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Dagmar Ostermann: In meiner vorlauten Art

Dagmar Ostermann geb. Bock, geb. 1920 in Wien, ab April 1938 Dresden. Im August 1942 als "Mischling 1. Grades" verhaftet und über das KZ Ravensbrück nach Auschwitz-Birkenau deportiert, durch Zufall Position einer Schreiberin am Standesamt der Politischen Abteilung im Stammlager Auschwitz, von dort Anfang November 1944 wieder nach Ravensbrück und im Dezember 1944 in das KZ Malchow (Außenkommando von Ravensbrück) überstellt. Dort erlebte sie die Befreiung 1945.

Rückkehr nach Wien. Generalsekretärin der Österreichischen Lagergemeinschaft Auschwitz. 2005 Veröffentlichung ihrer Lebenserinnerungen "Eine Lebensreise durch Konzentrationslager" (hrsg. von Martin Krist).

Verstorben 2010.

 

 

[Dagmar Ostermann geb. Bock wurde im Oktober 1942 gemeinsam mit anderen jüdischen Häftlingen und sogenannten "Mischlingen" vom KZ Ravensbrück nach Auschwitz-Birkenau überstellt.]

 

Wir sind ein oder zwei Tage gefahren, dann hat es wieder einmal Wasser gegeben. Die Gegend ist immer düsterer geworden, sehr viel Ebene, auf einmal haben wir schon polnische Laute gehört und es fiel das Wort "Auschwitz". Das war das erste Mal, dass ich das Wort "Auschwitz" gehört habe, es war für mich kein Begriff. Wir haben gedacht "Arbeitslager" - so etwas wie Ravensbrück, wo ich ja vorher zwei Tage lang gewesen bin. Das war am 6. Oktober 1942. [...]

 

In Birkenau wurden wir mit einer Hundestaffelgruppe ausgeladen und wurden da hinter einen Stacheldraht geführt. Das war so zwischen vier und fünf Uhr früh, es war noch dunkel außerhalb der Scheinwerfer; wir mussten uns innerhalb des Stacheldrahtes aufstellen, und wir sahen nichts Richtiges: Es war da ein riesiggroßer SS-Mann und noch ein paar andere, und ein Gerede. Inzwischen wurde es dämmrig. Gegenüber sahen wir niedrige Baracken und so komische Gestalten, alle ohne Haare. Ich hab' mir noch gedacht, die haben uns in ein Männerlager gebracht. Vor uns - ungefähr 25 Meter entfernt - befand sich ein Gebäude, und davor war ein riesiger Berg fast bis zur Höhe dieser Baracke. Der hat in der Dämmerung ausgeschaut wie Zweige von Bäumen. Wie es dann hell war, haben wir gesehen, da waren lauter Leichen aufgestapelt. Also für uns war das etwas Unbegreifliches, in dem Moment ein Schock. [...]

 

Inzwischen wurde es schon Tag, und es kam ein sehr großer, rotblonder Oberscharführer. Es hat sich nachher herausgestellt, er hat Hans Stark geheißen. Er hat uns namentlich aufgerufen, nach dem Alphabet. Ich hab' ja Bock geheißen, ich hätte so ziemlich am Anfang sein müssen. Der war aber schon bei K oder noch weiter, ohne mich genannt zu haben. Ich bin herausgetreten und hab' gesagt: "Tschuldigen Sie, Herr Oberscharführer, aber mein Name ist nicht verlesen worden." Worauf er fragte: "Ja, wie heißt du?" "Bock." Er schaute auf die Liste - die Liste stammte aus Ravensbrück - und sagte: "Stehst ja gar nicht drauf." Und ich in meiner vorlauten Art antwortete: "Na, dann schicken S' mich eben wieder nach Hause." Daraufhin meinte der Oberscharführer: "Das geht natürlich nicht, aber stell dich einmal da an die Seite." Ich wurde also aus der ganzen Gruppe herausgestellt und hab' mir gedacht: "Oh je, na das kann nichts Gutes bedeuten." Es wurden dann alle der Reihe nach aufgerufen, und ich blieb als Letzte dort alleine stehen. In der Zwischenzeit kam noch ein Unterscharführer, der sich mit diesem Oberscharführer Stark unterhalten hat. Ich wurde als Letzte noch einmal aufgerufen, die Liste wurde mit meinem Namen ergänzt, und ich wurde dann später auch als Letzte aus diesem Transport tätowiert. Ich hab' die Nummer 21 946 gehabt. Wir wurden durch die Lagerstraße hinten in ein großes Gebäude geführt, das "Sauna" genannt wurde. Dort mussten wir uns nackt aufstellen und wurden noch einmal in eine Kartei aufgenommen. Anschließend wurden wir in einen Nebenraum gebracht. Dort saßen zwei oder drei Mädchen, wir mussten uns auf Sessel setzen und uns wurde mit der "Nullermaschine" die Körperbehaarung abgeschoren. Nachher bekam jede von uns Zivilkleidung in die Hand gedrückt, aber ganz fürchterliche, schmutzige, was halt so aus Transporten, die schon vor uns gekommen sind, an Effekten kam. Anschließend war Selektion durch Unterscharführer [Josef] Houstek-Erber [Mitarbeiter der Politischen Abteilung] und einen Arzt. [...]

