Janko Tolmajer, geb. in Radsberg/Radiše, Bauer.
Nach 1945 Mitbegründer des Rates der Kärntner Slowenen, zwischen 1956 und 1970 verantwortlicher Redakteur des "Naš Tednik".
Verstorben.
Wir spürten auch den Abwehrkampf, Gott weiß, was hier alles los war. Die Front verlief hier entlang der Drau, und aus St. Margarethen schossen sie herüber. Im 18er-Jahr begann es, als sie den ersten Pfarrer einsperrten - unser Pfarrer ist geflohen. Auf der anderen Seite der Drau waren schon die slowenischen Truppen, das waren damals noch lauter Slowenen, keine Serben. Da machten sie diesen Abwehrkampf, den der Steinacher organisierte. Sie vertrieben die Jugoslawen bis ins Mießtal und wüteten.
Diese Abwehrkämpfer, Volkswehrler nannte man sie damals, die wurden ja teilweise zwangsrekrutiert. Da bei Mieger gab es eine Stelle, wo sie die Heimkehrer wieder ins Heer eingliederten, ein paar flohen aber gleich wieder, sie hatten nach vier Jahren Krieg diesen satt und wollten nicht mehr dienen. Bei uns war auch einer, den erwischten sie irgendwo in Ebental, der musste wieder mit und unten an der Drau, so erzählte er mir dann später, ließ er die Waffen liegen und haute ab. Dann kam der Gegenstoß und die Serben besetzten im Mai 1919 über Klagenfurt hinaus Kärnten, mussten aber schon Mitte Juni Klagenfurt wieder verlassen und zur Demarkationslinie zurückkehren. Freilich, dann war das für unsere Leute hier die Zone A, abgeschnitten von Klagenfurt. "Wie werden wir ohne Klagenfurt leben?" Klagenfurt war damals das einzige Zentrum, wo verkauft wurde. Nehmen wir z. B. Gotschuchen her, deren Holzwaren, Scheffel und so. Die gingen ja jeden Donnerstag nach Klagenfurt. Wohin sollst du denn gehen, über den Loibl nach Ljubljana, deine Ware verkaufen? Die hatten davon selber genug. Die Ferlacher ebenfalls: "Wohin mit unseren Waffen, wir können sie ja nicht verkaufen." Wir Radsberger z. B. haben Klagenfurt mit Holz versorgt, jede Woche Holz geliefert. Dann kamen die Plebiszitvorbereitungen. Jugoslawien bereitete sich auch vor. Weil alles fehlte, Zucker gab es keinen und kein Petroleum, besorgten es die Jugoslawen. Sogar amerikanisches Petroleum schleppten sie an. Aber das half alles nichts, weil ohne Klagenfurt konnten wir nicht leben. Es war aber so eingerichtet, dass in der Zone B, zu der Klagenfurt gehörte, erst dann eine Volksabstimmung gewesen wäre, wenn hier in der Zone A Jugoslawien gewonnen hätte. Aber darauf bestand überhaupt keine Aussicht. Und das war dann das Atout in den Händen Österreichs: "Wählt Österreich, denn ohne Klagenfurt kann das ländliche Umfeld nicht leben." Mitte Juni oder Juli haben sie Klagenfurt geöffnet, und alle jene, die vor den Jugoslawen über die Demarkationslinie geflüchtet waren, durften wieder zurück. An Überfälle kann ich mich auch erinnern. Das waren diese Volkswehrler, das waren hauptsächlich diese Soldaten, die drei, vier Jahre vor dem Ersten Weltkrieg ausgebildet wurden und die herumwüteten. Vor allem die Pfarrhöfe waren betroffen. Unseren stellten sie zur Gänze auf den Kopf und der Pfarrer hielt sich irgendwo in Zell [im] Winkel auf Dachböden versteckt, der Vavti. Und in St. Margarethen durchwühlten sie angeblich auch den ganzen Pfarrhof und vernichteten ein paar Matrikelbücher. In Tainach - dort war ja der Probst aus Suetschach, Gregor Einspieler, der Abgeordnete, Politiker und Besitzer dieser Zeitschrift "Mir" - stellten sie den ganzen Pfarrhof und die Probstei auf den Kopf. Und angeblich ritt einer unten in Grafenstein, so wurde erzählt, mit dieser roten Protestkappe herum.
Es gab auch Versammlungen, zwei- oder dreimal war ich dabei. Ein Pfarrer war aus Köttmannsdorf, der war so ein Missionar, er war ein exzellenter Redner und agitierte für Jugoslawien. Er sagte, die einzige Möglichkeit für uns ist, dass wir für Jugoslawien stimmen, damit wir unser Geschlecht erhalten. Den Menschen war eigentlich sehr wenig Nationalbewusstsein eigen, weil die Schule sie ganz eingedeutscht hatte. Der Ogris, der erzählte mir dann später von dem größeren Treffen aller Vertrauensleute aus den Südkärntner Gemeinden in Völkermarkt. Das war noch zur Zeit der jugoslawischen Besetzung, und er war auch dort: "Ich habe mich gemeldet, weil einige so optimistisch waren, dass die Abstimmung auf jeden Fall günstig für uns ausgehen würde, 60-70 % für Jugoslawien." Er sagte: "Ich bin aufgestanden und hab gesagt, wisst ihr was, so rosig dürfen wir das nicht sehen. Der deutsche Geist ist im Volke, die Schule hat all die Jahre eingedeutscht, wir dürfen nicht so optimistisch sein." Und er erzählte, dass einige sehr böse waren, und wirklich, es fiel dann so aus, wie er vermutet hatte.
Schon in der ersten Woche, nachdem bekannt wurde, dass das Plebiszit verloren ist, wurde der slowenische Bürgermeister abgelöst. Und der alte Bürgermeister, der früher schon ein nemcur [abwertende Bezeichnung für deutschnationale bzw. ihre nationale Herkunft verleugnende Slowenen] war, der übernahm wieder das Amt.
Die ersten Wahlen im 21er-Jahr fanden schon im Frühjahr statt, und zwar die ersten Gemeinderatswahlen. Es war ja früher so, während des Ersten Weltkrieges, da gab es keine Gemeinderatswahlen, überhaupt keine Wahl, und im 21er-Jahr schon die Gemeinderatswahlen; sie hatten die Leute schon so weit präpariert, dass dort, wo früher 51 % für Jugoslawien gestimmt hatten, es nun nur noch 35-40 % slowenische Stimmen gab.
Freilich gab es eine fürchterliche Enttäuschung über den Ausgang des Plebiszits, und Angst war unter den Leuten. Alle Intellektuellen mussten sofort ihre Siebensachen packen, die Lehrer, die Priester, bei uns blieb der Pfarrer noch bis Mitte November, dann ist auch er gegangen.
Und in der Schule war es so, dass diese zwei slowenischen Lehrer sofort gegangen sind. Die reisten in der Woche ab, in der das Plebiszitergebnis klar war. Wir hatten noch im September und Oktober Ferien, um das Vieh zu hüten, und zu Allerheiligen begann die Schule, und da kam dieser frühere Lehrer, der auch Gemeindesekretär war. Ein nemcur, ein Säufer war er. Er durfte schon vor dem Plebiszit zurück und Propaganda machen. Der kam für die erste Klasse, und für die zweite Klasse kam ein Deutscher. Den verstanden wir nicht, er uns auch nicht. Und wir schrieben halt, was auf der Tafel aufgeschrieben war. Es gab keinen Deutschen in der Schule, der Unterricht aber war ausschließlich in Deutsch, obgleich es nach dem Gesetz dieser utraquistischen Schule auch Slowenisch hätte geben müssen. Zwei Stunden in der Woche, was aber in Wirklichkeit nie ausgeführt wurde. Die letzten zwei Jahre hatte ich dann diese Sommerbefreiung. Ich musste zu Hause die Herde hüten, vor dem Vieh gehen, wenn wir pflügten, und Garben tragen, wenn geerntet wurde. Da ließ dich ja niemand spazieren gehen, es hieß, das Brot muss verdient sein, und die Schule gibt kein Brot.
Als ich mit der Schule fertig war, mit fünfzehn Jahren, mein Vater handelte ein bisschen mit Holz, musste ich fuhrwerken. Wir brachten alles von Radsberg hinunter, man fuhr ja mit den Pferden, Sommer und Winter. Ich konnte keinen Beruf erlernen, sondern musste zu Hause arbeiten. Ich träumte zuerst davon, studieren gehen zu können, aber da war überhaupt keine Aussicht. [...]
1929 belebte man bei uns den [slowenischen] Verein wieder. Weil ich gerne las, wurde ich zuerst Bibliothekar, 1931 kam ich dann in den Ausschuss des Kulturverbandes in Klagenfurt. So kam ich sehr viel herum, zu Fuß. Der Bibliothekar hatte die Bücher über. Damals las man noch viel mehr, weil es kein Radio gab. Wir hatten die Bücherei in Ordnung, 300 oder 400 Bücher gab es, wir bekamen auch Bücher aus Slowenien. Wenn neue Bücher herauskamen, da erhielten sie die Vereine als Geschenk, es gab natürlich die Hermagoras-Bücher.
Dann kam die Volkszählung. Die führte die Gemeinde durch, und sie stellte diese Zählkommissare auf. Das waren alles nemcurji [abwertende Bezeichnung für deutschnationale bzw. ihre nationale Herkunft verleugnende Slowenen]. Mit denen zerstritt ich mich, das war, glaub ich, 1930 oder 1931. Da war ein Ferlacher Lehrer, der Popatnig, und mit dem zerkrachte ich mich fürchterlich. Sie fragten nämlich nicht nach der Sprache, die du redest, sondern wie sich einer fühlt. Und ich ging zu ihm hin und sagte, das kann doch nicht stimmen, wie ihr zählt. "Schauen Sie, ich habe Weisungen da." Und dann zeigte er mir diesen Akt, und da wurde nicht nach der Sprache, sondern nach dem Gefühl gefragt. Nach den Gefühlen fragten sie und nicht nach der Wahrheit, denn man kann sagen, dass 80 % der Leute bei uns das Deutsche nicht beherrschten, außer denen, die vier Jahre lang Soldaten waren, die hatten es sich irgendwie angewöhnt. Aber ein schönes Deutsch haben auch sie nicht gesprochen. Sie haben weder Slowenisch noch Deutsch gelernt. Und es war die Strategie der Eindeutscher, die Leute auf möglichst niedrigem Niveau zu halten. Für Knechte und Arbeiter war das sowieso gut genug. Die Lehrer haben ja auch wirklich so gearbeitet. Es gab einen richtigen Kampf um die Schulen. Die zwei nationalen Schulen in St. Ruprecht und St. Peter, die nach 1920 geschlossen werden mussten, waren vor dem Krieg Nationalschulen, in die die Kinder geschickt wurden, damit sie richtig und ordentlich Slowenisch lernen konnten, und da hat einer der Eindeutscher zum alten Kopeinig gesagt: "Ja, was denkst du, wenn wir ihnen noch die Schule geben, dann überflügeln sie uns ja noch, diese Slowenen."
Aber auch die eigenen Leute, diese nemcurji wollten sie nicht haben. Das einfache Bauernvolk war dazu ausersehen, dass es für die Arbeit gut genug war. Sie wollten auch die eigenen nemcurji auf niedrigem Niveau halten. [...]
Mitte 1934 wurden dann alle Gemeinderäte neu besetzt. Das war eine Benennung nach dem Führerprinzip, könnte man sagen. Sie waren damals noch so weit anständig, dass sie so viele beriefen, wie bei den letzten Wahlen erreicht wurden. Wenn die Slowenen drei, vier oder fünf hatten, dann wurden auch so viele Mandate zugeteilt. Wir ernannten vier. Selbstverständlich die alten Männer, und dann kommen wir nach Klagenfurt, und da sagt mir der Vinko Zwitter: "Weißt du was, den Pisjak wollen sie nicht, den will sie nicht nominieren, die VF [Vaterländische Front]." Der war so durchschlagskräftig und führend bei den Slowenen und nahm sich auch nie ein Blatt vor den Mund, sondern sagte, was er sich dachte. Darum hatten ihn die nemcurji so angeschwärzt, dass sie ihn auf der Bezirkshauptmannschaft oder auf der Landesregierung, ich weiß nicht, wo dieses Referat war, wo die Gemeindeabgeordneten berufen wurden, nicht nehmen wollten, und der Zwitter sagt: "Jetzt brauchen wir dringend jemanden." "Und wen?", frage ich. Da sagt der Zwitter zu mir: "Dann geh halt du." Und ich: "Dann gib mir halt das Mandat." Das war dann unseren Alten, ich war so ein junger Hupfer, kaum 25 Jahre alt, nicht recht. Und doch haben wir bis 1938 das Ding geschaukelt. [...]
Die Wirtschaftskrise spürten wir schon sehr, man verkaufte schwer. Wir lieferten hier aus Radsberg Holz nach Klagenfurt. Am Anfang bekamen wir noch 20 Schilling für eine Fuhre, das waren vier Festmeter auf einem Wagen. Wenn es schlecht ging, dann nur noch 15 Schilling. Und für 10-15 Schilling konntest du das Notwendigste kaufen, Salz, Zucker und ein bisschen Petroleum. Der Stiefvater war Führer der VF in der Gemeinde, da gab es das Führerprinzip, die trugen so eine kleine österreichische Fahne. Ich trat auch bei, das tat mir dann Leid. Es hieß, dass du dich damit zum Ständestaat bekennst, lange redete man so.
Da waren auch schon die Naziaktionen. Ja, sie haben hier herumgeschmiert, und dann wurden auch einige eingesperrt, aber die Anstifter in der Regel nicht. Bei uns war ein Zugewanderter aus Oberkärnten, den hatten sie drei- oder viermal eingesperrt. Aber ich denke mir, da waren noch andere Leute im Hintergrund. Der hat sich halt ausnützen lassen, In den Gefängnissen holte er sich TBC und starb schon im Jahre 1937, vor dem "Anschluss".
Als die Wahl verlautbart wurde [gemeint ist die für den 13. März 1938 geplante Volksbefragung], da machten die Slowenen selbst Plakate. "Wählt für Österreich." Es gab ja keine andere Möglichkeit, und das war auch eine Verbeugung vor der VF. Der "Koroški Slovenec", die Zeitung damals, schrieb: "Wir stimmen mit 'Ja' für Österreich." Wir strengten uns nicht besonders an. Damals kam einmal der Schuschnigg nach Ferlach, da gingen 20 oder 30 zu dieser Versammlung. Das war alles. Auch die VF, ich kann mich nicht erinnern, dass sie irgendwelche Versammlungen gehabt hätte. Und bei den Gemeinderäten war das so, dass wir am Sonntag vor dem 13. die letzte Gemeinderatssitzung abhielten, und am Samstag, den 12., besetzte Hitler Österreich.