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Forst-Feigelstock, Leopold

Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)

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Name russisch: Форст Леопольд Леопольдович

Geboren: 1891, Wien

Beruf: Buchhalter, Bankbeamter

Letzter Wohnort in Österreich: Wien

Ankunft in Russland/Sowjetunion: 1925

Wohnorte in der Sowjetunion: Simbirsk, Moskau, Omsk

Verhaftet: 30.05.1941, Moskau

Anklage: antisowjetische Agitation, Herabwürdigung der KPdSU

Urteil: 16.09.1941, Gebietsgericht Omsk, 8 Jahre Gefängnis

Rehabilitiert: 29.05.1992, Staatsanwaltschaft Moskau

Emigrationsmotiv: KP-Emigration

Schicksal: unbekannt

 

Leopold Feigelstock wurde 1891 in Wien geboren. Sein Vater, ein Bäcker jüdischer Abstammung, starb im gleichen Jahr, die Mutter, eine Krankenwärterin, starb 1924. Leopold Feigelstock, der einen Bruder namens Hugo und zwei Schwestern – sie trugen später die Namen Sidonie Grünwald und Malvine Lichtenstein – hatte, besuchte nach der Pflichtschule eine zweijährige Handelsschule und war ab 1905 Sympathisant, von 1911 bis 1912 Mitglied der SDAP. 1912 war er wegen Teilnahme an einer politischen Versammlung zwei Tage in Haft. Von 1912 bis 1915 diente er in der k.u.k. Armee und geriet im Mai 1915 in russische Kriegsgefangenschaft; er wurde in der Gegend von Simbirsk (Ul'janovsk) interniert. Feigelstock schloss sich dann den Bolschewiken an, wurde 1918 Mitglied der SDAPR und kämpfte von Februar bis Dezember 1918 in einer internationalen Einheit der Roten Armee gegen die Weißen. Ende 1918 über Litauen und Berlin nach Wien zurückgekehrt, wurde er ein Gründungsmitglied der KPÖ. Er war Mitglied des Parteivorstandes, Parteikassier und Anhänger der Tomann-Fraktion. 1919 nahm er den Namen Forst an, weil die ganze Familie bereits während des Krieges den jüdischen Namen Feigelstock aus Furcht vor Benachteiligungen abgelegt hatte. Von 1922 bis 1925 arbeitete Feigelstock als Buchhalter in einer Wiener Bank.

 

Im Mai 1925 emigrierte Feigelstock – nachdem er mit Unterstützung der Partei ein Visum erhalten hatte – nach Moskau. 1927 übersiedelte er im Auftrag der Getreidehandelsorganisation Экспортхлеб zur sowjetischen Vertretung der Organisation in Königsberg, wo er bis zum Juni 1929 als stellvertretender Buchhalter und Kassier von Хлебторг tätig war. In der Folge wurde er – nach firmeninternem Zwist – nach Moskau zu Экспортхлеб zurückversetzt. Von Dezember 1931 bis Mai 1932 war Feigelstock dann im Buchhandel bei Международная книга (Internationales Buch) beschäftigt, dann kurze Zeit in einem Agrarverlag. Anschließend arbeitete er im Auftrag des Volkskommissariats für Außenhandel von Dezember 1933 bis März 1934 in Kasachstan. Von August 1934 bis Dezember 1935 war Feigelstock bei der Deutschen Zentral-Zeitung (DZZ) als Parteisekretär und Leiter der Abteilung Arbeiterbriefe tätig. 1936 nahm Forst-Feigelstock die sowjetische Staatsbürgerschaft an, wie es die Parteizelle der DZZ verlangt hatte. Im September 1936 wechselte er als Buchhalter in die Hauptverwaltung für die Goldindustrie Главзолото, wo er wegen Reorganisation im September 1937 wieder entlassen wurde. Er arbeitete in der Folge beim Radiokomitee, erhielt in dieser Zeit mehrere Parteistrafen. Nach Angaben seiner Lebensgefährtin (ab 1940), der aus Österreich stammenden Hilda Sterbaсk, arbeitete Feigelstock danach in einem Museum für Atheismus und zuletzt als Bibliothekar in einer medizinischen Bibliothek.

 

Feigelstock wurde, wie ebenfalls Hilda Sterbaсk berichtet, am 30. Mai 1941 in Moskau verhaftet. Nach Angaben von Lilli Beer-Jergitsch, die ihn als Parteisekretär bei der DZZ erlebte und nicht besonders schätzte ("intellektuell auf nicht sehr hohem Niveau"), wurde Feigelstock bereits Ende 1937 oder Anfang 1938 verhaftet und offenkundig wieder freigelassen. Wahrscheinlich machte er sich durch die Parteiempfehlung für den aus Österreich stammenden Egon Winter verdächtig, der im September 1937 verhaftet worden war. Nach der Verhaftung Feigelstocks am 30. Mai 1941 wurde er in ein Gefängnis nach Omsk verlegt und wegen antisowjetischer trotzkistischer Agitation und Herabwürdigung der Partei und der sowjetischen Regierung angeklagt. Er wurde 13 Mal verhört und am 16. September 1941 zu acht Jahren Haft und fünf Jahren Entzug der Bürgerrechte verurteilt.

 

In einem Schreiben an Stalin vom 20. September 1941 legte Feigelstock Berufung ein, die am 20. Oktober 1941 abgelehnt wurde. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Feigelstock hatte wahrscheinlich keine Kinder, von seiner Frau Klavdija Gerasimova (Герасимова Клавдия Алексеевна) wurde er bereits 1929 geschieden. Es gab daher niemand, der bereits in den fünfziger oder sechziger Jahren einen Antrag auf Rehabilitierung gestellt hätte. Im Strafakt gibt es einen Hinweis auf den Bruder Hugo Forst, demnach sei dieser 1939 illegal in die UdSSR gekommen und habe sich in einem Lager bei Rybinsk befunden.

 

 

Quelle: GARF, DÖW, RGASPI

 

Siehe auch Karin Nusko/Ilse Korotin (Hrsg.), Im Alltag der Stahlzeit. 18 Jahre in der UdSSR. Lilli Beer-Jergitsch (1904-1988). Lebenserinnerungen, Wien 2013, S. 96, 202.

 

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