 

Ich kam auf Block 3, das war einer dieser sogenannten Schreckensblocks, wo nur diese drei- und vierstöckigen Kojen übereinander waren und sechs bis acht Personen in kleinen Löchern waren. Wenn man sich da umdrehen wollte, mussten sich alle gleichzeitig umdrehen. Ich war innerhalb von wenigen Stunden von Kopf bis Fuß mit Filzläusen verlaust, die auch Flecktyphusüberträger sind. [...]

 

Nach dem ersten Arbeitstag, das war ein Tag nach unserer Ankunft, sind wir abends wieder bei der Blockführerstube einmarschiert und mussten uns sofort zum Zählappell bei unserem zuständigen Block aufstellen. Der Zählappell war schon fast vorbei, auf einmal hörte ich eine Nummer rufen, reagierte aber nicht darauf, weil eine Nummer war für mich damals noch keine Identität. Auf einmal stupste mich meine Nachbarin: "Das ist doch deine Nummer." In dem Moment wurde auch mein Name aufgerufen, und ich sah in Begleitung einer Aufseherin jenen Unterscharführer, der mir schon zweimal begegnet war; einmal, wie ich mich hatte separat stellen müssen und dann bei der Selektion. Ich meldete mich, und er brüllte mich an: "Du hättest nicht ausmarschieren dürfen heute, du hättest im Block bleiben müssen!" - "Ja - das hat mir keiner gesagt." Er befahl der Blockältesten: "Blockälteste, Sie sind mir verantwortlich, der Häftling muss morgen im Lager bleiben." Aber er sagte nicht, warum, weshalb, wieso. Das war auch wieder ein Unsicherheitsfaktor: "Was passiert mit mir am nächsten Morgen?" [...]

 

Am nächsten Morgen nach dem Zählappell hat die Blockälteste mich im Block versteckt. Auf einmal kam ein sehr nettes Mädchen, das mir vage von der Aufnahme zwei Tagen früher in Erinnerung war. "Bist du die Bock?" - "Ja" - "Du kommst mit mir mit." - "Ja, wohin komm' ich denn?" Sie sagte: "Ja, weißt du das nicht, du kommst zu uns in die Politische Abteilung - Aufnahme." - "Wieso, wem verdank' ich dieses große Glück?" - "Der Oberscharführer Stark hat das veranlasst, dass du in die Schreibstube kommst." Also in diesem Fall war mein vorlautes Benehmen mit dem "Schicken Sie mich wieder zurück" sozusagen mein Glück, so wie alles im Leben oft von einem Wort abhängt oder von irgendeiner Situation, die Leben oder Tod bedeutet. So kam ich in diese sogenannte Schreibstube, wurde jetzt richtig geduscht und gebadet und mit "Flit" [Ungeziefervernichtungsmittel] abgespritzt. Es wurden mir frische Sachen zum Anziehen gegeben, auch wieder Zivilkleidung, aber sauber. Ich kam auf einen anderen Block, und zwar auf einen sogenannten "Prominentenblock". Das waren die Holzblocks, wo richtige Stockbetten waren, immer zwei zu zwei zusammen, drei Stock hoch und mit einem richtigen Strohsack. Darauf war sogar ein Leintuch gespannt, und ich hatte eine Decke für mich alleine. [...]

