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Janez Wutte: Partisanenleben

Janez Wutte (Luc), geb. 1918 in Vesielach/Vesele als Bauernsohn. Ab Ende April 1944 bei den Kärntner PartisanInnen.

Hotelier. Stellvertretender Vorsitzender des Zentralverbandes slowenischer Organisationen. Ab 1980 Vorsitzender des Verbandes der Kärntner Partisanen.

Verstorben 2002.

 

 

Ich hatte Heimaturlaub. Am 23. April 1944 bin ich also auf dem Weg nach Hause. Komme beim Nachbarn vorbei - die bessern gerade die Futtertröge aus -, schreie hinunter, aber die hören nichts, es geht gerade der Wind; ich nehme das Gewehr von der Schulter und feuere zwei Schüsse ab; die Frauen fahren hoch, sind zuerst erschrocken, dann erkennen sie mich.

 

"Der Karl ist auch zu Hause." Das war mein Bruder. Ich trete ins Haus und er fragt mich: "Gehst du zurück?" - "Ich werd abwarten, wie die Situation ist." - "Ich geh nicht mehr zurück." Sein Urlaub ist abgelaufen. Ich meine: "Ein paar Tage wäre ich schon gerne zu Hause, dann werde ich Kontakt aufnehmen, dann reden wir uns aus." Er sagt: "Ich habe Kontakte", und ich: "In Ordnung, ich bleibe aber doch lieber ein paar Tage zu Hause." Am nächsten Tag aber sucht uns die Polizei, und so fliehen wir gemeinsam.

 

Wir gingen zuerst nach Sittersdorf, es war alles genau ausgemacht. Der Nachbarssohn hatte das bereits in die Wege geleitet. Du musstest die Polizei hinters Licht führen, es musste den Eindruck erwecken, als wärst du gewaltsam mobilisiert worden, wegen der Zuhausegebliebenen. Wir gingen zu einem Nazi in den Stall, tranken ein bisschen Schnaps und warteten. Plötzlich stehen die Partisanen im Stall, "Hände hoch!", klar, wir strecken die Hände hoch. "Urlauber?" - "Ja." - "Sie sind auch ein Urlauber?" - "Ja." - "Sie auch, was sind Sie?" - "Ich bin der Bauer, mir gehört der Hof." - "Werden Sie mit uns gehen?" - "Zum Teufel, ich kann ja nicht, ich kann ja nicht", und er wehrt sich. "No ja, wenn Sie nicht gehen, ein Paar Schuhe werden Sie hergeben, einer ist ohne Schuhe." - "Zum Teufel, ich habe ja so kleine Füße." Der Bauer war ein kleiner Mensch. "Wir haben auch Leute mit kleinen Füßen." Und dann ging einer mit ihm, und wir nahmen noch eine kleine Jause mit, und dann waren wir weg.

 

Die uns mobilisierten, waren vosovci, fünf bis sieben Mann. Kolja war dabei, der war später Vize beim Sozialistischen Verband. Wir wollten noch den Nachbarn mitnehmen, der war auch auf Urlaub, dort machten sie aber nicht auf; und als die Polizei begann, umherzufahren, hauten wir ab über die Gräben und über die Vellach nach Rechberg, bei der Fabrik über die Brücke und dort über die Berge. Am nächsten Abend traf ich in Solčava ein.

 

Auf dem Weg in die Solčava passierte noch etwas Seltsames. Bei Rechberg geht der Rest der Gruppe weiter, aber mich nimmt der Kommandant beiseite und führt mich weg. Auf einmal zieht er die Pistole, entsichert sie und will mich erschießen. In dem Moment - das war eine Art Eingebung - wusste ich, was los war. Ich sagte: "Stopp, du bist falsch informiert, ich bin von gewissen Leuten denunziert worden." Wir redeten uns aus und der Fall war erledigt. Ein Partisan hatte denen erzählt, ich sei ein Nazi und Hitler-Anhänger, ein Feind der Partisanen, und sie wollten mich deswegen erschießen. So etwas ist schon bitter.

 

In Solčava beim Majdač, das war ein Bauer, traf ich noch mehr Deserteure, ein englischer Major war bei ihnen, er nahm ihnen die Soldbücher ab und schrieb sich die Namen auf. Den Engländern ging es um jeden Deserteur, die hatten so eine Freude mit dem nazistischen Soldbuch. Ich saß beim Ofen, das war so ein großer Ofen, und da hörte ich schon: Ivan der Erste, Ivan der Zweite, Janez, ich hörte eine halbe Stunde zu und das ging mir auf die Nerven; die Hälfte waren Ivan und Janez. Was war denn das für ein Verein? Da fragte er den vor mir, welchen Decknamen er haben will, und der sagte "Fric"; ich blätterte gerade in einem Buch, da stand Luc, und er fragte: "Und Sie?" Ich sagte "Luc", ich dachte mir nichts dabei, und so war ich von da an der "Luc".

 

Bis Juni befand ich mich im Savinjatal, am Seebergsattel, dort hatten wir kleinere Kratzereien, auf der Petzen, in den Gräben und in Ebriach, wo es auf dem Obir schwere Kämpfe gab. Ich war von Anfang bis zum Ende immer in der Vorpatrouille.

 

Dann bekam die Kärntner Abteilung den Befehl, sich beim Jurjevec in Remschenig zu sammeln - das ist der am höchsten gelegene Bauer. Der Partisanenname vom Haus war Katica, denn die Tochter des Hauses war Kurierin, und sie half und organisierte sehr viel. Dort sahen wir viele hohe Funktionäre, einige lernten wir erst dort kennen. Als wir alle zusammen waren, stellten wir uns auf, und dann sammelten sie Freiwillige für die Nordseite der Drau. Wer meldet sich freiwillig auf die Nordseite? Wie er das erste Mal fragt, meldet sich keiner. Er fragt ein zweites MaI, es meldet sich keiner, dann fragt er mit erhöhter Stimme, ich weiß nicht genau, war es der Ciril Ribičič oder der Marko Primožič: "Wer kann Deutsch?" Und da wurde es mir lästig, ich zeigte auf. "Luc, komm heraus, komm vor das restliche Bataillon." Dann hieß es, einer ist schon da, wer ist der Nächste, und das ging so weiter, bis wir 17 waren.

 

Am selben Tag trennten wir uns von den anderen. Wir schliefen beim Lipš, beim Nachbarn auf dem Heuschober, und am nächsten Tag, am 23., gingen wir über die Petzen und hinten hinunter nach St. Helena, bis wir am Kömmel waren. In St. Margarethen übernachteten wir vom 23. auf den 24., das heißt, geschlafen wurde nicht viel, wir hatten bei St. Helena ein Schwein geschlachtet, und das brieten wir dann in St. Margarethen, und was wir nicht wegaßen, nahmen wir mit, das war sozusagen unsere Marschverpflegung. Dort wurden wir instruiert, worum es ging. Erstens sollten wir den Funken des Widerstands auch auf die Nordseite bringen, die Nazis aufschrecken, zweitens den Antifaschisten eine Stütze sein, drittens die "Aussiedlung" und den Druck einbremsen, den Antifaschisten die Möglichkeit geben, sich uns anzuschließen, und dann, das war sehr wichtig, sollten wir einen Treffpunkt für die abgeschossenen alliierten Piloten aufbauen. Mit einem Wort - unsere Aufgabe war es, den Widerstand zu entfachen, den Antifaschisten die Moral zu heben und den Faschisten Angst einzujagen. Das ist uns im Großen und Ganzen gelungen.

 

Wir waren die erste Kampfgruppe auf der Nordseite der Drau. Am 24. um ein Uhr nachts kamen wir zur Drau. Wir hatten ein kleines englisches Boot mit für zwei Personen. Sagt der Kommissar Polde zu mir, das war der Miha Roz aus Vellach: "Luc, ich bin neugierig, wer sich als Erster ins Boot setzen wird." Sage ich: "Wirst sehen, es wird nichts anderes übrig bleiben, als dass ich gehen werd müssen." Denn immer, wenn es kritisch wurde oder etwas auszuprobieren war, hieß es: "Luc!" Was dazukam, ich war mit dem Wasser vertraut, denn ich war ja am See aufgewachsen, das war nichts Neues für mich. Wir bliesen das Boot auf. "Wer geht?" Keiner meldete sich, dann fiel es auf mich. Sagte ich: "Siehst du, Polde, was habe ich gesagt?" Da gab es keine Wahl oder ein "Ich kann nicht". "Ich kann nicht" kannte man nicht, nur "Du musst". Ich fuhr ein paar Mal drüber, dann kam das Kommando: "Luc, den führst du noch hinüber, und dann wird ein anderer fahren." Ich musste ja auf der anderen Seite bleiben. Ich fuhr vier- oder fünfmal, dann fuhr der Tonči aus Eisenkappel, ein MG-Schütze. 13 gingen wir über die Drau, vier blieben als Kuriere am Kömmel zurück. Der Boj, ein junger Mensch, war unser Kommandant, eigentlich ein tapferer Mensch, aber auf der anderen Seite war er ein Panikmacher. Manchmal hatten wir feste Reibereien mit ihm wegen der Konspiration.

 

Auf der anderen Seite der Drau war ein Steilhang. Wir stiegen hinauf, auf die Spitze, und wussten nicht, in welche Richtung weiter, wir waren ohne Kompass, ohne allem. Dann kamen wir in einen Wald. Dort verbrachten wir den Tag. Am Abend gingen wir zum ersten Haus, zum Haberberg, so heißt es auf Deutsch, und zwar in Richtung Griffen. Dort war ein Bauer. Wir umkreisten das Haus, ein Bub trug Holz hinein, ein anderer half dem Vater bei irgendwas. Als sie uns erblickten, blieben sie wie versteinert stehen und alles fiel ihnen aus den Händen. Wir trösteten sie ein bisschen, dabei erfuhren wir, dass ein Toter im Haus war, die Leute waren beten gekommen. Ganz klar, zuerst musstest du die Heimischen trösten, die redeten auch Slowenisch. Wir mussten sie überzeugen, wir benahmen uns anständig, wie normale Leute, und so verloren sie die größte Angst. Ganz vergeht sie ja nicht.

 

Von dort zogen wir über die Felder, hinauf in Richtung Griffen, nach Kleindorf. In der Früh kamen wir hinauf auf eine Weide und der Kommandant sagte: "Hier werden wir bleiben." Dabei war es schon hell geworden. "Gott bewahre, dort ist ein Bauernhof, dort geht der Weg vorbei nach Griffen, tagsüber können wir nicht hier bleiben." Wir sahen uns alle an, ich fragte den Kommissar: "Du, Polde, was ist denn los, hier sieht man uns, wird uns melden und wir haben schon den ersten Tag eine hajka." Der Polde war sehr intelligent, aber zu wenig durchsetzungsfähig. Wir lagen dort und warteten, bis passierte, was passieren musste. Ein Urlauber kam vorbei, der schaute uns an, wir lagen einfach dort. Schon den ersten Tag bekamen wir wegen der Nichtkonspiration Schwierigkeiten,

 

In der ersten Zeit erkundeten wir die Gegend. Wir hatten ja keine Adressen, wir hatten nur den Tipp bekommen, dass auf dem Gipfel der Saualm Holzfäller seien, und die müssten wir finden, die seien schon informiert. Die fanden wir später auch. Wir fragten uns einfach durch. Von Haus zu Haus, von Dorf zu Dorf, von Mensch zu Mensch. Du musstest eine gute Nase für Menschen haben - wer ist ehrlich, wer verlogen? Du musstest ja so vorsichtig sein. Wir hatten Glück, dass wir an bewusste Slowenen gerieten, die dann weiterarbeiteten. Wir waren über jeden Nazi schon vorinformiert, ob er anständig war oder schlecht, wir erfuhren das von den Leuten. Vom Bauernführer in Diex wussten wir, der ist schlimm.

