logo
logo

Milena Gröblacher: Dann hieß es, es war eine Wirtshausrauferei

Milena Gröblacher (Vanda), geb. 1921 in St. Kanzian/Škocijan. Ab Herbst 1943 Unterstützung der Kärntner PartisanInnen.

1945-1955 Sekretärin, danach Vorsitzende des Verbandes slowenischer Frauen/Zveza slovenskih žena.

Verstorben 1997.

 

 

Am 8. Mai [1945] tauchten die Partisanen auf. Sie traten nicht massiv auf, aber gerade in so einem Ausmaß, dass man sehen konnte, die Slowenen haben die Herrschaft. Sie waren furchtbar erschöpft, ich sehe noch heute den Rozman vor mir, wie er kommt und zu mir sagt: "Ich bitte dich recht schön, lass mich fünf Minuten schlafen, aber dann weck mich auf." Er legte sich auf die Bank und schlief wie ein Toter. Es gelang mir nur mit Mühe, ihn zu wecken. Er war drei Tage und drei Nächte in Aktion gewesen, das war dann schon die Armee und nicht mehr der politische Kader. Dann suchten wir den früheren Bürgermeister und noch ein paar Leute, wie den Wutte, den Jogervater und unseren Vater auf, die stellten dann die neue Obrigkeit dar. Wir waren zu jung, uns ließen sie nicht dazu. Wir versuchten die alte Obrigkeit zu stellen, einfach war das nicht, weil niemand genau wusste, mit wem er anfangen sollte. Der letzte Ortsgruppenleiter erschoss sich in diesen Tagen dann selbst. Er war so ein idealistischer Nazi, die Partisanen gingen zu ihm hinauf und durchsuchten alles, aber er hatte nichts beiseite geschafft, und so ließen sie ihn in Ruhe. Am nächsten Tag erschoss er seine Frau und sich selbst.

 

Mit dieser Flüchtlingswelle kamen so viel Menschen in unsere Gegend, dass es manchmal schwer war zu sondieren. Die Armee war da, Ungarn, Zivilisten und auch ustaši. Die ustaši stahlen noch und noch. Es kamen zwei berittene Kuriere zu mir, ich kannte sie nicht, aber sie wussten meinen illegalen Namen - Vanda - und sie sagten: "Geh hinunter zur Drau und schau nach, wie es dort aussieht, ob ustaši dort sind oder nicht." Und ich ging wirklich hin und erfuhr, dass ein paar von ihnen über die Brücke gegangen waren, über jene Brücke, die noch intakt war. Auf einmal tauchten die Engländer auf und jagten die Brücke in die Luft. So war der Übergang erschwert, die ustaši rannten hin und her, sie ließen drei Lastwägen mit gestohlener Ware stehen, die einen waren entwaffnet, die anderen versuchten, sich zu formieren. Die Partisanen stellten ziemlich ungeordnet eine Dorfwacht auf, manchmal waren noch große Gegner aus der Zeit des Krieges dabei. Diese Zeit war so aufgewühlt, manchmal wusstest du von einem Tag auf den anderen nicht, was kommt und wem du noch trauen kannst.

 

Und in diesem Hin und Her all dieser Gruppen versuchten wir, die Macht im Dorf zu übernehmen, und wir hatten eine OF-Versammlung [Osvobodilna fronta - Befreiungsfront] in Klagenfurt, zu der die Front geladen hatte. Der Partisanenchor sang, die Redner erklärten die politische Struktur, die Gemeinden sollten kleiner werden, wir sollten unsere Leute aufstellen, wir hätten genug gelitten. Es war eine ruhige, schöne Versammlung, und wir waren viele Leute. Von den Engländern merkte man zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Kurz darauf bekamen wir das erste Mal eines über den Kopf. Die Engländer tauchten auf und schickten die Partisanenarmee nach Jugoslawien. Hier geblieben sind nur welche vom politischen Kader, wir waren ja schrecklich frech, selbstbewusst. Wir glaubten, die Welt gehöre uns.

 

Die Engländer setzten auf Gemeindeebene unsere Leute ab. Sie installierten eine neue Verwaltung mit jenen, die vor '38 im Gemeinderat waren, sowie mit nicht Gewählten und Soldaten, die verletzt nach Hause kamen - soweit sie von Nutzen waren. Meistens sowieso nicht, weil sie die Arbeit nicht gewöhnt waren. Bei dieser Einsetzung der alten Macht stützten sie sich ausschließlich auf das deutschnationale Element.

