DÖW-Kooperation: Simon Wiesenthal Lecture, 18. Februar 2016
In Triest lassen sich die widerstreitenden Impulse der italienischen Erinnerungskultur seit 1945 wie in einem Mikrokosmos betrachten. Die Spannung zwischen Gedächtnisarbeit und einer Rehabilitierung des Faschismus wird am Beispiel zweier Gedenkstätten besonders deutlich: der Risiera di San Sabba, eines ehemaligen Konzentrationslagers, und der Foiba di Basovizza, einer Karsthöhle, die an jugoslawische Partisanen erinnert. Beide präsentieren ein entlastendes Geschichtsbild, das Italiener als Opfer darstellt und sich über Kollaboration und Zwangsitalianisierung genauso ausschweigt wie über die Politik der Rassenhygiene des Faschismus. Ein Gegengewicht zu dieser Version bilden Werke von slowenischen, kroatischen oder jüdischen Autoren, die Verdrängtes ans Licht holen und an ausgelöschte Biographien erinnern. Triest ist ein exemplarischer Fall des Historical Uncanny, des Unheimlichen in der Geschichte: ein Palimpsest unterdrückter Erinnerungen, die beharrlich auftauchen und die Stadt und ihr historisches Selbstbild stören.
Susanne C. Knittel ist Literaturwissenschaftlerin an der Universität Utrecht. Sie forscht zur kulturellen Erinnerung in Europa. Ihr Buch The Historical Uncanny: Disability, Ethnicity, and the Politics of Holocaust Memory beleuchtet verdrängte Aspekte des deutschen und italienischen Erinnerungsdiskurses nach 1945. Ihr aktuelles Forschungsprojekt Faces of Eviluntersucht die Darstellung von Täterschaft in den Erinnerungskulturen Deutschlands und Rumäniens seit 1989. Im Rahmen dieses Projekts hat sie das interdisziplinäre Perpetrator Studies Network gegründet.
Veranstalter: Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) in Kooperation mit: Institut für Zeitgeschichte der Univresität Wien, Österreichisches Staatsarchiv, DÖW
Zeit:
Donnerstag, 18. Februar 2016, 18.30 bis 20.00 Uhr
Ort:
Dachfoyer des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Minoritenplatz 1, 1010 Wien