 

Wie wir zu ihm kamen, wussten wir gleich, da stimmt etwas nicht. Wir hatten einen Russen mit, der bemerkte, dass etwas vorbereitet wird, wir hatten das Laufen im Haus gehört, sie haben nämlich auch nicht gleich aufgemacht. Wir haben trotzdem gewartet, nach einiger Zeit öffnet sich die Tür, der Sohn macht auf, die Mutter und zwei Töchter kommen im Nachtgewand, und sie legen gleich los: "Oh, unsere Leute, unsere Leute sind gekommen, Slowenen, wir sind auch Slowenen", und sie hüpfen dort herum in den Nachthemden, ich habe diese Falschheit gekannt. Wir gehen in die Küche, dann kommt der Gustl, der Russe, und sagt, dass jemand etwas im Fenster versteckt hätte. Ich schaue nach, der Bauernführer hatte eine 08-Pistole hingelegt, der hatte schießen wollen, aber der Sohn hielt ihn auf. Alles in Hemden und in der Küche, und weil ich diese Falschheit kenne, sage ich: "So, stopp, Hausdurchsuchung!" Wir fanden noch Waffen und etwas zum Essen, das nahmen wir mit. Wir wollten auch noch ein paar Informationen, aber wir wussten, dass ein Nazi keine rechte Information gibt. Dann sind wir auf die Gendarmerie gegangen, dort war zugesperrt, dort hat sich niemand gemeldet, dann in das Gasthaus, dort meldet sich auch niemand. Ich leuchte mit der Batterie hinein, sehe, wie sich ein Kopf hebt; ein Mädchen. Sage ich, sie soll die Tür aufmachen, und sie: "Ist sie nicht offen?" Ich merke an der Aussprache, dass das keine Heimische ist, es war eine polnische Zwangsarbeiterin. Sie macht die Tür auf, wir gehen hinein, und in der Gaststube sitzen die Gendarmen und die Landwache. So hatten wir mehr Zeit, haben uns angegessen und mit der Landwache vergnügt. Dann mussten sich die Gendarmen ausziehen, uns die Waffen geben, und wir haben sie in Unterhosen nach Hause geschickt.

 

Danach sind wir zum Geschäft gegangen. Der Kaufmann wollte auch nicht aufsperren, bis er gesehen hat, dass wir in der Übermacht waren, dann hat er aufgemacht. Wir verlangten, was wir brauchten, und ich sagte zu ihm: "Und schreib auf, du kriegst sowieso alles zurück." Klar hat er mehr aufgeschrieben, als wir genommen haben.

 

Dann begannen einige Burschen von der Nordseite, sich uns anzuschließen. Als Erster kam ein österreichischer Demokrat, im August oder Ende Juli. Er hat die Partisanen gesucht, er ist in Eichberg zu uns gestoßen; der Zweite war Tomaž aus Griffen, noch einer aus Griffen und der Franc aus Kletschach, dann einer aus dem Görtschitztal. Aus dem Lavanttal wollten im Herbst '44 welche zu uns, Frauen und Mädchen, ausgebombte Wienerinnen, die hier bei Bekannten lebten. Der Winter war hart, und ich habe zu ihnen gesagt: "Was fangen wir mit euch an, ihr seid uns nur im Weg, weil ihr das Partisanenleben nicht kennt." Es war ja schlimm, überhaupt auf der Nordseite. Wir hatten keinen Arzt, kein Krankenhaus, wir hatten nichts, wir waren auf uns selbst angewiesen. Leichte Sachen haben wir selber operiert, wie wir es wussten und konnten, schwerer Verletzte haben sich erschossen, damit sie den Deutschen nicht in die Hände gefallen sind.

 

Bis zum 15. September hatten wir das gesamte Terrain bis Preblau hinauf bearbeitet, samt Görtschitztal und Lavanttal. Vom 10. auf den 11. August hatten wir unser erstes Opfer; kleine Kratzereien und Kämpfe gab es wohl mehrere, aber wir hatten bis dahin keine Opfer. Am 10. August 1944 am Abend ließen wir in Weißengraben Gefangene frei, ein paar davon schlossen sich uns an. Wir hatten einen Geheimpolizisten entwaffnet, der hatte eine ganze Menge Waffen, vom 11. auf den 12. August war deswegen alles rundherum besetzt. Wir wollten aber unbedingt zu einem Haus mit Radioapparat, denn manchmal bekamen wir auch Nachrichten aus London. So suchten wir also einen Punkt.

 