 

Wir hatten dann auch schon bald Veranstaltungen in St. Kanzian, aber wir kamen bald drauf, was immer du tust, du wirst beobachtet und eingeschränkt. Wenn du schon nicht erschlagen wirst, so wird dir wenigstens die Arbeit erschwert. Ganz konkret: Wir hatten im 45er Jahr beim Wank eine Veranstaltung. Zwei Sketches waren am Programm, sowieso unschuldige, noch aus der Monarchie. Heute würde ich mich genieren, so etwas zu spielen. Dazwischen wurde gesungen und rezitiert, im Anschluss war ein Tanz geplant. Meine Großmutter geht zu der Veranstaltung, unterwegs trifft sie junge Burschen, die ihr gesagt haben, sie soll einen Leiterwagen holen gehen, damit sie die Knochen vom Šiman heimbringe. Der Šiman, das ist mein Bruder, der hätte bei einem der Sketches mitspielen sollen, und die Wurfkommandler wollten den Auftritt verhindern, indem sie einen der Spieler so verprügelten, dass er nicht mehr auftreten konnte.

 

Das Wurfkommando war eine Horde von Leuten, die tauchten oft bei slowenischen Veranstaltungen auf, immer mit der Absicht, sie zu verhindern. Diese Wurfkommandos waren zusammengesetzt aus Nazis und einigen Raufern, und alles war so organisiert, dass sie planmäßig vorgingen. Aus Stein weiß ich zwei, die dabei waren, dann aus St. Veit, Söhne von Nazis. Selber waren sie ja zu feige, öffentlich aufzutreten. Aber sie organisierten Gegner, Slowenenhasser und dazu noch typische Raufer, die politisch keine Ahnung hatten, aber aufgehetzt waren, vielleicht sogar bezahlt, das wussten wir nicht, und die griffen uns dann an. Die gab es nicht nur in St. Kanzian, sondern auch in Eisenkappel. Am bekanntesten waren die aus St. Štefan bei Globasnitz. Ihre Aktivitäten waren konzentriert auf slowenische Veranstaltungen, gleich welchen Inhalts.

 

Wir sperrten den Saal ab, der Saal war gerammelt voll, weil jede Veranstaltung dieser Art etwas Neues und nach so langer Zeit wieder möglich war. Sie fingen an, auf die Scheiben zu schlagen und zu stören. Unser Motto war: alle Spieler hinter die Bühne, denn fehlte einer, war die Veranstaltung beim Teufel. Und jetzt begannen sie, draußen zu lärmen, die Leute waren nervös, man wusste nicht, was tun, und da sagte einer: "Jetzt muss einer auf die Bühne gehen und sagen, dass wir trotzdem spielen werden, und in acht Tagen auch." Die Männer wehrten sich alle, auf einmal stieß mich jemand auf die Bühne vor das Publikum, und ich musste reden. Ich wiederholte angeblich gut, was wir früher ausgemacht hatten. Ich hatte kein gutes Gefühl: "Heute in acht Tagen werden wir wieder spielen, verehrtes Publikum, und wir laden euch alle recht herzlich ein, wieder zu kommen, und das, obwohl sie so auf die Fensterscheiben einschlagen." Wir spielten an dem Abend fertig, die begannen mitten in der Vorstellung mit der Lärmerei, wir mussten ein bisschen unterbrechen, damit wieder Ruhe einkehrte und sich die Nervosität legte. Darauf wurde getanzt, und da begannen sie erst richtig zu provozieren. Mich packte einer und sagte: "Du wirst hier nicht herumstrampeln", ein bisschen leichter war ich damals schon als heute, und er warf mich hinaus auf den Hof und sagte: "Da draußen sollen dir die Sterne leuchten." Das war kein Katzendreck. Meinen Bruder Šiman und den ehemaligen Partisanen Buč aus Mökriach verprügelten sie nach der Veranstaltung ordentlich. Wo sie die beiden erwischten, weiß ich nicht. Der Buč zahlte so drauf, dass er krank wurde, und ich weiß nicht, ob das nicht mit schuld an seinem frühen Tod war. Beim Wank, wo wir die Veranstaltung hatten, zertrümmerten sie die Tür und die Scheiben. Darauf kam er sich zu uns entschuldigen, dass er sich nicht mehr getraute, unsere Veranstaltungen unter seinem Dach stattfinden zu lassen. Die Veranstaltung eine Woche darauf verlief ruhig. Es gab keinen Tanz, und sehr viel weniger Leute kamen. Wir meldeten zwar den Vorfall, aber es passierte nichts. Diese Wurfkommandos existierten bis 1949/50. Dass jemand von denen bestraft worden wäre, davon hörte ich nichts. Wenn du in der Nacht eine über den Schädel bekamst, konntest du nicht einmal etwas beweisen, und wenn so eine Gruppe auftauchte, dann hieß es, es war eine Wirtshausrauferei. Die Engländer hielten sich aus diesen Sachen heraus.

 

<< zurück

 

Unterstützt von: