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Stellungnahme betr. Josef Friedrich Perkonig

von Claudia Kuretsidis-Haider, DÖW

Wien, am 27. September 2024

 

Im Archiv des DÖW befindet sich eine Kopie eines Berichts aus dem Reichspropagandaamt Abt. II (Referent Eduard Frauenfeld) v. 5.5.1938 (DÖW 11.213) mit Äußerungen von „prominenten Persönlichkeiten“, die für die Volksabstimmung am 10.4.1938 um eine „Ja“-Stimme für den „Anschluss“ an NS-Deutschland geworben haben. In diesem Kreis findet sich neben dem Schriftsteller Karl Heinrich Waggerl, dem Dirigenten Karl Böhm, dem Staatsoperndirektor Erwin Kerber, der Schauspielerin Paula Wessely sowie Mitgliedern des Burgtheaters und des Musikvereines der Schriftsteller Josef Friedrich Perkonig.


Josef Friedrich Perkonig, der einer slowenisch-deutschsprachigen Familie entstammte, bewegte sich bereits in seiner Jugendzeit in deutsch-nationalen Kreisen, war Mitglied einer einschlägigen Burschenschaft und engagierte sich schon früh in anti-slowenischen Zusammenhängen. Sowohl in politischer als auch in literarischer Weise zählte er zu den Protagonisten des Kärntner „Abwehrkampfes" und war Unterstützer der Volksabstimmung 1920, wofür er ausgezeichnet wurde. Im Austrofaschismus, der ihm einen politischen Karrieresprung einbrachte (1934 bis 1938 bekleidete er politische Funktionen sowohl im Gemeinderat der Stadt Klagenfurt als auch im ständischen Kärntner Landtag), vernetzte er sich exzellent mit Vertretern der illegalen NSDAP und setzte zahlreiche literaturpolitische Manifestationen auf NS-Seite. Er trat für eine „Verschwisterung von Nationalsozialismus und Ständestaat“ ein. Beruflich arbeitete er dabei eng mit Alois Maier-Kaibitsch, später als hochrangiger NS-Funktionär für die menschenverachtende Kärntner Slowenenpolitik bis 1945 verantwortlich und 1947 deshalb vom Volksgericht Graz, Außensenat Klagenfurt, zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, zusammen. Perkonigs NSDAP-Mitgliedschaft datiert vom 1. Mai 1938, dem Sammeldatum für „verdiente" österreichische Nationalsozialisten, die bereits vor dem „Anschluss“ der in Österreich verbotenen NSDAP angehörten. Die Mitgliedsnummer stammt aus dem für diesen Zweck reservierten Kontingent. Aufgrund seiner Tätigkeit als „Volkspolitischer Referent“ als Vertreter des „Ständestaates“ bewertet geriet seine Karriere im NS zunächst ins Stocken, doch letztlich zählte Perkonig zur hochbezahlten Propagandaelite der Ostmark. Perkonig war Mitautor der Anschluss-Anthologie „Kärnten, des Reiches Südwacht“ (1939 erschienen) sowie eines 1940 veröffentlichten, kriegsverherrlichenden Gedichtbandes an „alle Soldaten Kärntens“, „die den Ruhm Großdeutschlands mehren“. Weitere, den NS glorifizierende Werke folgten. 1941 wurde Perkonig zum Landesobmann der Sektion Schriftsteller in der Reichskulturkammer auf Gauebene und zum stellvertretenden Landesleiter (Kärnten) der Reichsschrifttumskammer ernannt, nachdem in den Jahren zuvor bereits mehrere Versuche, ihn hier zu installieren gescheitert waren, weil ihm eine „ehemalige Zugehörigkeit zur Freimaurerei“ vorgehalten wurde. Außerdem sei er während des Austrofaschismus als „Volkspolitischer Referent“ innerhalb der Vaterländischen Front in Kärnten ein „Vertrauensmann der Systemregierung" gewesen. Erst die Einschätzung, dass die „Volkspolitischen Referate“ „die Übergangsstellen von der illegalen NSDAP zum damaligen System“ gewesen seien, die „also mit Männern besetzt [wurden], die das Vertrauen der damaligen Nationalsozialisten genossen“ hatten, ermöglichte Perkonigs Einsetzung zum stv. Landesleiter. In weiterer Folge nahm er an den Salzburger Dichtertagen (im Sommer 1940) unter der Patronanz des späteren Kärntner Gauleiters Friedrich Rainer sowie am 2. Großdeutschen Dichtertreffen in Weimar (September 1940), der propagandistisch wichtigsten Veranstaltung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda teil. Beides belegt – so Karin Gradwohl-Schlacher, profunde Kennerin der Biografie von Perkonig, – seine Reputation im Nationalsozialismus. Auch für ns Propagandafilme steuerte Perkonig Drehbücher bei. 1942 schrieb er im Vorwort zum Lesebuch für die Jugend „Kärnten - Heimatland – Ahnenland“, dass „der deutsche Knabe und das deutsche Mädchen für den Führer Adolf Hitler alles zu geben“ hätten, „wenn es sein muss, auch das Leben“.


