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Lange, Eduard

Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)

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Name russisch: Ланге Эдуард Вильгельмович (Риккер)

Geboren: 07.12.1906, Triest

Beruf: Schlosser

Letzter Wohnort in Österreich: Stadl-Paura (OÖ)

Ankunft in Russland/Sowjetunion: 07.02.1935

Wohnorte in der Sowjetunion: Moskau

Verhaftet: 09.02.1937, Moskau; 12.12.1941, Gulag

Anklage: antisowjetische Agitation und terroristische Aktivitäten; Fluchtversuch; antisowjetische Agitation

Urteil: 03.10.1937, Militärkollegium des Obersten Gerichts, 10 Jahre Lagerhaft; 28.05.1940, Sonderberatung (OSO), zusätzlich 3 Jahre Lagerhaft; 23.07.1942, Tribunal der NKVD-Truppen der Nord-Pečora-Eisenbahnlinie, Tod durch Erschießen

Gestorben: 22.09.1942, Gulag

Rehabilitiert: 26.07.1990, Plenum des Obersten Gerichts der UdSSR

Emigrationsmotiv: Schutzbund-Emigration

Schicksal: im Lager umgekommen

 

Eduard Lange wurde 1906 in Triest geboren. Sein Vater war Lokführer in Triest, er lebte später in Linz. Wegen Differenzen mit seinen Eltern übersiedelte Eduard Lange als Vierzehnjähriger zu vermögenden Verwandten nach Tirol, die ihn zum Deutschen Turnverein brachten und ihm eine Lehrstelle als Schlosser verschafften. Kurze Zeit engagierte er sich für den rechtsextremen Bund Oberland. Nachdem er seine Arbeit verloren hatte, ging Lange nach Linz, wo er die zweijährige Werkmeisterschule an der Bundeslehranstalt für Maschinenbau, Hochbau und Elektrotechnik absolvierte. Er bekam eine Stelle bei der Bundesbahn als geprüfter Heizer und Spezialarbeiter auf Dampflokomotiven. Unter dem Einfluss seines Bruders Alexander Lange und von Arbeitskollegen trat Eduard Lange 1928 der SDAP und 1929 dem Schutzbund bei. Er wurde von den ÖBB nach Stadl-Paura versetzt, 1931 jedoch im Zuge von Sparmaßnahmen entlassen. Eduard Lange wurde 1932 militärischer Leiter des Schutzbundes in Stadl-Paura und Organisator der Kämpfe im Ort im Februar 1934. In der Folge flüchtete er und gelangte über die Schweiz, Frankreich und Belgien mit seinem Freund Heinrich Fritz, seinem Stellvertreter im Schutzbund, per Schiff im Februar 1935 in die UdSSR.

 

In Moskau trat Lange im Februar 1935 der KPÖ bei. Bis September 1935 arbeitete als Schlosser in der Experimentalwerkstatt des Moskauer Betriebes Электрозавод, dann besuchte er unter dem Namen Hans Ricker die Internationale Leninschule (ILS). Seine Lehrer attestierten ihm gute Fortschritte, doch Angaben, die er bei der Aufnahme in die Schule machte, führten zu einer Untersuchung, die der österreichische Komintern-Kaderreferent Johann Täubl (Keller) eifrig vorantrieb. Der erste Verdachtspunkt betraf einen Prozess bezüglich Sprengstoffbeschaffung in Wels im Jahre 1933, bei dem Lange einige Schutzbundkameraden belastete. Er selbst wurde nach sechs Wochen Untersuchungshaft freigesprochen.

 

Auskunft über das Verhalten von Lange in der Untersuchungshaft und beim Prozess erhielt Täubl von August Moser, Politbüromitglied der KPÖ aus Steyr, und dem damals in Char'kov wohnenden Schutzbündler Karl Löberbauer, der 1931-1933 von seinem Arbeitsplatz in Wolfsegg Sprengstoff für die Herstellung von Handgranaten entwendet und damit die Schutzbundbezirksleitungen in Gmunden, Wels, Steyr, Vöcklabruck und Ried im Innkreis beliefert hatte. In der Folge stellte Täubl fest, dass Lange in seinen biographischen Angaben beim Eintritt in die Schule seine politische Vergangenheit verschwiegen hatte. Er beantragte deshalb Anfang Dezember 1936 Langes Ausschluss aus der Schule. Während der Anhörung des "Falls Ricker" bei der Internationalen Kontrollkommission des EKKI (Exekutivkomitee der Komintern) am 15. Dezember 1936 warf Täubl Lange seine Beziehungen zu Richard Bernaschek, seine Korrespondenz mit verdächtigen Verwandten in Österreich und sein Verhalten beim Verfahren wegen Sprengstoffbesitzes 1933 vor. Anschließend wurde Lange als "fremdes Element" aus der KPÖ ausgeschlossen.

 

Die KPÖ, die ihn ursprünglich für eine Kommandierung nach Spanien oder zur illegalen Arbeit nach Österreich vorgesehen hatte, bat die MOPR (Internationale Rote Hilfe) nach dem Ausschlussverfahren um die nötigen Dokumente, damit Lange eine Stelle im Moskauer Kugellagerwerk antreten konnte. Dazu kam es nie, da der NKVD aufgrund der von Täubl und anderen Denunzianten eingelangten Berichte die Verhaftung von Lange beschloss, die am 9. Februar 1937 erfolgte. Die 3. Abteilung der Hauptverwaltung für Staatssicherheit übernahm seinen Fall und stellte eine Anklage zusammen, die auf biographischen Daten Langes und seinem Verhalten an der ILS beruhte. Am 22. September 1937 beschlossen Stalin und Molotov, Eduard Lange durch ein Urteil des MKOG hinrichten zu lassen, aber das Gericht verhängte nach 20-minütiger Verhandlung am 3. Oktober 1937 eine 10-jährige Lagerstrafe wegen Spionage, Terrorismus und antisowjetischer Agitation, wobei Lange einige der gegen ihn erhobenen Anklagepunkte bestritt und sein Geständnis in der Untersuchungshaft widerrief.

 

Am 28. Mai 1940 wurde Lange wegen eines Fluchtversuches zu zusätzlichen drei Jahren Lagerhaft verurteilt. Am 12. Dezember 1941 wurde Lange im Lager wieder verhaftet und vom Militärtribunal der NKVD-Truppen beim Bau der Nord-Pečora-Eisenbahnmagistrale am 23. Juli 1942 wegen antisowjetischer Agitation zum Tode verurteilt. Vermutlich wegen des schlechten Gesundheitszustandes des Häftlings wurde das Urteil nicht vollstreckt, Lange starb am 22. September 1942.

 

 

Quelle: Parteiarchiv der KPÖ, RGASPI, GARF, Gestapo-Kartei (Blaue Kartei), Familie

 

Siehe auch Julia Köstenberger, Die Geschichte der Internationalen Leninschule in Moskau (1926-1938) unter besonderer Berücksichtigung des deutschen und österreichischen Sektors, Dissertation der Universität Wien, 2010, S. 292 ff.

 

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