14. Dialogforum Mauthausen, 29. bis 30. September 2023 / Bewerbungen bis 6. Juni 2023
Die Verfolgung queerer Personen während des Nationalsozialismus ist ein Forschungsbereich, der erst ab den 1970er-Jahren von der geschichtswissenschaftlichen Forschung aufgegriffen wurde. Bedingt durch die teilweise Entkriminalisierung von Homosexualität in manchen Ländern Europas wie Österreich und Deutschland, widmeten sich Historiker*innen zuerst aus biografie- und später aus strukturgeschichtlicher Perspektive der Verfolgung queerer Personen – vornehmlich queeren Männern. Unter § 175 des Strafgesetzbuchs wurden homosexuelle Handlungen zwischen Männern bzw. Handlungen zwischen Männern, die als Homosexuelle denunziert wurden, unter Strafe gestellt. Der Paragraf bildete eine Grundlage für die Inhaftierung von queeren Männern in NS-Haftstätten und Konzentrationslager.
Wenngleich der Verfolgung queerer Frauen nicht dieselbe Systematik innewohnte, so wurden gleichgeschlechtliche Handlungen zwischen Frauen in Österreich nach § 129 strafrechtlich verfolgt und verurteilt. In NS-Deutschland gab es diesen Paragrafen zwar nicht, auffälliges Verhalten wie Gender-Nonkonformität konnte aber dennoch die Aufmerksamkeit der NS-Behörden wecken – meist durch Denunziation – und die Deportation in ein KZ zur Folge haben. Neben der ohnehin schon spärlichen Quellenlage kommt hinzu, dass queeren Frauen in Konzentrationslagern keine spezielle Haftkategorie (wie § 175 für Männer) zugewiesen wurde und sie meist aufgrund anderer Gründe als ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden.
Der Begriff „Spurensuche“ wird besonders in Hinblick auf die Forschung zu queeren Personen im NS von Wissenschafter*innen immer wieder genannt und spiegelt die marginale Quellenlage und auch die Kontinuität homophober Gesetze und Haltungen innerhalb der Nachkriegsgesellschaft wider. Doch wie kann zu Personen geforscht werden, die ihre Gender-Identität jenseits binärer Normen verorteten? Wie können Wissenschafter*innen Gender-Identitäten im Kontext des NS untersuchen, wenn kaum Selbstzeugnisse vorliegen, ohne Fremdzuschreibungen vorzunehmen? Wie können Begrifflichkeiten, die sich erst in den letzten Jahrzehnten etabliert haben, in der historischen Forschung angewandt werden, ohne den Vorwurf der „Geschichtsverfälschung“ zu ernten?
All diesen Fragen soll beim 14. Dialogforum Raum gegeben werden. Die Konferenz soll eine Austauschplattform für Wissenschafter*innen und Aktivist*innen sein, die zu Themen der „Queer History“ im Kontext des Nationalsozialismus forschen. Gefragt sind Beiträge zu folgenden Themenkomplexen:
• Verfolgung queerer Personen während des Nationalsozialismus sowie der Kriminalisierung und Legalisierung in den post-nationalsozialistischen Gesellschaften
• gleichgeschlechtliches Begehren/gleichgeschlechtliche Intimität, Gender-Nonkonformität, sexuelle Dienstleistungen, homophobe Strukturen, Handlungen und Deutungen in Konzentrationslagern, anderen NS-Haftstätten und innerhalb der NS-Gesellschaft
• Erinnerungskultur und Gedenken an queere Personen und gesellschaftliche und politische (Nicht-)Anerkennung als Opfer des NS-Terrors
• Verhältnis von Homophobie und Heteronormativität im Bereich der KZ-Forschung
Bitte bewerben Sie sich bis zum 6. Juni 2023 mit einem Abstract und einem Kurz-CV bei der Forschungsstelle der KZ-Gedenkstätte Mauthausen | Mauthausen Memorial unter: comments@mauthausen-memorial.org
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