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Franzi (Danneberg-)Löw: Einige haben wir tot aus den Waggons gezogen

Franzi (Danneberg-)Löw, geb. 1916 in Wien. Ab September 1937 Fürsorgerin der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. 1938-1945 Betreuung von jüdischen Jugendlichen, Gefangenen und ungarischen Jüdinnen und Juden.

1945 trat Franzi (Danneberg-)Löw in den Dienst der Stadt Wien.

Verstorben.

 

 

Die Fürsorge für die ungarischen Juden war eine meiner schwierigsten Tätigkeiten.

 

Im Juni 1944 wurden einige Transporte ungarischer Juden nach Wien geschickt, die hier bei Schuttaufräumungsarbeiten und für die Einbringung der Ernte eingesetzt wurden. Vom Ostbahnhof aus wurde ich verständigt, dass ich sofort zum Bahnhof kommen muss, weil Tausende ungarische Juden in Wien angekommen sind. Man kann sich keine Vorstellung machen, wie die Leute in den Waggons zusammengepfercht waren. Einige haben wir tot aus den Waggons gezogen, andere wieder sind noch bei der Ankunft im Waggon gestorben. In Wien wurden die Ungarn in mehr als 40 Lagern untergebracht. Diese Lager waren über ganz Wien verstreut. Die Leute sind in Ungarn zusammengefangen worden, haben nur das gehabt, was sie am Leibe trugen. Der Lagerleiter aus dem 15. Bezirk, aus der Hackengasse, hat die Kultusgemeinde angerufen, mich verlangt und gebeten, ich soll so rasch wie möglich in das Lager kommen, es seien 600 Menschen in seinem Lager, die Hilfe benötigen. Ich habe alles stehen und liegen gelassen, bin sofort in die Hackengasse gefahren und habe mir absichtlich den jüdischen "Stern" am Mantel gelassen.

 

Es waren alle 600 Juden in einem großen Turnsaal versammelt. Ich habe ihnen gesagt, dass auch ich Jüdin bin, genauso wie sie Juden sind, dass ich aber leider der ungarischen Sprache nicht mächtig sei. Ich könne nur Deutsch sprechen, und jemand, der Deutsch verstehe, möge das, was ich sage, übersetzen. Das haben wir auch getan. Der jüdische Leiter, ein Herr Dr. Göndör, hat als Erstes um Medikamente und Wäsche gebeten. Wir hatten ja, wie ich bereits erwähnte, beim "Ältestenrat" eine Kleiderkammer. Aus dieser Kleiderkammer konnte ich den ungarischen Juden das Notwendigste für jeden, Hemden, Hosen, Taschentücher und Anzüge, zur Verfügung stellen. Auch in diesem Falle hat mir der "Ältestenrat" einen Handwagen zur Verfügung gestellt, und mit diesem Handwagen, der so groß war wie ein Tisch, bin ich von der Seitenstettengasse jeden Tag in ein anderes Lager gefahren.

 

Das ist gut gegangen, bis ich eines Tages in das Lager, das bei den Gaswerken in der Nähe gelegen war, gekommen bin. Ich bin nicht ganz bis zum Lager gekommen, da wurde ich von einem SS-Mann aufgehalten, der mich fragte, was ich will. Ich sagte, nach meinem Wissen sind ungarische Juden in dem Lager, ich selbst sei Jüdin, ich wolle zu ihnen, um ihnen zu helfen. Daraufhin sagte der SS-Mann, ich möge einen Moment warten. Er telefonierte. Nach dem Telefonat ist ein Militärauto gekommen, man hat mich mit meinem Rucksack geschnappt, ins Auto gesetzt und in das Sondereinsatzkommando-Außenkommando Wien zu dem SS-Hauptsturmführer Dr. Seidl in die Castellezgasse gebracht. Dr. Seidl hat als Erstes mit mir geschrien, was ich in dem Lager eigentlich will. Daraufhin sagte ich: "Ich bin Jüdin. Es sind ungarische Juden in ihrer Not jetzt nach Wien gekommen, ich tue nichts anderes als das, was auch Sie täten, wenn Ihre Mitbrüder in der Fremde Hilfe brauchten. Also, so versuche ich auch, den ungarischen Juden zu helfen." Daraufhin hat er gesagt, ich hätte einen großen Fehler begangen, dass ich nicht vorher bei ihm war, ich hätte zu ihm kommen und ihm das sagen müssen, dass ich die Lager besuchen will. Er gab mir eine Bestätigung, die ich noch heute besitze, dass ich berechtigt bin, die Lager zu besuchen und den Lagerinsassen ihre Wünsche nach Möglichkeit zu erfüllen.

 

Die Familien waren zerrissen. Der Vater ist in einem anderen Lager, die Mutter in einem andern und die Kinder wiederum in einem anderen Lager gewesen. Da ich in alle Lager gekommen bin, habe ich auch die Namen der Insassen gewusst, konnte den Leuten sagen, wo ihre Angehörigen sind. Dadurch ist es mir gelungen, die Familienmitglieder zusammenzuführen. Das war für alle ein großes Glück.

 

Ich habe in den Monaten Jänner, Feber, März 1945 von den Schweizer Juden für die ungarischen Juden ganz neue Sachen zum Anziehen bekommen. Es waren Anzüge, Kleider und Schuhe. Die Kisten sind direkt nach Wien zu meinen Handen gekommen. Mit einem Ausweis musste ich in den Bahnhof, um die Kisten zu übernehmen. Damit ich die Sachen so rasch wie möglich verteilen konnte, habe ich wieder einen Handwagen bekommen.

 

März 1945 wurden die Lager aufgelöst. Ein Teil der Inhaftierten wurde in die KZ Bergen-Belsen, Auschwitz und Theresienstadt deportiert. Am Tage der Deportationen standen plötzlich zwölf ungarische Juden vor mir in der Kultusgemeinde, sie baten mich, sie irgendwo zu verstecken. Es ist mir nach vielen Aufregungen geglückt, sie bei Nichtjuden in Kellern im 1. Bezirk, unter anderem am Tiefen Graben, unterzubringen. Ich habe diese Menschen mit den notwendigsten Lebensmittel versorgt. So ist es mir gelungen, diese ungarischen Juden bis zur Befreiung zu retten.

 

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