Steine und es wurde ein Tuch über die Hand gelegt, um event. Abschürfungen zu verhindern. Schindler sprang dann 5-mal vom Tisch mit seinen Stiefeln auf meinen Arm. Der Bruch gelang aber nicht, weil ich einen starken Arm habe. Ich hatte dabei starke Schmerzen, körperlich als auch seelisch."

 

Bei der Verhandlung vor dem Feldkriegsgericht der Division Nr. 177 schilderte Karl Lauterbach am 26. 10. 1944 seinen ersten (misslungenen) Versuch, sich den Arm brechen zu lassen; erst ein weiterer Versuch unter Betäubung mit Äther war erfolgreich.

 

Karl Lauterbach 

Karl Lauterbach aus Wien-Simmering (Foto: DÖW)

 

Ein solcher Versuch der (zeitweisen) Wehrdienstentziehung durch Selbstverstümmelung - durch eine absichtlich selbst oder durch andere herbeigeführte Verletzung oder Krankheit - wurde als "Zersetzung der Wehrkraft" mit der Todesstrafe, in minder schweren Fällen mit Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen geahndet. Mit zunehmender Kriegsdauer - nach der deutschen Niederlage bei Stalingrad im Jänner 1943 und insbesondere nach der Invasion der Westalliierten in Frankreich im Juni 1944 schien für viele das Kriegsende absehbar - stieg die Zahl von Selbstbeschädigungen an. Die "Täter" waren meist junge Männer wie Karl Lauterbach (geboren am 20. 12. 1924), ein Mechaniker aus dem Arbeiterbezirk Wien-Simmering.

 

Lauterbach gehörte dem Kommunistischen Jugendverband an. Nach seiner Einberufung zur Wehrmacht im Oktober 1942 war er vom Februar 1942 bis Dezember 1943 an der Front in Russland im Einsatz. Gegen Ende eines Genesungsurlaubs in Wien versuchte er 1944 durch zwei aufeinander folgende Armbrüche, seine Rückkehr zur Truppe zu verhindern; um die Verletzungen zu erklären, täuschte Lauterbach Unfälle an einem öffentlichen Ort vor. Er selbst brach zwei anderen Soldaten auf deren Bitte hin den Arm.

 

Das gehäufte Auftreten von Knochenbrüchen und Gelenksverletzungen bei Soldaten fiel auch den NS-Behörden in Wien auf. Oberfeldrichter Karl Everts (Feldgericht der Division Nr. 177) konnte durch Einschleusen eines Spitzels in das Reservelazarett XIa eine Reihe von Verdächtigen eruieren, die bei den Verhören auf Everts Befehl gefoltert wurden, um Geständnisse zu erreichen. Bei einer der darauf folgenden Gerichtsverhandlungen begründete er dies so: "Wenn zeitlich und örtlich bestimmte Verbrechen geradezu seuchenartig auftreten, die am Marke und an der Wehrkraft eines Volkes, welches einen Kampf auf Leben und Tod führt, rütteln, dann müssen und können auch gegebenenfalls Mittel zur Anwendung gebracht werden, die geeignet sind, derartige Verbrecher zum Sprechen zu bringen."

 

Lauterbach wurde am 26. 10. 1944 vom Feldgericht der Division Nr. 177 "wegen Zersetzung der Wehrkraft in 4 Fällen, begangen je durch Selbstverstümmelung" zum Tode verurteilt. Am 5. 2. 1945 teilte das Gericht der Division Nr. 177 der Wehrmachtkommandatur Wien mit, dass der Reichsführer SS das Todesurteil gegen Lauterbach und 13 weitere Soldaten bestätigt, "einen Gnadenerweis für die Verurteilten abgelehnt und die sofortige Erschießung der Verurteilten noch vor Aktenwiedereingang befohlen" habe: "Zu dem Hinrichtungstermin bitte ich möglichst Angehörige sämtlicher Wiener Truppenteile in größerer Zahl als Zuschauer zu befehlen."

 

Wie angeordnet wurden die 14 Soldaten am Morgen des 7. 2. 1945 auf dem Militärschießplatz Wien-Kagran erschossen, die Vollstreckung leitete Oberfeldrichter Everts.

 

 

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