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Bettelheim, Ernst

Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)

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Name russisch: Беттельгейм Эрнст (Эрнест) Маурович
Geboren: 30. 05.1889 in Sátoraljaújhely (Komitat Semplin/Zemplén vármegye)
Beruf: Rechtsanwalt
Letzter Wohnort in Österreich: Wien
Ankunft in Russland/Sowjetunion: 1928
Wohnorte in der Sowjetunion: Moskau, Kimry (Tverskaja obl.)
Verhaftet: 05.04.1937, Moskau
Anklage: konterrevolutionäre Tätigkeit
Urteil: 15.04.1938, Sonderberatung (OSO), 8 Jahre Lagerhaft
Gestorben: 1959
Rehabilitiert: 16.01.1989, Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR
Emigrationsmotiv: KP-Emigration
Schicksal: überlebte

 

 

Ernst (Erno) Bettelheim wurde 1889 in Sátoraljaújhely (Neustadt am Zeltberg, nahe der slowakischen Grenze) geboren. Er war von Beruf Rechtsanwalt und gehörte zum linken Flügel der ungarischen Sozialdemokratie, bis er nach der Gründung der kommunistischen Partei Ungarns ihr Mitglied wurde. Nach der Errichtung der Räterepublik war er drei Tage lang Stadtkommandant von Budapest. Im April 1919 war er als Politkommissar in einem Frontabschnitt in Oberungarn eingesetzt. Am 17. Mai 1919 kam er nach Wien, offiziell war er der ungarischen Gesandtschaft zugeteilt. Gegenüber der zerstrittenen KPÖ gab er sich als Abgesandter der Komintern aus, was allerdings von Grigorij Zinov'ev und von Karl Radek, der Bettelheim praktisch als Abenteurer und Schwindler bezeichnete, bestritten wurde. Offenkundig handelte Bettelheim im Auftrag Béla Kuns, er vertrat eine putschistische Linie und die innerparteiliche Diktatur. Sein Ziel war die Errichtung einer Räterepublik Deutschösterreich, obwohl dafür alle Grundlagen fehlten. Vor einer Art angekündigtem Putschversuch am 15. Juni 1919 wurde jedoch am Vorabend in der Redaktion des Parteiorgans Die soziale Revolution praktisch die gesamte Führungsriege der KPÖ verhaftet, etwa 130 Personen; nicht jedoch Bettelheim, der gewarnt worden war. Bettelheim zog sich in der Folge in den Untergrund zurück, wurde aber ausgeforscht und am 13. August verhaftet. Die Untersuchung gegen ihn wurde am 14. November aufgrund einer Amnestie eingestellt. Zusammen mit anderen aus Ungarn geflohenen Kommissaren wurde er in Karlstein (Niederösterreich) interniert. Im Zusammenhang mit dem Kopenhagener Abkommen vom 5. Juli 1920 zwischen Russland, der Ukraine und Österreich über den Austausch von Kriegsgefangenen konnten Béla Kun, Erno Bettelheim und andere Revolutionäre am 17. Juli 1920 nach Russland ausreisen. Wann Bettelheim wieder nach Wien zurückkam, ist nicht bekannt, ebenso wenig gibt es Informationen über seine Tätigkeit in Österreich in diesem Zeitraum. Er soll von 1922 bis 1928 Mitglied der KPÖ gewesen sein, dann übersiedelte er wieder nach Moskau, wo er Leiter der Rechnungsabteilung bei der Zentralverwaltung für Rechnung und Statistik der Volkswirtschaft wurde. Gleich nach seiner Ankunft in Russland 1928 wurde er in die VKP (b) überführt. Bettelheim hatte Kontakt zu dem 1940 verurteilten Wiener Arzt Dr. Hermann Fass, mit dem er bereits in Österreich bekannt war.

 

Am 5. April 1937 wurde Bettelheim wegen konterrevolutionärer Aktivitäten verhaftet, erst am 27. September als Feind des Volkes aus der Partei ausgeschlossen. Bettelheim wurde am 15. April 1938 zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt. Aus unbekannten Gründen - wahrscheinlich hatte ein Berufungsantrag Erfolg - wurde er am 10. August 1942 aus dem Gulag entlassen. Er soll später in der Stadt Kimry (Gebiet Tver') gelebt haben und 1948 unter dem Decknamen Bólyai Erno ins kommunistische Ungarn zurückgekehrt sein, dort in verschiedenen Kommissionen Funktionär gewesen sein. Über seine Haltung im Aufstand 1956 ist nichts bekannt. Ernst Bettelheim starb 1959 in Budapest. Am 16. Jänner 1989 wurde er bezüglich der Verurteilung durch die Sonderberatung rehabilitiert, am 27. Juni 1990 auch parteimäßig.

 

 

Quelle: Parteiarchiv der KPÖ, RGASPI

 

Siehe auch Hans Hautmann, Geschichte der Rätebewegung in Österreich 1918-1924, Wien u. a. 1987; Barry McLoughlin/Hannes Leidinger/Verena Moritz, Kommunismus in Österreich 1918-1938, Innsbruck u. a. 2009.

 

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