 

Mir wurde auch gleich gezeigt, was ich machen musste, und zwar die Zugänge auf Karteikarten aufnehmen. Diese Tätigkeit hab' ich aber nur zwei Tage ausgeübt. Dann wurde ich wieder aufgerufen, kam wieder in diesen Umkleideraum, und es wurde mir richtige Lagerkleidung verpasst, das heißt, diese grau-blau gestreifte Kleidung und ein weißes Kopftuch. Mir wurde gesagt, am nächsten Tag rück' ich aus zur Arbeit. Na, das war für mich ein Tiefschlag. Ich hab' mir gedacht: "Um Gottes Willen, wieder ins Außenkommando". Wir waren aber keine große Gruppe, die sich da am nächsten Tag sammelte, nur acht oder neun Mädchen. Wir sind von Birkenau nach Auschwitz hineinmarschiert und sind dort wieder ins Büro gekommen, und zwar in die richtige Politische Abteilung [es gab auch eine Politische Abteilung in Birkenau], die in die Registratur und ins "Standesamt" unterteilt war. Der eine Teil der Politischen Abteilung hat sich in einem Steingebäude direkt neben der Kommandantur befunden, und unsere Abteilung - "Standesamt" - war in einer Holzbaracke untergebracht, und zwar ganz genau neben dem Kleinen Krematorium. Im "Standesamt" wurden nur Todesurkunden ausgestellt. Es sind ja auch Nichtjuden - Polen, Deutsche und andere - in KZs gewesen, und wenn die gestorben sind, wurde eine normale Sterbeurkunde ausgestellt, denn die Verwandten mussten ja verständigt werden. Wir haben eine Liste der Todesfälle bekommen. Von den maschinschreibenden Bürokräften wurde ein Formular "Sterbeurkunde" ausgefüllt, mit Name, Geburtsdatum und unten dann mit der Todesursache, die natürlich fingiert war. So viele Ödeme, Insuffizienzen und Herzversagen hab' ich überhaupt in meinem Leben noch nie gehört. Das Formular wurde dann vom Lagerkommandanten und vom Standortarzt unterschrieben. Aber in den Zwischenzeilen einer Urkunde muss ja gestrichen werden, das heißt, mit Tusche müssen die Leerräume gestrichen werden, damit man nichts zufügen kann. Und das war meine Beschäftigung. Ich hab' den ganzen Tag nichts anderes gemacht als bei Todesurkunden gestrichen. Wir hatten in der Baracke des "Standesamtes" einen Schreibraum, wo wir, alle Mädchen, um einen Tisch herumgesessen sind. Außerdem waren noch kleinere Räume vorhanden, wo SS-Leute gearbeitet haben, und zwar jene, die Vernehmungen gemacht haben. Diese hatten entweder eine fixe Schreiberin, das war auch ein Häftling aus unseren Reihen, oder - wenn sie nicht ständig Vernehmungsbeamte waren und es nur zeitweise gemacht haben - haben sie sich eines von unseren Mädchen herübergeholt, das dann die Vernehmungsniederschriften machen musste. Bei den Vernehmungen selbst waren wir nicht dabei - im Gegenteil. Der letzte Raum der Baracke war der Raum, wo die Vernehmungen mit Gewalt gemacht worden sind. Da hat sich die "Boger-Schaukel" [Foltergerät, nach Wilhelm Boger, einem Mitarbeiter der Politischen Abteilung benannt. Boger war wegen seiner bestialischen Folterungen und einer Unzahl von Morden berüchtigt.] befunden, wo die Leute geschlagen worden sind. Dabei durften keine Häftlinge anwesend sein. Wenn die Vernehmungen in diesem Stadium waren, durfte niemand sein Zimmer verlassen. Aber in einer Holzbaracke hört man natürlich das Schreien, das ist logisch. Oft ist man dann beispielsweise auf die Toilette gegangen, obwohl man nicht sollte, und dann hat man gesehen, wie sie den verhörten Häftling herausgebracht und mit Wasser überschüttet haben oder die Kübel Wasser hineingetragen haben. Wir sind dann nur zur Vernehmungsniederschrift gekommen. Es haben allerdings manche Vernehmungen schon in diesen Einzelräumen, wo die Schreiberinnen gesessen sind, begonnen. Wenn der Häftling nichts aussagen wollte, dann hat man, wenn der SS-Mann angefangen hat, sich die Handschuhe anzuziehen, gewusst, jetzt ist es soweit. Dann hat er mit dem Häftling den Raum verlassen und hat sich nach hinten begeben.

