Der 16. Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und Exil wird 2016 an Stefan Horvath und Gerhard Scheit verliehen.
Preisbegründungen
Stefan HORVATH
Am 5. Februar 1995, einen Tag, nachdem sein Sohn Peter Sárközi und drei andere junge Roma beim Terroranschlag von Oberwart ermordet worden waren, begann Stefan Horvath zu schreiben. Er schrieb, weil er nicht mehr schlafen konnte, weil er sein ganzes Leben lang, wie er selbst sagte, still geblieben war, so wie auch schon sein Vater, der die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald, Gusen und Mauthausen überlebt hatte und seine Mutter, Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück. Seit 1995, seit seinem 46. Lebensjahr, schreibt Stefan Horvath, er schreibt über das Überleben der Roma in Oberwart während des Porajmos, über das Leben nach 1945, nach 1995. Er erzählt und sein Erzählen ist ein Ankämpfen gegen das eigene Stillschweigen und gegen das Totschweigen durch die Gesellschaft. Seit 2003 sind die Bücher Ich war nicht in Auschwitz, Katzenstreu, Atsinganos. Die Oberwarter Roma und ihre Siedlungen erschienen, viele Gedichte und der Einakter Begegnung zwischen einem Engel und einem Zigeuner entstanden. Es sind starke literarische Arbeiten über den alltäglichen Antiziganismus in Österreich, welche das Schweigen brechen, den Diskriminierungen, der erdrückenden Ungerechtigkeit, dem Hass ein Ende setzen wollen. Stefan Horvath schreibt ohne Verbitterung, ohne Illusion, jedoch mit viel Hoffnung und meisterhaftem erzählerischem Können.
Gerhard SCHEIT
Gerhard Scheit denkt, schreibt, kämpft gegen die "Barbarei", letztlich gegen die drohende Wiederholung von Auschwitz. Er schreibt über das Exil, über die Musik im Exil während des NS-Terrors, über Widerstand, jenen Jura Soyfers oder Bertolt Brechts, über Antimodernismus, jenen z. B. gegen Gustav Mahler, und vor allem über Antisemitismus. Der Antisemitismus ist nicht 1945 verschwunden. Er wurde adaptiert und findet sich im Antizionismus, im Islamofaschismus, von den Suicide Bombern über die Hamas bis Teheran wieder. In seiner Kritik reiht er sich in die Tradition Theodor W. Adornos oder Jean Amérys ein. An der Herausgabe der Gesamtausgabe von Jean Amérys Werken war Gerhard Scheit maßgeblich beteiligt. Wenn es in Österreich und Deutschland jemanden gibt, der seit über 30 Jahren konsequent profunde essayistische, philosophische und kämpferische Literatur zu Exil, Widerstand und Antisemitismus geschrieben hat, dann ist es Gerhard Scheit. Mit seinen sprachlich brillanten Essays betritt er den weiten Weg zu einer schwierigen Heimkehr – zum denkenden, sein Handeln verantwortenden Menschen.
Vorschau auf Veranstaltungen zum Theodor Kramer Preis im Herbst 2016
Samstag, 10. September
Pfarrsaal Niederhollabrunn, Kirchenplatz 1, 2004 Niederhollabrunn
Montag, 12. September
Literaturhaus Salzburg, Strubergasse 23, 5020 Salzburg
Donnerstag, 6. Oktober
Psychosoziales Zentrum ESRA, Tempelgasse 5, 1020 Wien
Montag, 17. Oktober
StifterHaus Linz, Adalbert-Stifter-Platz 1, 4020 Linz