Zuerst kamen wir zu einem Haus, da brannte Licht. Wir kommen näher, ich sage: "Burschen, passt auf." Wir schleichen uns ans Fenster, sehen, da ist Polizei drinnen. Zurück. "Gehen wir woanders hin." Wir gehen zu einem Bauern, der Pole geht voraus und noch einer; jeder Bauernhof in dieser Gegend ist von einem hohen Zaun umgeben, weil es dort oben viele Hirsche gibt. Wir öffnen die Zauntür, da leuchtet ein Licht auf, alle gehen in Deckung, aber es passiert nichts, alles bleibt ruhig. Verdammt, was ist das? Wir hätten uns ja ausrechnen können, dass das eine Falle war, aber weil die Polizei im anderen Haus war, dachten wir, da wird sie nicht sein. Ich gehe vor, nehme ein Holzscheit, werfe es hinauf, gehe zum Haus mit entsicherter Pistole, hinter mir der Gašper, ein junger Mann, dahinter der Pole, wir kommen zum Haus, das Haus war in den Hang gebaut, wir rufen, keiner antwortet. Ich nehme einen Bock zum Holzhacken, steig hinauf, hantle mich auf den Balkon, und wie ich oben aufspringe, kracht es schon bei den Fenstern und bei den Türen hinaus. Ich nehme schnell die Maschinenpistole, die ich um den Hals hängen hatte, feuere ein paar Schüsse durch die Tür, springe hinunter, es war ungefähr drei bis vier Meter tief. Wie ich unten aufkomme, fallen mir die Taschenlampe und die Pistole aus der Hand. Ich liege auf dem Boden, greife nach der Pistole, habe sie schon zwischen den Fingern, auf einmal kommt eine Handgranate. Ich packe sie, werfe sie einen Meter weg von mir und ziehe den Kopf ein. Ich habe Waffen und ihre Wirkung gekannt, ich war im toten Winkel. Ich habe die Pistole, greife nach der Taschenlampe, kommt eine zweite Handgranate, ich voll in Deckung, ziehe den Kopf wieder ein; als es aufleuchtet, sehe ich unter der Hand nach der Taschenlampe und greife nach ihr. Es hat mich ein bisschen gekitzelt, aber du hast keine Zeit zu denken oder darauf zu achten. Dann springe ich auf, da war der hohe Zaun, oben Stacheldraht; beim Drübersteigen zerreiße ich mir die Hose und schürfe mir die Haut am Bauch ab. Wie ich über den Zaun komme, höre ich den Kommandanten schreien: "Kameraden, hierher, hierher." Ich renne hinauf, das war ein kleiner Hügel, da waren vier von uns und der verletzte Kommandant, der hatte einen Durchschuss im Bein. Der Gašper hatte von hinten einen Schuss abbekommen, und hielt seine Gedärme in der Hand. Ich komme hin, der Russe erzählt gerade: "Ich habe gesehen, wie es den Luc erwischt hat, der Luc hat sich vor Schmerzen gewunden." Er hatte mich gesehen, wie ich dort am Boden herumgetapst hatte, weil ich die Taschenlampe und die Pistole suchte. Wie ich komme, gibt es momentan eine große Freude, dass ich noch lebe, aber gleich darauf sagt der Boj: "Luc, verbinde mich, das Bein ist weg." Und der Gašper: "Luc, erschieß mich, mit mir ist es aus." Ich sage: "Worauf wartet ihr, zum Teufel, zieht ihm die Hosen herunter, ein Hemd!" Hosen herunter, ein Hemd zerrissen und das Bein des Kommandanten Boj fest verbunden, damit das Blut nicht abfloss, das war die einzige Lösung. Der Gašper liegt daneben, die Gedärme kommen alle heraus, da verabschiedet er sich von uns fünf, die wir dort waren, gibt jedem die Hand, hebt die Pistole, drückt ab - sie ist gesichert. "Ach, und noch gesichert." Er entsichert sie, aus dem Bauch hat es herausgeraucht, hebt sie noch einmal hoch, sagt: "Amen", drückt ab - peng, der Gašper ist tot. Die Polizei schoss mit Dumdum-Patronen, dass es von den Fichten Äste herunterregnete. Wir schleppten den verwundeten Kommandanten mit. Dem Polen hatte es das Bein total weggefetzt, der blieb dort liegen. Die Polizei fand die beiden am nächsten Morgen, den Gašper und den Polen; er war noch nicht tot, er hat schrecklich gelitten. Sie haben beide an der Straße, die von St. Andrä nach Wolfsberg führt, aufgehängt - zur Abschreckung.

 

Wir schleppten uns in einen Wald, ich weiß nicht, wie weit wir kamen, vielleicht 500-1000 Meter, und dann warteten wir. Wir waren ja versprengt, fünf waren wir hier, die anderen woanders. Jetzt lagen wir da im Wald, der Kommandant bekam Fieber, hatte ein geschwollenes Bein, rot und blau, nirgends war Hilfe zu erwarten, kein Wasser, nichts zu trinken, nichts zu essen. Den Tag über entzündete sich das Bein derart, dass er vor Schmerzen schrie. Wir mussten ihm den Mund zuhalten. In der Nacht fiel Tau, wir nahmen die Blätter und kühlten mit der Taufeuchtigkeit sein Fieber.

 

Die Polizei rechnete damit, dass wir noch weitere Verwundete hatten. Wir lagen deshalb ganz still in unserem Versteck. Man muss sich vorstellen, was für Schmerzen der Kommandant hatte, dazu noch einen leeren Magen, der verursacht auch Schmerzen. In so einer Situation vergisst du auf alles. Am zweiten Tag sagte der Kommissar: "Wir müssen in Aktion treten, wir brauchen etwas zu essen." Zwei hatten es schon versucht, aber sie hatten keinen Erfolg gehabt, weil sie überall auf Polizei gestoßen waren. Da sagte ich: "Ich gehe." Er verabschiedet sich von mir, ich nehme einen Begleiter mit und ziehe am helllichten Tag um drei Uhr am Nachmittag los. Wir gehen Richtung St. Margarethen bei Wolfsberg zu einem Gasthaus. Ich gehe ums Haus herum, die Häuser sind zumeist in den Hang gebaut; ich hatte schon so einen Instinkt, ich habe ein Haus gesehen und konnte abschätzen, wo sich was befindet. Ich gehe also ums Haus, zum Haustor, höre mehrere Männer reden; ich horche, stoße die Tür auf und hebe die Maschinenpistole. Es waren zwei Gendarmen drinnen, zwei von der Landwache und der Wirt. Ich hatte, weil ich vorher viel mit Deutschen zusammen gewesen war, eine ganz deutsche Aussprache: "Hände hoch", alle mussten hinter dem Tisch aufstehen. Ich klaubte ihnen die Verschlüsse von den Waffen herunter, nahm ihre Pistolen: "So, meine Herren, jetzt könnts euch niedersetzen." Ich hatte die Unteroffiziersuniform an, die Ärmel im Winter und Sommer hochgestreift, behängt mit meinem ganzen Vermögen; die Schwabenkappe und den Stern drauf - die titovka, Pistolen und ein Messer, Bomben und MP, ausgeschaut habe ich wie ein Räuberhauptmann. Ich habe mich auf den Stuhl gesetzt, die MP in der Hand. Die sind nur gesessen und haben geschaut, da sagt der Wirt: "Herr, entschuldigen Sie, Herr, darf ich was zu trinken geben, was wollen Sie, Bier oder Most?" Zum Teufel, Most bekamen wir jeden Tag bei den Bauern, ein Bier hatte ich aber nicht mehr getrunken, seit ich zu den Partisanen gestoßen war. "Heut möcht ich ein Bier trinken." Und er hatte offenes Bier und bringt ein Krügel, das hättest du am liebsten hinuntergeschlungen, aber ich habe nur einen Schluck genommen und es zurückgestellt. Ich habe ihnen dann meine Aufmachung so erklärt: "Meine Herren, ihr wundert euch vielleicht, dass ich in einer solchen Aufmachung auftauche. Ich bin ein Sonderkommando aus Wolfsberg auf Bandenjagd, weil auf euch ist ja kein Verlass." Ich frage sie aus. Sie reden, aber skeptisch und vorsichtig. Nach einiger Zeit sage ich: "Herr Wirt, ich habe mit Ihnen was zu besprechen, Herr Wirt, kommen Sie heraus." Wir gehen hinaus, ich schließe die Tür und sage: "Herr Wirt, da ist ein Rucksack; füllen Sie ihn sofort, Milch muss dabei sein, Fleisch, Brot oder Topfen, was Sie eben haben. Füllen Sie ihn sofort." Ich gebe ihm zwei Packerl Tabak und 100 Mark. Da kommt ein Soldat mit seiner Freundin, der erkennt im dunklen Hausflur nur meine Unteroffiziersuniform, grüßt mich und ist gleich in der Stube. Kurz danach kommen noch zwei Urlauber, unbewaffnet, die schicke ich auch gleich in die Stube. Der Wirt bringt dann endlich den gefüllten Rucksack. Ich hinter das Haus und hinauf in den Wald. Dort habe ich gewartet, bis es dunkel wurde, und bin dann zu den Kameraden.

