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Fritz Tränkler: Mit einer rot-weiß-roten Fahne

Fritz Tränkler, geb. 1910 in Wien, Privatbeamter. Angehöriger des Republikanischen Schutzbunds, nach der Teilnahme an den Februarkämpfen 1934 Flucht in die ČSR, von dort in die Sowjetunion, 1937 Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg, 1939 nach Frankreich, Internierung in den Lagern St. Cyprien, Gurs, Le Vernet, dann Djelfa (Algerien), nach der Befreiung Nordafrikas durch die Alliierten Mitglied des britischen Pionierkorps, zurück in die UdSSR. Sommer 1944 gemeinsam mit einer in der Sowjetunion ausgebildeten Gruppe Absprung über den befreiten Gebieten Sloweniens, August 1944 nach Österreich, Bildung der "Kampfgruppe Steiermark", die im Gebiet der Kor- und Saualpe aktiv war.

Nach 1945 Arbeit in der Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft.

Verstorben 1990.

 

 

Ende April 1945 hat langsam die Gefahr bestanden, dass es Zusammenstöße zwischen uns und der Sowjetarmee gibt, denn die wissen ja nicht, wer wir sind, wir haben keinen Kontakt gehabt. Wir befürchteten, dass die Artillerie abschießen oder einen Panzerangriff gegen uns machen würden. Wir haben beschlossen, dass ich mit einer kleinen Gruppe versuche, durch die deutschen Truppen, die auch gegen Graz marschieren oder vorbeimarschieren wollen, zur Packstraße durchzukommen. Ich habe gesagt: "Ich riskiere das." Ich habe mir einen kleinen Jeep, den wir vorher von den Deutschen erobert haben, und einen Straßenpanzer genommen, und wir sind mit vier oder fünf Mann nach Graz gefahren. Auf unser Auto haben wir eine rot-weiß-rote Fahne draufgegeben. Wir sind kein einziges Mal aufgehalten worden, obwohl sehr viele deutsche Truppen unterwegs waren. Die waren vielleicht so überrascht, dass da ein kleines Auto und ein Panzerwagen mit einer rot-weiß-roten Fahne durchfahren, vielleicht waren sie es auch schon gewöhnt. Es hat Dörfer gegeben, die von sich aus schon die rot-weiß-rote Fahne gehisst haben.

 

Jedenfalls bin ich überall durchgekommen und bin vor Graz auf Sowjettruppen gestoßen. Wir sind stehen geblieben, ich bin allein vorausgegangen. Die haben mich akzeptiert; ich habe gesagt, wer wir sind und dass ich den Stab der Front sprechen will, um keine unglücklichen Zusammenstöße hervorzurufen; wir seien auch froh, wenn der Krieg aus ist. Die haben dann gesagt, wir sollen weiterfahren. Dann bin ich nach Graz hinein. Ich habe damals Graz nicht sehr gut gekannt; wir haben das Zentrum gesucht, immer noch mit dem Auto und dem Panzerwagen, und sind in Graz herumgefahren. Wir haben gar nicht so viele Truppen getroffen; ich habe Sowjetsoldaten getroffen und sie gefragt, wo die Front sei, das Kommando, der Stab der Front. Wir sind drei, vier Stunden wirklich hin und her gefahren, manchmal sind wir gestanden und haben gewartet, dass uns jemand anspricht, aber nichts. Dann ist es schon Abend geworden, auf einmal sind wir von 20 bewaffneten Sowjetsoldaten umzingelt gewesen. Mit Maschinenpistolen haben sie uns aufgehalten. Wir haben mit dem Kommandanten gesprochen, ich habe ihm gesagt, worum es geht, der hat sich ein bisschen den Kopf gekratzt, hat nicht gewusst, was er machen soll, dann sind wir mit ihnen mitgekommen, haben dann bei einer Schule gewartet, dann ist er zurückgekommen und sagte, dass man heute nichts mehr machen könne, gab uns etwas Brot und Fleisch, und wir sollten uns in die Schule setzen. Wir seien Gefangene, und morgen früh wollten sie uns holen. Wir haben dort in der Schule auf dem Fußboden geschlafen, das war ja nichts Besonderes, es hat uns nichts gemacht.