 

Ich war nur Schreiberin beim Unterscharführer Hoyer, der nicht ständig vernommen hat und daher keine feste Schreiberin zugeteilt bekommen hat. Der hat mich dann meistens geholt. Das war ein Sudetendeutscher. Der mochte mich ganz gerne, natürlich nicht uneigennützig. Es war nämlich ganz komisch, obwohl die Rassegesetze so streng waren, wären einige dieser Herrschaften gar nicht abgeneigt gewesen, auch "Rassenschande" zu machen. Mit der Hoffnung natürlich, dass es nicht herauskommt, denn andernfalls sind die auch bestraft worden. Nur die sind strafweise an die Front oder in den Bunker gegangen, und wir sind dann halt nach Birkenau geschickt, im schlechtesten Fall vergast worden. Man hat also schon einen Horror davor gehabt. [...]

 

Bei meinem Kommando im "Standesamt" hat es, außer einigen polnischen, christlichen Männerhäftlingen, nur jüdische Gefangene gegeben. Denn die Leute, die in der Politischen Abteilung in der Registratur gearbeitet haben, haben ja direkten Einblick gehabt in die ganzen Transporte, die gekommen sind. Da kamen ja auch die Transportlisten vom Reichssicherheitshauptamt. Die Listen wurden ja nicht separat bearbeitet, sondern da wurde vermerkt, wie viele Menschen ins Lager gekommen sind und wie viele ins Gas sind. Wir haben wieder durch die vielen Todesanzeigen Einblick gehabt. Zu unserem Kommando hätten sie wahrscheinlich keine Christen hineingenommen, weil wir bei einer Auflösung des Lagers sowieso zur Vergasung vorgesehen waren. Nur unser Kapo und sein Vertreter waren zwei Polen. Aber die Polen waren für die SS ja eigentlich auch Menschen zweiter Kategorie. [...]

 

In der Zwischenzeit wurde aber schon gemunkelt, dass unser Kommando, das immer nach Auschwitz ins Büro hinmarschierte, "ganz hineinkommen" würde. Anfang Dezember [1942] war es dann soweit, dass wir in das Stabsgebäude im Stammlager verlegt wurden. Es gab ja kein eigenes Lager für Frauen im Stammlager, wir weiblichen Häftlinge wurden im Souterrain des Stabsgebäudes einquartiert. Oben hat die SS gewohnt und unten im Souterrain war zum Teil Wäscherei, Näherei. Dort waren auch Duschen. Das war ein sehr großes Souterrain, wo eben auch die Betten aufgestellt waren, ebenfalls dreistöckige, die aber schon relativ sauber waren. Wir haben Strohsäcke gehabt mit weißen Leintüchern, einen Kopfpolster mit Überzug und auch ein Leintuch unter der Decke. Das wurde nur deswegen gemacht, weil wir direkt mit der SS konfrontiert waren, und die hatten Angst, durch uns krank zu werden, denn in Birkenau waren viele Epidemien. Alle, die in Büros gearbeitet haben und in der Wäscherei und Näherei, haben dort in diesem Stabsgebäude gewohnt. Und das war schon, kann man sagen, fast eine Lebensrettung. Denn wir mussten uns jeden Abend duschen, wir mussten zweimal in der Woche die Wäsche waschen und dieses in der Wäscherei im Haus. Wir waren endlich einmal wirklich sauber. [...] In dem Stabsgebäude habe ich von Dezember 1942 bis April 1944 gelebt. [...]