 

Erst tranken wir etwas Milch und Most, dann aßen wir ein bisschen, alles im Dunkeln; das Wichtigste war, etwas zu trinken, denn wir hatten zwei, drei Tage nur Tau geleckt, und den Kommandanten aufzumuntern. Nun wurde die Situation kompliziert. Der Wirt hatte sicher geredet, die anderen wussten jetzt, dass wir Partisanen nicht weit sein konnten. Es regnete. Der Russe hatte ein Zelt, viereckig, das konnte man zusammenknöpfen, und wenn man auf jeder Seite einen Stock hineinschob, dann hatte man eine Tragbahre. Also schnitten wir mit den Messern junge Fichten und putzen sie, sodass wir eine Bahre machen und den Kommandanten tragen konnten. Das hat Stunden gedauert, bis die Stöcke zugeschnitten waren, das mussten ja starke Stöcke sein. Dann legten wir den Kommandanten drauf und trugen ihn. Über die Steilhänge, die Baumstümpfe, Wurzeln, und da stolpert einer, alle fallen hin samt dem Kommandanten, und der flucht. Wirklich, so einen Kreuzweg habe ich weder früher noch später durchgemacht. Der Kommandant wollte sich erschießen, aber er hatte keine Waffe und wir ließen es nicht zu. Bis zum Morgen kamen wir vielleicht zwei Kilometer weit, bis zu einem Zaun. Den zertrümmerten wir, damit wir das Bein schienen konnten. Dann bekam er noch zwei Stöcke, sodass er selber auf einem Bein gehen und sich so weiterbewegen konnte. Sein Bein war so entzunden, es war rot und blau. Wir massierten es mit Schnaps, und ein bisschen davon trank er. Einen Tag später fanden wir den Rest der Gruppe.

 

Manchmal haben Leute aber auch versucht, persönliche Feindseligkeiten durch die Partisanen zu regeln. Da sind wir einmal auf einem Hof, und da sagt die Hausfrau: "Bittschön, gehts hinunter zum Herzog, das ist so ein Nazi, das ist so ein Nazischwein, bittschön, erschießts den Herzog." Und ich antworte: "Selbstverständlich, wir werden das überprüfen, wenn es so ist, wie Sie sagen, was ich Ihnen glaube, werden wir schon die Rechnung begleichen." Dann bestellten wir ein Abendessen. Ich kochte immer selber und passte auf, denn die Polizei hatte bei den Bauern Gift verteilt. Sie sollten uns Gift ins Essen geben; alles, was wir gekocht hatten, musste deshalb immer zuerst der Heimische kosten. Wir gingen auf Nummer sicher.

 

Und dann gingen wir hinunter zum Herzog. Das war nicht weit, so an die 300 Meter. Wir kommen hin, wecken ihn, oben öffnet sich ein Fenster. "Ja, wer ist 's denn?" "Herr Herzog, hier sind Kärntner Partisanen, wollen Sie uns aufmachen?" "Ja, selbstverständlich werde ich aufmachen." Er kommt, macht auf, wir gehen in die Küche: "Was wollt ihr trinken, was wollt ihr essen?" Wir unterhalten uns: "Wie sind die Nachbarn? Wie sind sie dort, wo uns die Frau aufgehetzt hat, sind das Nazis?" Sagt er: "Nazis sind sie nicht, aber wir verstehen uns auch nicht. Wegen eines Blödsinns sind wir schon ein paar Jahre in Feindschaft." Und er erzählt, dass seine Hühner auf deren Weizenfeld Schaden angerichtet hätten und dass die Feindschaft darauf beruhe. "Die Weiber sind halt hysterisch." Wir sehen, dass er ein positiver Mensch ist, dass es sich nur um eine lokale Dorffeindschaft handelt. Er ist begeistert von uns und fragt, ob wir gerne Musik hören: "Ja", sagen wir, "eine Stunde hätten wir noch Zeit", und er geht gleich ins Zimmer und ruft die Mädchen heraus, eine mit der Zither, die andere mit der Geige, und sie spielen, wir essen, und der Herzog wurde unser bester und verlässlichster Treffpunkt. Der war so, dass er persönlich ein schweres Schwein schlachtete und es den Partisanen in den Wald brachte. Er hat gesagt, er macht es, und er hat es gemacht.

