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Alexander Rabinowicz: An der Rampe von Auschwitz sind wir getrennt worden

Alexander Rabinowicz, geb. 1907 in Budapest als Sohn einer eher assimilierten jüdischen Wiener Familie. Besitzer einer kleinen Wäscheerzeugungsfirma. Nach dem "Anschluss" Verlust von Wohnung und Firma. 1938 Flucht mit seiner Gattin nach Belgien, wohin auch sein Vater nachkam. Mai 1940 gemeinsam mit seinem Vater Internierung im französischen Lager St. Cyprien. Flucht nach Brüssel (sein Vater wurde von Frankreich nach Auschwitz deportiert und ermordet). Sommer 1942 Deportation mit seiner Frau und dem im April 1939 geborenen Sohn nach Auschwitz, Frau und Kind werden dort ermordet. Überstellung in das Nebenlager Jawischowitz, Jänner 1945 Überstellung in das KZ Buchenwald, neuerliche Flucht während des anschließenden "Evakuierungstransports" nach Theresienstadt.

Rückkehr nach Wien.

Verstorben.

 

 

Ich wäre über Stock und Stein gelaufen, nur um vor den Nazis zu flüchten. Doch wie ich meiner Frau vorgeschlagen habe, wir sollten uns um eine Überfahrt nach Shanghai bemühen, hat sie mich angeschaut wie einen Verrückten: "Shanghai, was willst du in Shanghai machen?" Sage ich: "Na, was sollen wir machen? Nur weg von da." Sagt sie: "Dort kommen sie auch hin, die kommen überall hin." So hat meine Frau gesagt. Ich habe in Brüssel aushilfsweise in einer Batteriefabrik gearbeitet. Der Besitzer der Fabrik hat mir angeboten, den Buben zu verstecken. Aber meine Frau wollte nicht: "Dort, wohin wir gehen, wird auch das Kind sein." Mitsamt dem Kind ist sie nach Auschwitz gekommen, und alle, die mit Kindern angekommen sind, sind sofort vergast worden. Kein Einziger hat überlebt. [...]

 

An dem Tag, wo ich mit meiner Frau in Brüssel verhaftet wurde, kam einer, machte die Tür auf und sagte: "Sie haben zwanzig Minuten Zeit und können alles zusammenpacken!" Sage ich: "Nehmen Sie mich mit, das Kind ist krank" - das ist schon im Bett gelegen - "nehmen Sie mich mit und lassen Sie die Frau mit dem Kind da." Sagt er: "Wollen Sie nicht mit Ihrer Frau beisammen sein? Sie kommen in ein Arbeitslager, und Sie werden dort arbeiten." [...]

 

Bittschön, Auschwitz habe ich ja auch nicht gekannt. Ich habe mir nur vorgestellt, die wollen uns in ein Anhaltelager bringen. Meine Frau nimmt noch Vorhänge mit. Sagt sie, wir werden Vorhänge brauchen, vielleicht haben wir dort ein Fenster oder was. Sie hat sich das so vorgestellt, wir sind in einer Baracke, und da wirst du halt arbeiten, fertig. Ich habe nichts gewusst, gar nichts. Wenn ich da etwas gewusst hätte, komme ich nicht nach Auschwitz, da können Sie sicher sein. Bevor wir noch geholt wurden, habe ich doch gehört, man holt die Leute aus den Wohnungen. Da stand ich einmal beim Fenster in der Küche, davor war ein Blechdach, das geht weit hinaus. Ich sagte zu meiner Frau: "Wenn da jemand kommt, dir geschieht schon nichts, ich bin da gleich draußen beim Fenster." Und wie der sagt: "Packen Sie zusammen, Sie haben zwanzig Minuten Zeit", sagt meine Frau zu mir diese Worte: "Lass uns nicht allein". So bin ich geblieben. [...]

 

Die Fahrt hat ca. zwei Tage gedauert [...] Jeder hat ein ungutes Gefühl gehabt, da in einem Viehwaggon, wo man nichts haben kann, nicht austreten kann. Wann kommen wir an, und wie wird das sein, und was wird sein? Auf einmal haben wir Schreien gehört, auf einer Station irgendwo haben sie herumgeschrien, man hat das so nicht entnehmen können, was jetzt ist. Vielleicht machen sie auf, sie haben aber nicht aufgemacht. [...]

 

An der Rampe von Auschwitz sind wir getrennt worden. [...] Wir sind getrieben worden wie die Viecher - weg, weg! Nur da herüber, da herüber! Alles ist gelaufen, man hat ja nicht gewusst, ich habe nichts mehr gesehen, überhaupt niemanden mehr. Ich habe nur eines gesehen, das werde ich nie vergessen: Ein Lastwagen fuhr vor, und einer nimmt die Kinder bei der Hand und schmeißt sie herein in den Lastwagen. So hat er sie hereingeschmissen, nacheinander, dass die Kinder geschrien haben wie die Schweine. Wie die Schweine haben sie geschrien. Und dann ist der Lastwagen weggefahren, wohin, das weiß man nicht. Das hat man mit den Kindern gemacht! Und wenn ich heute so sitze im Park und schaue, denke ich mir, was sind das für Menschen, was ist die Welt wert, wenn man solche Tschapperln auf die Art und Weise umbringt, die noch nicht einmal vom Leben etwas wissen. Sehen Sie, da liegt das Dilemma, dass man weiß, welche Sachen passiert sind.

 

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