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Max Schneider: Das Gefühl, ich habe mich richtig verhalten

Max Schneider, geb. 1921 in Wien. Rote Falken, Hashomer Hazair (linkszionistische Gruppe). Frühsommer 1939 Emigration nach England, dort nach Kriegsausbruch interniert und zusammen mit 2000 anderen Internierten in ein Lager nach Kanada gebracht. 1942 Rückkehr nach England, Mitte 1943 Meldung zum britischen Militär. Nach der Einberufung im Dezember 1943 militärischer Einsatz in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Deutschland, wo er im April 1945 verwundet wurde.

Max Schneiders Schwester gelangte mit einem Kindertransport nach England, die Eltern und sein sechsjähriger Bruder wurden Opfer der Shoah.

Anfang 1947 Rückkehr nach Österreich.

Verstorben 2010.

 

 

Mitte 1943 konnten wir uns zum Militär melden. So wie viele aus dem [Kommunistischen] Jugendverband habe ich mich damals freiwillig zur Armee gemeldet und wurde im Dezember 1943 einberufen. Ich war zuerst sechs Wochen in Schottland, in Glasgow. Dann bin ich durch verschiedene Ausbildungslager gewandert, wie alle anderen auch. Ich war sehr gerne Soldat. Wo immer ich konnte, habe ich alle diese Sachen auch als sportliche Tätigkeiten für mich selbst betrachtet. Das ist mir in der Ausbildung sehr zustatten gekommen. Und außerdem habe ich ja in völliger Übereinstimmung mit mir selbst gehandelt. Ich war überzeugt, dass dieser Krieg das Schicksal der Menschheit entscheidet, dass wirklich die Aufgabe jedes anständigen, jedes fortschrittlichen Menschen die Vernichtung des Faschismus ist. Ich war - so wie die Mehrzahl der Engländer - begeistert von den Heldentaten der Sowjetunion und der Roten Armee. Das wird heute in Österreich totgeschwiegen. Damals hat es in England eine tiefe Verbundenheit, nicht nur der englischen Kommunisten, sondern der englischen Bevölkerung zur Sowjetunion gegeben. Diese innere Übereinstimmung gründete auch in meiner Überzeugung und der meiner Gesinnungsfreunde, dass wir einen Beitrag zur Befreiung unserer Heimat und der Wiederherstellung eines demokratischen Österreichs leisten.

 

Ich wollte zur Infanterie - wo ich dann auch hingekommen bin - und, sobald ich konnte, am Krieg teilnehmen. Das hat aber eine Weile gedauert. Meine Einheit ist in Frankreich gelandet, und wir sind gerade zurecht gekommen zu der berühmt-berüchtigten Ardennenofensive. [Die Ardennenoffensive der deutschen Wehrmacht begann am 16. Dezember 1944. Ihr Ziel war die Wiedereroberung der bereits von den Alliierten befreiten Gebiete Belgiens.] Wir haben uns eingegraben, es war ein kalter Dezember, bitterkalt, ich kann mich nur mehr an die Kälte erinnern. Dort sind viele Deutsche umgekommen, aber auch Engländer und Amerikaner. Meiner Einheit ist damals nichts passiert. [...]

 

Ich bin dann bei einer schottischen Einheit gelandet, ich war der einzige Österreicher und einer der wenigen Ausländer in meiner Einheit. Das hat dazu geführt, dass man dort bekannt wurde. Die Leute haben sich untereinander erzählt, sie haben da einen Österreicher usw. Wir waren ab Jänner 1945 in militärischem Einsatz, und ich bin dann mit meiner Einheit durch Belgien, Holland und Deutschland gezogen. Dann war ich bei der Rheinüberquerung dabei. Das war ein sehr eindrucksvolles Bild. Am 21. oder 23. April waren wir bei Hamburg oder Bremen. Ich bin an dem Tag verwundet worden durch einen Steckschuss in der Schulter. Von einer Kugel getroffen zu werden ist ein sehr merkwürdiges Erlebnis. Ich kann mich noch sehr gut erinnern. Meine Kameraden haben mich in ein Bauernhaus hineingetragen und auf den Diwan gelegt. Dann kam ein psychologisches Erlebnis eigener Art. Nachdem ich sehr bewusst am Kampf gegen Hitler teilgenommen habe, werde ich in ein deutsches Bauernhaus gebracht, auf den Diwan gelegt, schwer verwundet. Und der Deutsche, dem das Haus gehört, sagt zu meinen Kameraden, sie sollen achtgeben, dass der Diwan nicht blutig wird. Ich war empört, dass sich der sorgt, dass jetzt sein Diwan blutig wird. Sozusagen war ja innerlich in mir die Einstellung: "Eigentlich werden die Deutschen froh sein, dass jetzt die Befreier kommen." So war es offenbar nicht. Für mich war das schon eine recht bezeichnende Episode. Von dort bin ich auf verschiedenen Wegen schließlich in ein Spital in Brüssel geflogen worden, der erste Flug in meinem Leben. Damals ist das Penicillin aufgekommen gewesen, und man hat mich zwei oder drei Wochen damit behandelt. Nach ein paar Tagen ist eine kleine Gruppe von jungen Soldaten in das Spital in Brüssel eingeliefert worden. Die schienen pumperlgesund. Dann hat sich herausgestellt, das war eine Vorhutgruppe, die in Bergen-Belsen eingezogen ist, und diese paar Leute haben einen Schock erlitten von dem, was sie dort gesehen haben. Deshalb sind sie ins Spital eingeliefert worden, ein paar halt, nicht alle von ihnen.

 

Wochen später wurde ich operiert, die Kugel wurde entfernt. Ich hatte Angst, ich werde meinen Arm nicht mehr bewegen können. Das hat sich als unbegründet herausgestellt. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass ich vorher und nachher gern Sport betrieben habe. Drei oder vier Monate hat die Genesung gedauert, ich bin von einem Spital ins andere und schließlich in einem schottischen Trainingscamp gelandet. Dort habe ich noch eine sehr schöne Überraschung erlebt. Der Lagerkommandant teilte mir feierlich mit, dass ich eine Auszeichnung für "Tapferkeit vor dem Feind" verliehen bekommen habe. Es klingt fast dumm, es zu sagen, aber es freut mich. Es klingt deshalb dumm, weil das z.B. auch viele deutsche Soldaten bekamen. Es kommt aber darauf an, wozu, gegen welchen Feind, für welche Sache. Das begleitet mich als ein angenehmes Gefühl durchs Leben: nicht dass ich die Auszeichnung bekommen habe, sondern dass ich das Gefühl habe, ich habe mich richtig verhalten.

 

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