 

Einmal gab er uns einen Tipp. "Gehts, besuchts den Bürgermeister von Pölling, den Hund." Der war ein Südtiroler, der unten in Pölling lebte, wo ihm ein riesiger Bauernhof, wie eine Grafschaft, zugefallen war. Der Vorbesitzer, so war zu hören, war ein Antifaschist gewesen, und die Nazis hatten ihn beiseite schaffen lassen. Genau weiß ich das nicht, aber geredet wurde so. Als der Südtiroler kam, wurde er sofort Bürgermeister, Bauernführer und Ortsgruppenleiter in einem. Er war wie ein König, was er anschaffte, musste geschehen. Die Leute waren sehr zornig. Da hab ich gesagt: "Na ja, wir werden ihn ein bisschen bei den Ohren packen." Also hin zu ihm. Die meisten bleiben in einiger Entfernung von seinem Hof stehen, und ich und noch einer gehen voraus, kriechen auf dem Bauch bis zum Haus, alles ist hell, auf dem Bauch an der Wand hoch, ich schaue hinein und sehe eine moderne Küche, im angrenzenden Raum eine Menge Leute, der Raum ist voller Landwache. Ich gehe zurück, mache Zeichen, der andere, der als Verbindung war, gibt das Zeichen zum Herüberkommen. Wir umstellen das Haus, das ging automatisch. 30 waren wir, aber nur vier sind wir hinein: "Hände hoch", alle heben die Hände hoch, ein voller Raum, da waren 20 Männlein drinnen. "Gustl, klaub die Waffen ab." Hat der Gustl alle Waffen abgeklaubt, "Geh raus und mach sie kaputt." Dann sagte ich zu ihnen: "Burschen, ich weiß, ihr gehört zur Landwache, ihr müsst diesen Herrn beschützen, damit er euch fest drückt und mit den Schrauben das Blut aus den Fingern presst." Dann sind wir mit dem Kommandanten und dem Kommissar und dem Bürgermeister in ein Zimmer. Der streitet alles ab. Ich sage ihm alles auf, was ich von ihm weiß. "Wo hast du die Waffen?" - "Ich habe keine Waffen." - "Wo hast du das Schlafzimmer?" Sagt er: "Da." Wir gehen hinein. "Hast du Waffen oder hast du keine Waffen, für jede Lug kriegst eine Watschen. Hast Waffen?" - "Nein." - "Da ist dein Bett und links schläft die Frau." Ich werfe die Decke und den Polster zur Seite, und da ist eine 08 drunter. "08 hätten wir schon." Ich weiß nicht, hat ihm der Kommissar oder der Kommandant eine versetzt, ich gehe zum Bettende, finde dort drei Handgranaten, sage: "Dreimal." - "Hast noch was?" - "Nein, ich hab nichts mehr, ich hab nichts mehr." Dort waren so schöne Kästen aus Kirschholz, so Biedermeier, und ich sage: "Dort oben ist Munition", greife hinauf und hab sie schon. Was für einen Riecher man bekommt für dies und jenes! Er hatte ungefähr 50 Schuss Munition für das Gewehr. Ich mache den Kasten auf, hängt eine Mauser drinnen und seine Parteiuniform, so eine schöne. "Haha", sage ich, "die wird aber der Luc tragen, du bist ja gleich groß wie ich." Dann haben wir ihn noch einmal präpariert, und ich habe ihm gesagt: "Mein lieber Herr, du bist wie ein König da in diesem Gebiet. Was ich vorher gesagt habe, stimmt alles, aber du lügst wie gedruckt. Du wärst billiger gefahren, wenn du alles zugegeben hättest. Schau, was du behauptet hast, war gelogen, und mit dem Fund der Waffen ist bestätigt, dass du lügst. Früher war ich in Zweifel, aber jetzt glaube ich, dass alles wahr ist, was mir die Leute erzählt haben. Wenn du noch einmal lügst, haben wir Befehl von unserem Oberkommando, dass wir dich kaltmachen. So, und jetzt gehen wir in die Küche." Bevor wir ihn zum Verhör geführt hatten, hatte ich ein Abendessen gefordert, und ich betonte, dass wir alles bezahlen würden. Die Frau war ungefähr 26-28 Jahre alt, fesch, blond, ein nettes Mädchen, und ich sagte: "Ist 's nicht schad um deine Frau, so eine nette, so eine schöne Frau, und du bist so ein Nazi, ein verlogener."

 

Nachdem wir das Wichtigste erledigt hatten - die Waffen eingesammelt, das Abendessen gekocht und weggegessen -, sagte ich zu ihm: "Gemma, du gehst mit uns!" Er wollte nicht. "Zieh dich an", er hatte Patschen an und wollte sich nicht umziehen. Da war aber der Gustl gut für solche Sachen: "Hurensohn, gib her deine Pfoten, ich werd dich anzieh'n!" Na ja, Schuhe an, zubinden musste er sie selber, sie bricht in Tränen aus, beginnt zu weinen und zu bitten: "Bitte, bitte erschießen Sie meinen Mann nicht." Wir erklären ihr, dass sie, wenn er nicht verrückt spielt, keine Angst zu haben braucht.

 

