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Rudolf Kroyer: Klipp und Klar

Rudolf Kroyer, geb. 1911 in Zemendorf. Ab 1932 Lehrer im Burgenland, Funktionär des Kulturwerkes der Vaterländischen Front "Neues Leben". 1938 Entlassung aus dem Schuldienst, 14 Tage Schutzhaft. Als kaufmännischer Angestellter in Bremen tätig, 1940 neuerlich Schutzhaft wegen "defaitistischer" Äußerungen, Einrücken zur Wehrmacht, 1944-1946 französische Kriegsgefangenschaft.

Ab 1946 Wohnsitz in Wien, Hauptschullehrer, 1956 Promotion zum Dr. phil., 1959-1971 Hauptschuldirektor, ab 1977 freier Mitarbeiter beim ORF-Landesstudio Burgenland, Mitarbeit in der Pfarre Maria Treu in Wien und in der Caritas, Bundesobmann-Stellvertreter der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten.

Verstorben 1997.

 

 

Ich kam dann nach Bremen, ich möchte fast sagen ins Exil, war dort kaufmännischer Angestellter in einer Speditionsfirma und habe mich im Jahre 1940, im Februar, beim Friseur defaitistisch geäußert. Antinationalsozialistisch habe ich mich geäußert, und diese meine Äußerung beim Friseur hat ein dort anwesender Mann gehört und mich beobachtet. Wie ich fertig war, hat er dann schon auf mich draußen gewartet, hat sich vorgestellt als Gestapo-Mann und hat zu mir gesagt: "Sie werden von uns hören, aufgrund Ihrer Äußerungen." Da war der Krieg Russland-Finnland, und das Deutsche Reich war auf Seiten Russlands aufgrund des Stalin-Hitler-Paktes [...] Das konnte ich als alter Antibolschewik nicht verstehen, dass plötzlich Deutschland jetzt nicht auf Seiten des freiheitsliebenden finnischen Volkes war. Das habe ich kritisiert, die deutsche Haltung im Winterkrieg Russland-Finnland. [...] Und ich bin tatsächlich vorgeladen worden, 14 Tage später. Ich weiß es noch genau, es war am 26. Februar 1940. Ich kam dann wieder in Schutzhaft, oben in Bremen, ein zweites Mal in Schutzhaft. [...]

 

Bevor ich entlassen wurde, musste ich einen Revers unterschreiben: wenn ich mich noch einmal irgendwie gegen den Nationalsozialismus äußere, wenn ich noch ein drittes Mal geschnappt werde - im Burgenland einmal gesessen, jetzt wieder gesessen in Bremen -, werde ich ohne Gerichtsverfahren sofort in ein Konzentrationslager überstellt. Das erzählte ich meinem Beichtvater, worauf er sagte: "Bitte, gehen Sie freiwillig zur Deutschen Wehrmacht! Sie sind dort eine Null, man kennt Sie nicht, Sie tauchen unter." Was ich dann getan habe. Eigenartig ist nur, dass ich als Antinazi und als Gegner dieses Regimes, dieses Staates, mich freiwillig zur Deutschen Wehrmacht gemeldet habe. [...]

 

In Bremen kam es auch nicht zur Anklage. Ich glaube, mein Chef - ich war bei einer Speditionsfirma -, der hat den Nazis Geld gegeben, er hat mich losgekauft. So hatte ich den Eindruck. Weil er mich dann, wie ich also entlassen wurde, abgeholt hat und seinen Triumph in der Firma so gezeigt hat, quasi: das ist mein Produkt, den habe ich aus dem Gefangenenhaus befreit. [...] Die Geheime Staatspolizei hat mir nur gesagt: "Wenn Sie so weitertun, kommen Sie in ein Konzentrationslager." Wobei ich Folgendes noch sagen muss: Die haben mich schon ausgeforscht, und ich habe sehr klar und deutlich meinen Standpunkt diesen Leuten gesagt - Österreicher, praktizierender Katholik, ich liebe meine Heimat Österreich, weltanschaulich kann ich kein Nationalsozialist sein. Das habe ich denen so klipp und klar gesagt, dass es ihnen irgendwie doch imponiert hat. [...]

 

Ich war ein Einzelkämpfer im Widerstand, wenn ich das so sagen darf. Ich hatte weder im Burgenland noch in Bremen Verbindung zu Widerstandskämpfern oder irgendwelche Berührungspunkte. Ich habe gewusst, meine katholischen Freunde waren alle auch Antinazi, aber sie waren wahrscheinlich nicht im Widerstand, das weiß ich nicht. Und auch in Frankreich hätte ich nicht zum Widerstand gehen können, obwohl ich innerlich im Widerstand war, weil, wenn das gegen meine Kameraden in der Wehrmacht gegangen wäre, hätte ich nicht mitgetan. Ich hätte meine Kameraden als solche nie verraten. Sie waren für mich nicht Nazis und keine Preußen, sie waren für mich Kameraden. [...]

 

Ich bin mehr oder weniger großdeutsch erzogen worden; aber vor allem hat man uns gelehrt, dass Österreich einmal ein Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war und dass die Habsburger in Wien die Kaiser dieses Reiches waren. In diesem abendländisch-großdeutschen Gedanken, der ursprünglich auch ein christlicher war, bin ich aufgewachsen. [...] Und aus dieser Haltung heraus war ich nicht antideutsch, ich war antinationalsozialistisch.

 

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