 

Ich durfte zu der Zeit jeden Monat einen Brief schreiben und einen Brief empfangen. Ich durfte auch Päckchen von meiner Mutter bekommen. In dieser Zeit hat sich folgendes Ereignis abgespielt: Eines Tages wurde ich hinübergerufen in die Politische Abteilung, Registratur. Dort wurde ich von einem SS-Mann empfangen, der mich gefragt hat, wie ich heiße und ob ich eine Mutter in Wien habe. Dann ist der SS-Oberscharführer Kirschner von der Politischen Abteilung [Hermann Kirschner war als Mitglied der Politischen Abteilung an zahlreichen schweren Misshandlungen und der Ermordung von Häftlingen beteiligt] gekommen und hat gesagt: "Ja, deine Mutter war da, sie hat dir ein Paket dagelassen, das übergebe ich dir, aber sie kann dich nicht besuchen, sie hat keine Besucherlaubnis. Ich habe ihr gesagt, sie muss nach Berlin gehen um eine Besucherlaubnis." Er hat mich dann in sein Zimmer hinübergenommen und hat mich angefangen auszufragen, von wo ich denn gekommen bin. Es hat sich herausgestellt, er war auch ein Dresdner und in dem Haus, wo ich gewohnt hab' in Dresden, hat seine Schwester gewohnt. Es war also schon irgendein Kontakt hergestellt. Vielleicht drei Wochen später wurde ich auf einmal wieder zum Oberscharführer Kirschner gerufen. Ich ging wieder so über dieses Stück Straße schräg hinüber und sah ihn schon im Tor stehen. Wie ich so mitten in der Straße war, deutete er mir auf einmal Richtung Zaun. Wir waren da vielleicht 60 Meter von dem Eingang des Lager, also vom Stacheldraht, entfernt, wo der Posten gesessen ist. Ich schaute hin und sah meine Mutter über die Straße gehen, dem Ausgang zu. Ich rief: "Mama!" Sie drehte sich um und wollte zu mir laufen. Er deutete aber "nein". Ich hab' ihr dann noch zugerufen: "Mama, mir geht es gut, bitte komm nie wieder nach Auschwitz!" Sie hat natürlich schrecklich geweint und ist dann ganz gebrochen zum Ausgang gegangen. Der Kirschner hat mich dann wieder gerufen und gesagt: "Deine Mutter ist wiedergekommen, sie hat keine Besuchserlaubnis bekommen und sie hat halt gedacht, dass sie's doch schaffen wird, dass sie dich sehen wird." Da hat er halt eine menschliche Geste gezeigt - ansonsten war er nicht menschlich - und ihr gesagt: "Versprechen Sie mir, dass Sie nicht auf ihre Tochter zugehen, aber Sie sollen sie sehen." [...]

 

Eines Tages kam meine Kameradin Sonja, die beim Kommandanten gearbeitet hat, zu mir und sagte: "Du, hör zu, ich hab' da Möglichkeiten, ich kenn' eine Aufseherin, da können wir schwarz nach Wien schreiben." Und ich dachte mir, ja eigentlich könnte ich da auch einmal schwarz schreiben, und schickte über diese Adresse meiner Mutter einen Brief. Dieser Brief hätte durch jede Zensur durchgehen können, ich hab' ihr ohnehin nichts geschrieben, weil irgendwie war man ja doch gehemmt. Ich hab' ihr geschrieben, sie kann an diesen Absender auch schreiben. Sie hat das auch getan, aber in der Zwischenzeit wurde jene Aufseherin wegen "Organisierens" von Gold verhaftet. Es wurde eine Hausdurchsuchung bei ihr gemacht und dabei kam der Brief meiner Mutter in die Hände der SS. Am nächsten Tag hat - mit großer Freude - mich dieser Unterscharführer Kristan, mein direkter Chef, eigenhändig mit dem Hund zu Fuß nach Birkenau gebracht. So kam ich wieder nach Birkenau. Das war 1944.

 

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