Oben in Pölling, am Gipfel, inmitten des Dorfes, vielleicht 300 Meter von der Wiese in den Hang hinein war ein großes Gasthaus. Dort war eine Tanzveranstaltung, zu der wollten wir hin, und ich sagte: "So, jetzt gehen S' mit uns hinauf, oben ist Musik, wir werden uns oben unterhalten." Klar, der ist ungern gegangen, aber er musste mit der Vorpatrouille, neben mir. Mitten auf dem Weg bleibt er auf einmal stehen: "Nein, ich geh nicht, ich geh nicht, es ist gefährlich, die Polizei ist oben." "Ach was, Polizei, Polizei. Wir gehen hinauf und fertig." Da beginnt er auf mich einzureden: "Ist 's nicht schade um Ihr junges Leben. Seids alle so fesche junge Burschen und ihr müsst in den Tod gehen." Ich antworte: "Wir befinden uns im Krieg, wir sind die Befreiungsarmee, wir werden kämpfen und wir scheuen auch den Tod nicht." Er wollte aber nicht mehr weitergehen. Da habe ich gesagt: "So, ab jetzt nicht mehr nebeneinander, sondern hintereinander, und Sie voraus." Ich stoße ihm die Pistole in die Rippen: "Jeder Versuch zu fliehen bedeutet den Tod." Ich gehe hinter ihm hinauf, wir kommen auf den Hof, dort stand eine Holzhütte, der Hof war hell erleuchtet, nur die Holzhütte lag im Schatten. Dort überließ ich ihn zwei verlässlichen Partisanen. Ich selbst gehe mit zwei anderen ins Haus. Zuerst einer in die Küche, einer ins Nebenzimmer, und dann hinein - ich hatte diese Ortsgruppenleiteruniform an. Die spielen gerade einen Walzer. "Hände hoch!" Die Musik hat sofort zu spielen aufgehört, alle haben die Hände hochgehalten, die Musikanten auch, und alle haben geschaut. Es waren vielleicht 50 bis 60 Leute drinnen, hauptsächlich junge Mädchen, ein paar Invalide und ein Soldat. Zuerst habe ich ihnen ein bisschen gedroht: "Wir sind die Befreiungsarmee, es gelten dieselben Regeln wie beim Militär. Wenn einer versucht, eine Dummheit zu machen, dann übernimmt er die Verantwortung!" Ein paar Auffällige haben wir nach Waffen durchsucht, nachdem sie nichts hatten, haben wir erlaubt, die Hände herunterzunehmen. Dann habe ich ihnen noch eine halbe Stunde vom Sinn unserer Arbeit erzählt, dass wir Antifaschisten sind, und dann hat noch der Kommandant geredet, der konnte ein bisschen Deutsch, weil er seinerzeit in Völkermarkt Müllerlehrling war. Wie wir fertig sind, frage ich: "Wo ist der Wirt?" Die bringen ihn her. "So, Herr Wirt, jetzt bringen Sie etwas zu trinken, unsere Burschen haben Durst, wir kommen selten ins Gasthaus." "Ja, ich hab nichts, ich hab nichts, ich hab nichts." Ich wiederhole: "Wirst du was bringen oder nicht?" "Ja, aber ich hab doch nichts." Der Polde aber hatte eine Nase, der hat die Getränke gerochen, und wenn sie unter der Erde waren. So ist der Polde mit noch einem in den Keller hinunter und sie bringen zwei Kisten Bier herauf, Wein und Schnaps. Wir haben getrunken und dann noch ein bisschen getanzt. Die Musikanten haben aufgespielt, die Burschen haben sich das Gewehr um den Hals gehängt, jeder hat sich ein Mädchen genommen und dann haben sie getanzt, dass die Beschläge krachten. Ich kam nicht zum Tanzen. Da war ein blondes Mädchen, das hat mich ausgefragt, über dieses und jenes. Es war die Tochter des Kreisleiters. Wie der dann erfahren hat, dass seine Tochter mit den Partisanen Umgang gehabt hatte, soll er gesagt haben: "Ich hätte dich lieber tot gesehen, als dass du mit Banditen sprichst."

 

Es war einer dabei, ein Robert Müller, aus einem festen Partisanenhaus, wir hatten schon mit der Schwester und der Mutter besprochen, dass er mit uns gehen sollte. Also haben wir beschlossen, eine Mobilisierung zu machen, damit den Angehörigen nichts passiert. Ich sagte: "Musik stopp. So, meine Herren, die Stunde ist gekommen, wir müssen gehen, aber wir möchten nicht alleine gehen. Wir fordern alle Soldaten auf, dass sie sich überlegen, ob sie weiter für Hitler und gegen die Freiheit Österreichs kämpfen wollen oder sich einsetzen für die Freiheit Österreichs." Es waren ungefähr fünf Soldaten da, fünf in Uniform, die anderen waren in Zivil. "Wir geben euch fünf Minuten Zeit zum Überlegen. Das Haus ist besetzt, wir verstehen keinen Spaß." Dann haben sie angefangen, einer hat seine hölzerne Hand gezeigt, eine Prothese, der andere sein Bein, eine Prothese. Wir haben alle überprüft und es ist wirklich nur einer gesund gewesen, der Robert. Ich rufe den Robert zu mir und sage: "Du bist deutscher Soldat?" "Ja." "Wirst du nach Abschluss deines Urlaubs zu deiner Einheit zurückkehren?" "Ja." "Das wirst du nicht mehr tun, dazu kommt es nicht mehr. Du hast zwei Möglichkeiten, entweder du entscheidest dich für uns und kämpfst mit für ein freies Österreich, oder wir müssen dich hier auf der Stelle liquidieren, bevor du gegen uns kämpfst. Robert, überlege." Wie üblich begann er von den Eltern zu reden und so, die üblichen Phrasen, ein bisschen war auch Wahrheit dabei. Ich unterbrach ihn: "So, wir haben keine Zeit mehr, du hast fünf Minuten Zeit, dir zu überlegen, ansonst muss ich das Urteil, das ich gesprochen habe, sofort hier auf der Stelle ausführen." Es war so still, dass du eine Maus gehört hättest. Ich habe auf die Uhr geschaut, die Pistole herausgenommen, entsichert. "Robert, nur noch fünf Sekunden", und da ging es los: "Robert geh, Robert geh", alle begannen zu schreien, die Heimischen: "Robert geh", "Robert, eine Sekunde", ich entsichere die Pistole, er steht vor mir, "Robert, Robert, Robert geh". "Ich hab mich entschlossen, ich geh mit." "Na", sage ich, "war das so schwer?" Dann habe ich die Pistole gesichert und gesagt: "Bis vier in der Früh bleibt ihr da, wehe, einer geht hinaus und wagt, uns nachzuschauen!" Wir verabschieden uns, gehen, und ganz klar, die schauen uns nach; der Pole, er ging als Letzter, hat mit dem Schnellfeuergewehr eine Garbe in die Luft gelassen, da sind sie wieder hineingestürzt und haben die Tür zugemacht. Wie gesagt, das mit dem Robert war natürlich vorher so ausgemacht, damit seine Angehörigen keine Repressalien befürchten mussten. Das machten wir meistens so.