 

Am nächsten Tag in der Früh sind wir wirklich abgeholt worden, im Zug mit zehn bis 15 bewaffneten Leuten sind wir an den Stadtrand von Graz marschiert zu einem großen Gebäude mit einem großen Hof drinnen; wir sollten hineingehen und warten. Wir sind hineinmarschiert und sahen, dass wir in einem Gefangenenlager mit deutschen Soldaten waren. Wir haben natürlich zu schreien begonnen und den Kommandanten des Lagers verlangt, aber der war natürlich schon wieder weg. Später habe ich ihm das erzählt, und er hat gesagt, er werde versuchen, irgendwie Kontakt aufzunehmen mit dem Generalstab und mit dem Kommando der Stadt, aber wir müssen eben warten. Auf einmal heißt es: "Alle antreten" - wir waren mit den deutschen Kriegsgefangenen zusammen, vielleicht 500 bis 600 Leute -, "Antreten und marsch". Dann sind wir natürlich sehr böse geworden, es hat zwar nichts genützt, aber es ist auch der Verdacht aufgekommen, dass wir jetzt Richtung Osten geführt werden, gemeinsam mit den gefangenen deutschen Soldaten. Ich habe zu den anderen vier Leuten gesagt: "Passt auf, das machen wir nicht mit, protestieren nützt nichts, wir gehen am Ende des Zuges, und dort werden wir schauen, ob wir nicht wegkommen." Wir haben das gemacht, einer hat sich in Graz etwas besser ausgekannt, und bei einer Ecke haben wir gesagt: "Jetzt geht es los", sind in ein Haus reingesprungen und sind weggelaufen. Es hat sich weiter nichts ergeben, ich habe nur mehr die Bewachungssoldaten schreien gehört. Jetzt sind wir zu Fuß herumgegangen. [...] Da sehe ich die Paradestiege, ein altes Palais, sehe einen Oberst herunterkommen, und es kommt mir vor, dass ich den kenne. Ich sage zu dem Posten: "Lassen Sie mich mit dem Oberst sprechen", dann bin ich zu ihm hin, er fällt mir um den Hals. Ich habe ihn 1936 im Kaukasus kennen gelernt; im Trupp, in dem wir gearbeitet haben, war er einer der sowjetischen Alpinisten, die Bergbesteigungen durchgeführt haben. Der hat uns legitimiert: "Wartet ein bisschen, ich werde da jemanden bringen", er hat uns vom Stab einen höheren Offizier gebracht. Ich habe ihm gesagt, wie es ist; wir sind dann mit zwei Wagen Richtung Packstraße gefahren an die Stadtgrenze, da haben wir schon erfahren, dass sich eine Gruppe nähert, alles motorisiert. Ob das die Partisanen sein können? Sage ich: "Wahrscheinlich, wir haben in der letzten Zeit schon genug Fahrzeuge gehabt", bewaffnet waren sie auch; die sind dann durchgelassen worden und wir sind in Graz stationiert worden. Wir haben von den Russen verlangt, dass sie unsere Leute, die wegwollen, vor allem die, die aus der Steiermark sind, freilassen; das ist geschehen. Einige von unserer Gruppe sind auch nach Wien gegangen, der größere Teil ist nach Moskau zurückgefahren, sie haben noch Sachen dort gehabt, teilweise ihre Familien; ich habe noch meinen Bruder dort gehabt. Ich bin von Graz weg nach Moskau, im Zug, mit einem Militärtransport. Es war keine sehr angenehme Fahrt, aber immerhin, mir war es wichtig, dass ich wegkomme und dass in erster Linie der Krieg aus war. Die Kampftruppe hat sich praktisch aufgelöst. Einige sind nach Wien gekommen. In Moskau sind wir eine Zeit lang gewesen; ich habe erfahren, dass mein Bruder in Leningrad zugrunde gegangen ist.

 

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