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Friedländer, Leonid

Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)

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Name russisch: Фридлендер Леонид Максимович

Geboren: 22.02.1902, Moskau

Beruf: Historiker

Letzter Wohnort in Österreich: Wien

Ankunft in Russland/Sowjetunion: 1925

Wohnorte in der Sowjetunion: Moskau

Verhaftet: 09.03.1938, Moskau

Anklage: Sabotage

Urteil: 27.08.1940, Sonderberatung (OSO), 8 Jahre Lagerhaft

Rehabilitiert: 21.11.1956, Militärkollegium des Obersten Gerichts

Emigrationsmotiv: KP-Emigration

Schicksal: unbekannt

 

Leonid Friedländer wurde 1902 in Moskau geboren. Sein Vater Max Friedländer – er war wahrscheinlich jüdisch-sudetendeutscher Abstammung – lebte seit Anfang des Jahrhunderts abwechselnd in Wien und in Moskau, wo er als Geschäftsmann verschiedene Banken und Firmen vertrat. Warum die Familie vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht ausreiste, ist nicht bekannt, jedenfalls kümmerte sich Max Friedländer (Макс Леопольдович Фридлендер) ab 1916 im Dienste der dänischen Gesandtschaft in Moskau um österreichische Kriegsgefangene in Russland. Nach 1917 setzte er diese Aufgabe im Auftrag der österreichischen Gesandtschaft fort, bis er 1920 im Zuge der Rückführung von Kriegsgefangenen nach Wien zurückkehrte, wo er später Direktor der 1923 gegründeten russisch-österreichischen Handelsgesellschaft RATAO (Русско-австрийское торговое акционерное общество) wurde.

 

Leonid Friedländer besuchte bis 1919 das Peter-Pauls-Gymnasium in Moskau. 1919/20 studierte er an der historischen Abteilung der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Moskau. 1920 übersiedelte er zusammen mit der Familie nach Wien, wo er von 1920 bis 1924 an der philosophischen Fakultät der Wiener Universität Geschichte und slawische Philologie studierte. 1924 legte er seine Dissertation zum Thema Zur Geschichte des marxistischen Sozialismus in Rußland. Das Werden der Ideologie vor, die von den Professoren Bauer und Uebersberger zwar als "marxistisch einseitig und stilistisch nahezu ungenießbar, aber über den Rahmen des Üblichen weit hinausragend" beurteilt wurde.

 

Ab 1923 war Friedländer Mitglied der kommunistischen Partei, aktives Mitglied der kommunistischen Studenten, der Emigrantenorganisation Bratstvo sowie Funktionär der KPÖ in Wien-Landstraße. 1925 war er wegen politischer Aktivitäten kurze Zeit in Haft, musste aber aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen werden. Er hielt sich dann einige Zeit in Frankreich auf; mit Erlaubnis der KPÖ emigrierte er Ende 1925 nach Russland.

 

In Moskau machte er schnell Karriere. Anfangs arbeitete er in der Промбанк (Bank für Industrie), wechselte 1928 in eine wichtige Position in der Textilindustrieverwaltung, war dann von 1931 bis 1933 Dozent und Leiter eines Lehrstuhls am Moskauer Textilinstitut und wurde schließlich 1935 Leiter der Abteilung für Leichtindustrie in der staatlichen Planungsbehörde Госплан. 1935 erhielt er eine Parteistrafe, weil er einen ehemaligen Trotzkisten namens Nevel'skij angestellt hatte. Anlässlich des 15. Jahrestages der Gründung der Staatlichen Planungskommission wurde er für erfolgreiche Planungsarbeit mit einem Orden ausgezeichnet.

 

Wie auch in anderen Fällen von hochgestellten Persönlichkeiten wurde Friedländer nicht gänzlich überraschend verhaftet. Im Strafakt ist ein mehrspaltiger Hetzartikel aus einer unbekannten sowjetischen Zeitung enthalten, der offenkundig die Entlassung Friedländers aus der Planungsbehörde, die im Dezember 1937 erfolgte, vorzubereiten hatte. Am 9. März 1938 wurde Friedländer schließlich unter dem Verdacht der antisowjetischen Tätigkeit verhaftet. Im Verlauf der lange andauernden Untersuchungen wurde der Vorwurf der antisowjetischen Tätigkeit fallen gelassen. Leonid Friedländer wurde am 27. August 1940 wegen Verletzung der Dienstpflichten, Sabotage und Spionage zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt. Konkret wurden ihm u. a. Fehlplanungen vorgeworfen, die die Nichterfüllung von Produktionsplänen zur Folge hatten; verdächtig machten ihn auch die Besuche seiner Eltern in Russland, insbesondere der Vater hatte sich häufig im Auftrag seiner Firma in Moskau aufgehalten. Über das weitere Schicksal von Leonid Friedländer ist nichts bekannt.

 

 

Quelle: GARF, Archiv der Universität Wien

 

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