Das DÖW trauert um seinen langjährigen Mitarbeiter Dr. Gerhard Ungar, der am 18. Mai 2021 verstarb.
Mit Gerhard Ungar verliert das DÖW einen Mitarbeiter und Kollegen, dessen Name untrennbar mit der Erfassung der österreichischen Holocaustopfer sowie der Opfer politischer Verfolgung verbunden ist. Ohne seine profunden Kenntnisse digitaler Datenverarbeitung einerseits, seiner Fähigkeit zur Archivrecherche andererseits wären diese auch international hoch geachteten Projekte nicht möglich gewesen. Es ist nicht zuletzt sein Verdienst, dass die Namen der österreichischen Holocaustopfer auch in internationalem Zusammenhang von allen Interessierten, vor allem aber auch von den Nachkommen der Opfer nicht nur im DÖW, sondern beispielsweise auch bei der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem, auf deren Anregung dieses Projekt zurückging, oder beim Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin abgerufen werden können.
Als promovierter Historiker bearbeitete Gerhard Ungar am DÖW unter anderem die zweibändige Dokumentation Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934–1945 (1991) sowie die Publikation von Auszügen biographischer Interviews im Band Jüdische Schicksale (1993, Reihe Erzählte Geschichte) und betreute die Wiener Fassung der Ausstellung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Der Kreisauer Kreis – Porträt einer Widerstandsgruppe im Adolf-Czettel-Bildungszentrum. Im Rahmen seiner beruflichen Laufbahn entwickelte sich Gerhard Ungar zu einem anerkannten Experten für digitale Datenverwaltung. Auf diesem Gebiet befand er sich unter den Pionieren des damals noch neuen methodischen Ansatzes historischer Forschung, den er in die Arbeit des DÖW integrierte und im Rahmen dessen er umfangreiche Datenbanken mit mehreren hunderttausend Datensätzen erstellte – die Basis für die oben genannten Projekte.
Insbesondere seine Kooperation mit anderen Datenbankexperten verschiedener KZ-Gedenkstätten zwecks gegenseitigen Informationsaustauschs sowie im Zusammenhang mit der Digitalisierung von 144.000 Karteikarten des Wirtschaftsverwaltungshauptamts der SS zum Zwangsarbeitseinsatz von KZ-Häftlingen aus dem Besitz des Deutschen Bundesarchivs und des polnischen Roten Kreuzes fand international weite Beachtung und lieferte in vielen Fällen wertvolle Zusatzinformationen zu einzelnen Häftlingsschicksalen für die namentliche Erfassung der Holocaustopfer und schlussendlich für die Datenbasis der Namensmauern-Gedenkstätte, die auf Anregung des Holocaustüberlebenden Kurt Tutter in Wien im Ostarrichi-Park errichtet wird; im März 2021 wurde die erste Steintafel enthüllt. Ohne die Leistungen Gerhard Ungars wäre dies nicht möglich gewesen.
Auch nach seiner Pensionierung 2019 hat Gerhard Ungar weiterhin dem DÖW seine Expertise, insbesondere im Bereich der laufenden Aktualisierung der Datenbanken, zur Verfügung gestellt. An mehreren Publikationen, die von MitarbeiterInnen des DÖW in den letzten Jahren zu Themen der Holocaustforschung vorgelegt wurden, hat er bis vor wenigen Wochen durch die Erarbeitung von Detailinformationen zu Deportierten, Ermordeten und Überlebenden unermüdlich mitgewirkt.