 

Robert dachte, wir gehen in ein Lager, klar, als deutscher Soldat hatte er ja keine Ahnung vom Partisanenleben, so wie auch ich früher keine Ahnung hatte. Er meinte, da gibt es Häuser, wo der Stab untergebracht ist, und Baracken, wo wir leben. Als wir hinkamen, sagte ich: "Robert, jetzt sind wir da." "Was, ich seh nichts." "Brauchst ja nichts zu sehen, leg dich hin und schlaf ein." "Hier auf den Boden?" "Ja freilich." Das war für ihn eine Katastrophe. Wir legten uns hin und schliefen wie das Wild. Und er war das nicht gewöhnt, die ganze Nacht saß er dort, ich war überzeugt, dass er die erste Nacht abhauen würde. Die ganze Nacht saß er auf einem Baumstrunk und wackelte mit dem Kopf. In der Früh trösteten wir ihn dann ein bisschen. Später wurde er krank, weil er solche Strapazen nicht gewöhnt war. Und dann stellte er sich der Polizei. Und weil er ja "zwangsmobilisiert" worden war, kam er wieder zu den Soldaten. [...]

 

Wir zogen in kleineren Einheiten umher. Einmal waren wir gerade zum Treffpunkt unterwegs, wo die Kuriere des Bataillons auf uns warteten; da meinte ich: "Gehen wir durch den Wald, weichen wir der Lamminger Alm aus." Das war eine ziemlich große Lichtung mit Weiden, und da sagt einer: "Wir waren drei Tage hier und haben keinen švaba gesehen." Ich antwortete: "Du kennst sie nicht, die sind gefährlich, wir gehen immer durch den Wald, damit wir nicht im Freien gehen müssen." "Panikmacher, Panikmacher!" "Wir sind keine Panikmacher, aber wenn wir nicht vorsichtig wären, hätten sie uns schon längst alle erschossen." Ajde, wir gehen dann doch den Weg entlang. Da war ein schmaler Streifen Wald, es kommt uns eine Hirtin entgegen, die hatte eine Kuh vor den Wagen gespannt. Wir haben uns gut gekannt. "Grüß Gott, Muattale." Da wird sie ganz blass und sagt kein Wort. Ich denke mir noch, Madonna, das ist auffällig. Und wir waren ungefähr zehn Meter an der Hirtin vorbei, ich sage noch zu den anderen: "Madonna, das ist auffällig, dieses Weiberl, ich kenne sie gut" - in dem Moment kracht es. Es waren 50 Polizisten, und die schossen auf uns. Hinunter vom Weg, wieder hinauf, dort war aber Schlamm, ich springe hinein, und da kracht der Knochen. So, denke ich mir, jetzt ist es aber aus. Ich liege flach, die hatten das Maschinengewehr so aufgestellt, dass die Garben über mich drübergingen, so dass ich dick Dreck am Kopf hatte. So, jetzt gibt es keine Hilfe mehr, ich nehme die Pistole, entsichere sie, will mich erschießen, und wie ich zurückschaue, denke ich, das ist ja ganz nahe beim Wald, vielleicht rette ich mich. Da kommt in dem Moment unsere andere Gruppe vom Bataillon und greift die Polizei an. Dadurch waren die Polizisten abgelenkt und haben den anderen hinterhergeschossen. Ich sichere die Pistole, stecke sie ein, drehe mich um, richte mich auf, und mit den Händen auf den Zaun, der dort war, hinunter hinter den Zaun und in den Wald. Wie ich vorbeifliehe, sehe ich, dass der Hugo dort liegt, ein ehemaliger SSler, jetzt Partisan, und der ist ganz weiß im Gesicht, liegt ganz flach, hat sich tot gestellt. Ich hüpfe auf Händen und Beinen. Ich schleppe mich noch hinauf zu den Unseren, und dann ist es aus, ich kann nicht mehr weiter. Das Bein tat mir weh, es war geschwollen. Dann kam noch eine starke Patrouille vom Bataillon, da war auch der englische Major Hughes dabei, der war Verbindungsoffizier, zwei stützten mich, ich hatte noch einen Stock, und wir sind hinauf zum Bataillon. Die Freude war groß, sie umarmten mich, und ich lag dort auf der Seite wie ein krepierter Hund. Gefallen war nur der Kommissar lztok, der uns als Panikmacher beschimpft hat, und einer war noch verwundet.

 

Oben fiel dann die Entscheidung, dass ich in den Bunker müsste, in den kleinen, da konnten nur drei, vier drin liegen. Der Bunker wurde so getarnt, dass man von außen überhaupt nichts sehen konnte. Dort lag ich so einen Monat, bis der Gašper und der Krištof den anderen Bunker fertig hatten. Mitte November kam ein Kurier zu mir: "Luc, der Gašper sagt, du musst jetzt hinkommen, sie haben dort jetzt einen großen Bunker." Und dann lag ich im anderen Bunker noch ein paar Tage und machte mit dem Bein Übungen. Ich muss noch sagen, Arzt gab es keinen, manchmal kam ein Kurier vorbei und brachte etwas zum Essen, und jeden zweiten Tag kam ein Jäger, Peter, der brachte mir Hirschfett und hat mir am Anfang das Bein massiert, später habe ich das selber getan. Den ganzen Winter ging ich mit dem Stock.

 

Nach einiger Zeit führte ich eine Patrouille nach Eichberg. Dort musste ich zu einem Haus, in dem die Leute - ein Jäger und seine Frau - 100%ig für uns waren; sie hatten dort ein Radio. Als die Frau mich sah, meinte sie: "Marija, das ist ja eine Erscheinung." Die hielten mich schon für tot, weil sie so lange nichts von mir gehört hatten. Wir erfuhren dann von ihnen, dass eine große hajka vorbereitet wurde, Ende November war das. Am 5. oder 6. Dezember begann sie dann auch, die große Winterhajka.

 

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