Nach 1945 scheint Perkonig in einer der Listen der auszusondernden Literatur, herausgegeben von der deutschen Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone (LAL46), ebenso auf, wie in der 1946 vom österreichischen Unterrichtsministerium herausgegebenen Liste (LGB46) der gesperrten Autoren und Bücher (maßgeblich für Buchhandel und Büchereien). Freundschaftliche Kontakte zum damaligen Leiter der Kulturabteilung der Kärntner Landesregierung dürften – so Karin Gradwohl-Schlacher – seine Reintegration beschleunigt haben. Alsbald konnte Perkonig seine Karriere fortsetzen (zunächst als Pressereferent im Amt der Kärntner Landesregierung, später als Leiter der Presse- bzw. Kulturabteilung) und übte bis zu seiner Pensionierung 1970 maßgeblichen Einfluss auf die Kärntner Medien- und Kulturszene aus. Seine auch nach 1945 existierende deutsch-nationale Verbundenheit ist anhand von Teilnahmen an einschlägigen Veranstaltungen belegt, wie Karin Gradwohl-Schlacher nachweist.



Resümee


Die Rolle von Josef Friedrich Perkonig im Nationalsozialismus wird widersprüchlich bewertet. Anlässlich seines 100. Geburtstages entbrannte in Kärnten eine Mediendebatte um seine NS-Vergangenheit. Der Direktor des Kärntner Landesarchivs Wilhelm Wadl konstatierte, dass Perkonig sein Engagement für den Nationalsozialismus bereut und in seinem weiteren Leben bewiesen habe, „dass er daraus gelernt hat“ (https://ktnv1.orf.at/stories/340610). Karin Gradwohl-Schlacher allerdings wies nach, dass sich kolportierte NS-kritische Handlungen und Äußerungen während und nach der NS-Zeit faktisch nicht belegen lassen.


Die Benennung einer Volksschule nach Josef Friedrich Perkonig ist aufgrund der detailreichen Studien zu seiner Biografie – nicht zuletzt durch die an der Forschungsstelle Österreichische Literatur im Nationalsozialismus am Universitätsarchiv Graz tätigen Germanistin Dr.in Karin Gradwohl-Schlacher – aus Sicht des DÖW unangemessen.


Dr.in Claudia Kuretsidis-Haider
Abteilungsleiterin Historische Sammlungen



Literatur
Uwe Baur: Literarisches System in Österreich 1933/1938–1945. Zensur und Förderung – Literarische Vereine – Anthologien, Band 5 der Reihe Literatur in Österreich 1938–1945, Wien-Köln-Weimar 2021.
Uwe Baur / Karin Gradwohl-Schlacher: Literatur in Österreich 1938-1945. Handbuch eines literarischen Systems, Band 2 (Kärnten), Wien-Köln-Weimar 2011.
Karin Gradwohl-Schlacher: Josef Friedrich Perkonig (1890-1959), Schriftsteller und Lehrer, in: Österreichisches Biographisches Lexikon. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hg.) 2011.
Karin Gradwohl-Schlacher: Josef Friedrich Perkonig und Hans Steinacher. Zwei Karrieren von der Kärntner Volksabstimmung bis in das Dritte Reich. In: Zur Geschichte der österreichisch-slowenischen Literaturbeziehungen. Hg. v. Andreas Brandtner, Werner Michler, Wien 1998, S. 331-344. (Siehe auch: https://international.uni-graz.at/fileadmin/Archiv/Bilder/Perkonig.pdf)
Helga Lorenz-Andreasch: Ein Beispiel deutsch-slowenischer Kulturbeziehungen in Kärnten. J. F. Perkonig und die Slowenen – Eine Spurensicherung, Diplom-Arb. Univ. Klagenfurt 1982.

 

 


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