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Österreichische NS-Täter und die Justizgeschichte der Nachkriegsjahre

Besuch von Botschafter Rodgold, Bildungsminister Polaschek und Claudia Kuretsidis-Haider (DÖW) im WStLA

Am 28. September 2022 hat der israelische Botschafter Mordechai Rodgold in Begleitung von Bildungsminister Martin Polaschek und Claudia Kuretsidis-Haider von der Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz am DÖW das Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA) besucht. Gemeinsam mit Direktorin Brigitte Rigele haben sie das im WStLA aufbewahrte Strafverfahren des Wiener Straflandesgerichts gegen den Arzt Georg Franz Meyer eingesehen, der beschuldigt wurde, im KZ Auschwitz von Juli bis Oktober 1942 durch Selektionen und tödliche Injektionen Jüdinnen und Juden getötet zu haben. Zu dieser Zeit war auch der Großvater des Botschafters, Mordka Rotgold, Häftling in Auschwitz und wurde dort am 30. Juli im Alter von 36 Jahren ermordet.


Die Staatsanwaltschaft Wien legte Meyer darüber hinaus zur Last, Anfang 1943 der erste Lagerarzt im KZ Vught/Herzogenbusch und als solcher mitverantwortlich für die schlechte Behandlung der kranken Häftlinge gewesen zu sein. Zudem soll er den Tod zahlreicher Gefangener, vor allem jüdischer Kinder, zu verantworten gehabt haben. Die staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen gegen Meyer standen Anfang der 1960er Jahre am Beginn eines großen Strafverfahrens wegen Verbrechen im KZ Auschwitz, das im Laufe der darauffolgenden Jahre auf mehr als 60 Personen ausgeweitet wurde. Am 21.3.1973 zog die Staatsanwaltschaft die Anzeige gegen Meyer und einen Mitbeschuldigten zurück. 1984 wurde neuerlich ein Verfahren gegen ihn eingeleitet, jedoch nach kurzer Zeit wieder eingestellt. So konnte Meyer - gerichtlich unbelangt - nach 1945 über mehrere Jahre die Forschungsstation Ultraschall im Krankenhaus Lainz leiten und ab 1949 bis zu seiner Pensionierung 1981 als Allgemeinmediziner in Wien praktizieren.


Mordechai Rodgold bekam laut Tweet "einen Einblick in die erschütternde Justizgeschichte der Nachkriegsjahre". Claudia Kuretsidis-Haider betonte den Quellenwert von Gerichtsakten zu NS-Verbrechen sowie die Wichtigkeit ihrer Archivierung, unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens. Mit dem Wiener Stadt- und Landesarchiv verbindet das DÖW eine jahrelange gute Zusammenarbeit.

Lesetipp: Claudia Kuretsidis-Haider, Johannes Laimighofer, Siegfried Sanwald: Auschwitz-Täter und die österreichische Nachkriegsjustiz. In: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.): Täter. Österreichische Akteure im Nationalsozialismus (Jahrbuch 2014). Wien 2014.
Online unter: https://www.doew.at/cms/download/f1s1n/jb2014_kuretsidis_et_al.pdf

 

 

 

 

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