Mit der für den 10. April 1938 angesetzten "Volksabstimmung" sollte der bereits vollzogene "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich innen- und außenpolitisch möglichst eindrucksvoll bestätigt werden. Von der "Volksabstimmung" ausgeschlossen waren insgesamt 300.000 bis 400.000 Menschen: Juden und Jüdinnen, Roma und Sinti sowie bekannte politische GegnerInnen des NS-Regimes. Eine bestens organisierte Propagandaschlacht ebenso wie Einschüchterung und Terror sorgten in Österreich für ein Ergebnis von 99,73 Prozent "Ja"-Stimmen für die "Wiedervereinigung" mit dem Deutschen Reich.
"Nach § 2 Abs. 1 der Abstimmungsverordnung ist vom Stimmrecht bei der Volksabstimmung am 10. April 1938 ausgenommen, wer Jude ist oder als Jude gilt. […]
6. Durchführungserlass des Bundeskanzleramts (Inneres) für die "Volksabstimmung", |
"Wer das Stimmrecht ausübt, trotzdem er vom Stimmrecht ausgeschlossen oder Jude ist oder ihm bekannt ist, daß er von mindestens drei volljüdischen Großeltern abstammt oder aber als Mischling (mindestens zwei jüdische Großeltern) mit einer jüdischen Person verheiratet ist, hat diesen Wahlausweis sofort an das Gemeindeamt zurückzusenden und hat von der Wahl fernzubleiben. andernfalls setzt er sich schwerer Bestrafung aus."
Wahlausweis für die "Volksabstimmung und Wahl zum Großdeutschen Reichstag am |
Roma und Sinti dürfen nicht in die Stimmlisten aufgenommen werden.
Anordnung der Burgenländischen Landeshauptmannschaft, 17. März 1938 |
"Gegen Ihre Aufnahme in die Stimmliste zur Volksabstimmung am 10. April 1938 wurde Einspruch erhoben mit der Begründung, dass sie infolge bewiesener betont feindseliger Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus nicht stimmberechtigt seien."
Gemeindeamt der Stadt Freistadt an Ludwig Hermentin, 30. März 1938
Ludwig Hermentin (1896–1945) gehörte im "Ständestaat" der Vaterländischen Front an und war ab 1937 im Freistädter Gemeindetag vertreten. Er war ab 13. März 1938 für kurze Zeit im Gemeindearrest Freistadt inhaftiert, blieb aber als Geschäftsführer der Landkrankenkasse im Amt. 1944 initiierte er eine Widerstandsgruppe ("Neues freies Österreich"), die u. a. Geldspenden zur Unterstützung von Häftlingen und KZ-Insassen sammelte und nach dem erwarteten Zusammenbruch des NS-Regimes die örtliche Infrastruktur (Gemeindeamt, Postamt, Gendarmerie, Schulen etc.) vor der Zerstörung bewahren wollte. Hermentin wurde im Oktober 1944 festgenommen und am 26. Februar 1945 vom Volksgerichtshof wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" und "Feindbegünstigung" zum Tode verurteilt. Er wurde am 1. Mai 1945 mit zwölf weiteren WiderstandskämpferInnen, darunter mehrere Angehörige der Freistädter Gruppe, auf dem Militärschießplatz Treffling (OÖ) erschossen. |
Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, |
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